Beim 39:25-Sieg der Hamburger Handballer über Ludwigshafen demonstriert das Publikum für den Verbleib der beiden Franzosen.

Hamburg. Natürlich hatte Bertrand Gille die Schilder gesehen. "Bobo", sein Spitzname, "Gino", der seines Bruders Guillaume, und "Gilles für HSV": Das alles war ja am Sonnabend überall zu lesen auf jenen Fanblöcken der O2 World, vor denen sich die HSV-Handballer einwerfen. Und auch wenn es nicht der erste Liebesbeweis war, den das Hamburger Publikum den letzten Verbliebenen aus der Gründungssaison 2002/03 erbrachte, so hinterließ es bei Bertrand Gille doch Wirkung: "Einfach toll, das berührt mich." Es sei ihm sogar fast ein wenig unangenehm direkt vor einem Spiel, wo er doch noch nichts geleistet habe.

Ein bisschen französisches Understatement wird bei dieser Aussage wohl im Spiel gewesen sein. Von allen HSV-Handballern ist Bertrand Gille, 32, so ziemlich der Letzte, der irgendeinen Leistungsnachweis schuldig wäre. Und selbstverständlich reichte er ihn auch an diesem 15. Spieltag der Bundesligasaison noch unaufgefordert nach: Drei Tore warf der Kreisläufer beim 39:25-(17:7-)-Sieg gegen die TSG Ludwigshafen-Friesenheim, eines davon sogar aus dem Rückraum. Er hatte erkennbaren Spaß an diesem leichten Spiel, in dem die Hamburger ihre Tabellenführung souverän behaupteten, bevor er in der zweiten Halbzeit für Igor Vori das Feld räumte.

An der Zuschauerrolle fand er weniger Gefallen: "In der zweiten Halbzeit haben wir uns nicht mehr so gut präsentiert." Nie in dieser Saison hat der HSV in 30 Minuten mehr Gegentore kassiert, und auch wenn der Sieg nie infrage stand, kann sich Gille über so etwas ärgern. Als später die Frage kommt, ob er dem HSV eigentlich noch irgendetwas beweisen müsse, ist es um seine Laune für einen Moment geschehen: "Das ist eine dumme Frage." 238 Spiele hat er für den deutschen Pokalsieger allein in der Bundesliga bestritten und dabei 852 Tore erzielt. Nie hat man irgendjemanden über seine Leistung, geschweige denn sein Engagement klagen hören. Über Jahre war der einstige Welthandballer zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder die Seele des HSV, hat allen Lockrufen widerstanden. Und nun soll am Saisonende, wenn die Verträge auslaufen, alles vorbei sein?

"Alles, was wir wollen, ist Klarheit darüber, ob wir im Zukunftskonzept eine Rolle spielen", sagt Bertrand Gille. Wenn es nach dem sportlichen Leiter Christian Fitzek geht, ist diese Frage längst positiv beantwortet. "Wir wollen mit beiden verlängern." Offenbar aber ist dieser Wille am Verhandlungstisch nicht hinreichend dokumentiert worden. "Die Gespräche sind geführt", sagt Bertrand Gille, "jetzt müssen wir auf eine Lösung warten." Zur Eile bestehe kein Anlass, auch wenn der HSV fast alle anderen Personalien zur jeweils beiderseitigen Zufriedenheit geregelt hat.

Vori etwa, der andere Kreisläufer, hat seinen Vertrag kürzlich bis 2014 verlängert. Seitdem der Kroate im vergangenen Jahr zum HSV wechselte, gibt es erstmals eine Alternative zu Bertrand Gille. Und auch wenn sich seine Rolle in dieser erlesenen Mannschaft dadurch vom Führungs- in Richtung Mitspieler verschoben hat oder, besser, er nur noch ein Führungsspieler unter vielen ist, trotzdem also hat der französische Olympiasieger und Europameister nach eigenem Bekunden "Riesenspaß" daran: "Igor Vori ist für mich der beste Kreisläufer der Welt, es ist gigantisch, mit ihm arbeiten zu können."

Wobei es ein glücklicher Umstand sei, dass man sich bestens verstehe: "Es hätte auch dumm laufen können, denn wir sind beide starke Persönlichkeiten." So aber sporne jeder den anderen an, "sich selbst zu beweisen, wie gut man ist".

Bertrand Gille wird damit leben können, sollte er im Pokal-Gipfeltreffen morgen beim Tabellenzweiten Füchse Berlin (20.15 Uhr/Sport1) nicht in der Startformation stehen. Irgendwann wird schon der Punkt kommen, an dem seine außergewöhnliche Zweikampfstärke gebraucht wird. Und dann wird er sich wieder hineinwerfen. Er kann wohl nicht anders.

Tore, Hamburg: Kraus 10 (7 Siebenmeter), Vori 6, Lackovic 4, Lindberg 4 (2), Hens 3, B. Gille 3, Flohr 2, M. Lijewski 2, Schröder 2, Duvnjak 1, Jansen 1, G. Gille 1; Ludwigshafen-Friesenheim: Ancsin 5, Becker 3, Dissinger 3, Matschke 3, Kogut 3, Grimm 3 (2), Dietrich 2, Hauk 2, Ruß 1. Schiedsrichter: Dedens/Geckert (Magdeburg). Zuschauer: 10 307. Zeitstrafen: 2; 3.