Der deutsche Gegner Spanien überzeugte im Viertelfinale gegen Paraguay erneut nicht. Nur Torjäger David Villa ist eminent gefährlich.

Johannesburg. Mit seinen schnellen Haken war David Villa den Paraguayern meist entkommen. Doch als ihn die übrigen Mitglieder der "Furia Roja", der roten Furie, über den Platz hetzten, gab es selbst für den so flinken Angreifer keinen Ausweg mehr. Cesc Fabregas war als Erster an Villa dran, verpasste ihm von hinten einen Stoß gegen den Rücken, sodass er aus dem Gleichgewicht geriet und bäuchlings auf dem Rasen landete. Einer nach dem anderen stürzte sich auf den Torschützen, der Spanien gerade mit einem 1:0 über Paraguay in das WM-Halbfinale gegen Deutschland geschossen hatte.

Es war wahrlich kein glanzvoller Auftritt des Europameisters. Urs Siegenthaler, der den nächsten Kontrahenten im Auftrag von Bundestrainer Joachim Löw in Johannesburg ausspionierte, sah eine spanische Mannschaft, die über weite Strecken der Partie dominant auftrat und wie gewohnt ein flüssiges Kurzpassspiel aufzog, der es dabei jedoch an Entschlossenheit sowie Durchschlagskraft in der Vorwärtsbewegung fehlte.

Die Fans in seiner Heimat nennen ihn "das Wunder"

Der Chefscout des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wird mit Sicherheit auch die Schwachstellen erkannt haben: Sergio Ramos, der Rechtsverteidiger von Real Madrid, denkt ausschließlich offensiv und vernachlässigt dadurch seine Aufgaben im Defensivverbund. Und Abwehrchef Carles Puyol vom FC Barcelona ist zwar geschickt in der Zweikampfführung, auf den ersten Metern aber sehr langsam. Die Paraguayer deckten diese Defizite am Sonnabendabend auf. Linksverteidiger Claudio Morel und dessen Vordermann Cristian Riveros setzten Ramos unter Druck, Bundesligaprofi Nelson Valdez von Borussia Dortmund gewann jedes Laufduell mit Gegenspieler Puyol.

Die Südamerikaner waren einfach nicht clever genug, ihre Vorteile auszunutzen. Aber in dieser Hinsicht hat sich die deutsche Mannschaft im bisherigen Turnierverlauf auffällig stark präsentiert - sie bestraft solche Fehler.

Wie schon in der Vorrunde, in der die Spanier ihre Auftaktpartie gegen die Schweiz (0:1) verloren und in der Folge gegen Honduras (2:0) sowie zum Abschluss gegen Chile (2:1) gewinnen mussten, um nicht vorzeitig zu scheitern, war es auch im Duell mit Paraguay ein "Tanz auf der Rasierklinge", wie Trainer Vicente del Bosque hinterher zugab. Am Ende war es allein ein Spieler, der den Unterschied zwischen beiden Teams ausmachte: David Villa. "Es hat sich wieder einmal gezeigt, wie glücklich wir sind, ihn in unseren Reihen zu haben", sagte del Bosque. Mittelfeldstratege Xabi Alonso fügte grinsend hinzu: "Villa ist eine Bedrohung für jeden Gegner - zum Glück spielt er für Spanien."

Fünf Treffer in fünf Partien hat der 28-Jährige in Südafrika bisher erzielt. Mit dieser Ausbeute führt er die WM-Torschützenliste nach den Viertelfinalspielen an, unter anderem vor den Deutschen Miroslav Klose und Thomas Müller, die jeweils viermal erfolgreich waren. Villa ist schwer auszurechnen, kein Stürmer, der im Strafraum auf den Ball lauert. "David ist überall und nirgends. Erst unsichtbar, dann im entscheidenden Moment am richtigen Ort", erläuterte del Bosque das Erfolgsgeheimnis des Angreifers, der unmittelbar vor der WM für 45 Millionen Euro vom FC Valencia zum FC Barcelona gewechselt ist.

Nach dem Halbfinaleinzug wurde der spanische Nationaltrainer von einem Reporter darum gebeten, Villa mit nur einem Begriff zu beschreiben. Del Bosque zögerte keine Sekunde: "Faszinierend", lautete seine Antwort.

Ebenso faszinierend ist auch die Geschichte von "Villa Maravilla" (Villa, das Wunder), wie die Fans in der Heimat ihren Liebling ehrfürchtig nennen. Im Alter von zehn Jahren brach sich Villa den Oberschenkel. Bis heute hat er diese Situation genau vor Augen: "Ich war klein, schmächtig. Ein hoch aufgeschossener Gegenspieler hat mich in die Mangel genommen."

Den Jungen transportierten sie in das 20 Kilometer entfernte Krankenhaus "Valle del Nalon" - und dort wurde der Arzt Dionisio Cuetos vor eine sehr schwerwiegende Entscheidung gestellt. "Es handelte sich um eine extrem komplizierte Fraktur. Der gebrochene Knochen lag so übereinander, dass Davids rechtes Bein drei Zentimeter kürzer war als das linke. Mein erster Gedanke war: Ich muss amputieren."

Der Mediziner wählte letztlich einen anderen Weg, die Operation dauerte drei Stunden, sechs Wochen verbrachte Villa in der Klinik, gefolgt von langwierigen Rehabilitationsmaßnahmen. Er musste noch einmal neu laufen lernen. "Ich fühlte mich wie ein Niemand", blickt der Fußballprofi zurück, der im Nachhinein froh darüber ist, diese harte Zeit durchlebt zu haben: "Ich lernte daraus, dass du leiden musst, bevor du etwas Großes erreichen kannst."

Cuetos, der Arzt, der Villas Karriere einst rettete und mittlerweile als Pensionär in Malaga lebt, hat den Werdegang seines früheren Patienten akribisch verfolgt. "Wenn David mal wieder zugeschlagen hat, dann rufen mich Freunde an und brüllen: 'Dionisio, da war er wieder - dein kleiner Junge'" Und das Telefon klingelt ständig.

In der Primera Division erzielte Villa für Real Saragossa und den FC Valencia 113 Tore in 174 Spielen, vor zwei Jahren bei der EM wurde er mit fünf Treffern Torschützenkönig, obwohl der Familienvater (zwei Töchter) das Finale gegen die DFB-Auswahl (1:0) wegen einer Oberschenkelzerrung verpasste. "Jetzt treffen wir erneut auf Deutschland - und diesmal bin ich dabei. Ich freue mich sehr auf dieses Spiel", sagt Villa. Es klingt wie eine Drohung.