St. Paulis Trainer Holger Stanislawski redet über Respekt vor alten Trainern, die Freude auf die Bundesliga und den Tod seiner Mutter.

Teistungen. Zu Gesprächen mit Journalisten zieht sich Holger Stanislawski im Trainingslager gern in die Hotelbar zurück. Hier hat er Ruhe, hier ist Schatten, hier kann er rauchen. "Dass der Asamoah bei mir spielt, ist dann aber eine ganz andere Frage", sagt er ohne Ankündigung und in doppelter Lautstärke. Der neue St.-Pauli-Stürmer, dessen Medien-Gespräch drei Tische weiter gerade beendet ist, lacht: "Vielen Dank, Trainer. Ist klar." Stanislawski legt ein breites Grinsen auf, zieht an einer Marlboro und formuliert einen seiner Lieblingssätze: "You're welcome." Der 40-Jährige wirkt entspannt und mit sich im Reinen. Trotz des Todes seiner Mutter ist ihm die Vorfreude auf die Bundesliga anzumerken.

Abendblatt:

Herr Stanislawski, Neuzugang Gerald Asamoah hat unter Trainern wie Huub Stevens oder Felix Magath trainiert, ist Vizeweltmeister. Hat er den Kulturschock schon verdaut?

Holger Stanislawski:

Natürlich ist er ein anderer Typ als Dennis Daube oder Richie Sukuta-Pasu. Aber ich behandele meine Spieler alle gleich. Sonst kann es nicht funktionieren. Ich flachse ihn, er flachst mich.

Sie gehören nach dem Aufstieg zu den ersten 18 Vereinstrainern des Landes. Müssen Sie sich verändern?

Zu diesem Kreis zu gehören bedeutet für mich eine enorme Wertschätzung, ein Privileg. Aber verändern werde ich mich deswegen nicht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Als ich zu unserem Testspiel gegen Leverkusen gemeinsam mit Jupp Heynckes auf den Platz ging, gab er mir die Hand. Ich sagte: "Ich grüße Sie", woraufhin er mir erklärte, dass wir als Kollegen per Du seien. Das fand ich wirklich nett. Aber ich kann ja nicht zu einem Heynckes gehen und sagen: "Hey Jupp, alte Keule!" Das geht nicht, und das gehört sich nicht. Bei einem Tuchel oder Klopp, die ungefähr in meinem Alter sind, ist das etwas anderes. Vor den Leistungen der älteren und erfahrenen Trainer habe ich großen Respekt.

Gehören Sie zu Recht in diesen elitären Zirkel?

Das ging alles sehr schnell, ich fülle diese Aufgabe ja erst seit dreieinhalb Jahren aus. Durch den sportlichen Aufstieg ist die Berechtigung aber gegeben. Im Übrigen muss das auch den Spielern klar sein. Sie gehören zu den 350 Spielern in der besten Liga Europas.

Wie haben Sie sich der Thematik Bundesliga genähert?

Erst mal habe ich Ende Mai abgeschaltet, Urlaub gemacht und das Erreichte genossen.

Es fällt schwer, Ihnen zu glauben, dass Sie so ganz ohne Fußball durch die Woche kommen.

Okay, zum Ende hin hat es schon etwas gekribbelt. Da war der Drang, Trainingspläne auszuarbeiten und sich mit der Mannschaft zu beschäftigen, spürbar. Die Vorfreude auf den Spielplan war riesig. Als es dann losging, hätte ich allerdings nach drei Tagen am liebsten wieder Urlaub genommen. Da lief noch vieles in der Organisation verkehrt.

Was erwarten Sie von der Spielzeit, was ist möglich?

Wir werden weniger Ballbesitz haben und weniger Torchancen kreieren, unserem Stil aber auch in der Bundesliga treu bleiben.

Siege werden erspielt, nicht ermauert?

So kann man das sagen, ja.

Gibt es eine Neuauflage des Playbooks, in dem die wichtigsten Spielzüge festgehalten sind?

Wir werden verschiedene taktische Systeme aushängen, aber keinem Spieler mehr etwas an die Hand geben.

Müssen Sie Dinge verändern, um die Spieler neu überraschen und fordern zu können?

In diesem speziellen Fall nicht. Aber natürlich werden wir uns die eine oder andere neue Sache einfallen lassen und anwenden.

Fünf Profis sind neu im Kader. Exakt das Quintett, das Sie haben wollten?

Im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten haben wir alle Spieler bekommen, die wir haben wollten, ja. Aber natürlich gab es auch Gespräche mit Kandidaten, die nicht bezahlbar waren. Spielertypen wie Kevin-Prince Boateng oder Jermaine Jones finde ich sehr interessant.

Inmitten von Aufstiegsfeierlichkeiten , dem Basteln am Kader und der Saisonvorbereitung waren Sie in den vergangenen Wochen auch privat sehr stark gefordert. Wie sind Sie mit der Krankheit Ihrer Mutter, die am vergangenen Donnerstag verstarb, umgegangen?

Das waren unheimlich schwere fünf Monate, nicht nur für mich, sondern für meine ganze Familie. Aber wir sind auch froh und dankbar, dass sie es nun geschafft hat.

Woraus haben Sie in dieser Zeit Ihre Kraft gezogen?

Auf den Fußball gemünzt kann ich sagen, dass wir als Familie einfach ein ganz, ganz starkes Team waren.

Sie wirken gelöster und fröhlicher als in den Wochen zuvor. Täuscht die Fassade?

Nein, es geht mir insgesamt ganz gut. Aber es ist momentan einfach ein ständiges emotionales Hoch und Runter. In der kommenden Woche, wenn die Beerdigung ist, wird das noch mal ein ganz schwerer Gang für mich.

Setzen Sie sich nun intensiver mit dem Tod auseinander?

Nein, damit beschäftige ich mich nicht. Lassen Sie uns über Fußball reden.

Gern. Gibt es etwas, auf das Sie sich in der neuen Saison besonders freuen?

Ich freue mich auf die Stadien. Dortmund, Köln, Schalke, Gladbach. Du fährst mit dem Bus vor und weißt, da drinnen sitzen 60 000, 80 000 Leute.

Haben Sie keine Versagensängste? Seit Ihrem Dienstantritt ging es nur bergauf. Das könnte sich ändern.

Weshalb? Wir sind der krasseste Außenseiter der Liga, die 18. Mannschaft. Es kann für uns nur nach oben gehen. Wir haben schon mit dem Aufstieg Phänomenales erreicht. Jetzt wollen wir ernten, was wir gesät haben.