Der neue Trainer Slomka hat große Ziele mit dem HSV und überzeugt bei seiner Vorstellung. Hannovers Vereinschef Martin Kind ist vom Gelingen der „Mission Mirko“ überzeugt.

Hamburg. Irgendwie schien alles ganz wunderbar zusammenzupassen. Die Sonne strahlte, ein Großteil der rund 500 herbeigeeilten Fans applaudierte, und auch Mirko Slomka selbst lächelte, als er am Montag um 15.08 Uhr erstmals den HSV-Trainingsplatz neben der Arena betrat. Eine kurze Ansprache an die Mannschaft, dann legten der frühere Hannoveraner und sein Co-Trainer Nestor el Maestro (siehe Bericht unten) auch schon los.

Bloß keine Zeit verlieren, das schien die erste Botschaft Slomkas zu sein. „Der HSV ist ein großartiger Verein, ein Verein, der Visionen hat. Es ist eine irre spannende Herausforderung, zunächst die zwei Plätze gutzumachen, die man für den Klassenverbleib braucht“, hatte der 46 Jahre alte Fußballtrainer zuvor auf seiner offiziellen Präsentation gesagt.

Fast schien an diesem herrlichen Wintertag vergessen, dass vor nicht einmal 40 Stunden an gleicher Stelle Vorgänger Bert van Marwijk nach acht Pflichtspielniederlagen in Folge beurlaubt werden musste. Wer Belege für die Schnelllebigkeit des Fußballgeschäfts sucht – hier war einer.

„Ich traue Mirko Slomka zu, dass er die nötigen Impulse für den Klassenerhalt setzt“, sagte etwa Sportchef Oliver Kreuzer, der Sonntagmittag Slomka, dessen Berater Harun Arslan sowie HSV-Chef Carl Jarchow zu Verhandlungen und Pizza zu sich nach Hause eingeladen hatte. Gerade mal vier Stunden musste sich das Quartett austauschen, um am frühen Nachmittag zu wissen: Es passt. Der studierte Mathematik- und Sportlehrer unterschrieb einen bis 2016 laufenden Vertrag, der auch für den Fall des Abstiegs seine Gültigkeit behält.

Sogar eine Wohnung in Hamburg will sich der Hannoveraner suchen, der offenbar nicht den gleichen Fehler wie van Marwijk, der ein Hotelzimmer bevorzugte und deshalb stets wie ein Trainer auf der Durchreise wirkte, begehen will. „Ich befasse mich nicht mit der Zweiten Liga. Aber in der momentanen Situation wäre es blauäugig vom Vorstand, nicht an die Zweite Liga zu denken“, sagte Slomka, dessen Verpflichtung nach dem einstimmigen Votum des Aufsichtsrats (siehe Bericht unten) am frühen Montagmorgen perfekt war.

Nicht mal zwei Stunden danach fuhr der gebürtige Niedersachse, der die erste Nacht in Hamburg privat untergekommen war, auch schon an seinem neuen Arbeitsplatz vor. Um zehn Uhr traf sich Slomka mit seinem neuen Trainerstab, der mit Ausnahme des Co-Trainers identisch mit dem von Vorgänger van Marwijk ist. Und auch sonst verriet der Tatendrang ausstrahlende Slomka wenig später auf seiner ersten Pressekonferenz, dass er nur Kleinigkeiten verändern wolle.

Die bislang praktizierte 4-2-3-1-Taktik wolle er etwa beibehalten, wobei es innerhalb des Systems durchaus Kleinigkeiten zu justieren gäbe. In seinem ersten Training ließ er beispielsweise Jonathan Tah statt in der Abwehr im defensiven Mittelfeld spielen. „Manchmal reicht es, an ein paar Stellschrauben zu drehen, wir müssen der Mannschaft wieder das Erfolgsgen einhauchen“, sagte Slomka, der sich nach der 90-minütigen Einheit noch knapp fünf Minuten mit seinem neuen Trainerstab auf dem Platz austauschte.

Überhaupt keinen Zweifel am Gelingen der „Mission Mirko“ hat ausgerechnet der Mann, der Slomka vor gerade mal 53 Tagen beurlaubt hatte. Gegenüber dem Abendblatt beglückwünschte Hannovers Vereinschef Martin Kind den HSV zur Verpflichtung des früheren 96-Coaches: „Slomka bringt alle Voraussetzungen mit, um mit dem HSV den Klassenerhalt zu schaffen. Er ist kein typischer Feuerwehrmann, eher ein Konzepttrainer, der es aber versteht, eine Mannschaft auf ihrem Weg mitzunehmen.“ Seine größte Qualität sei, dass er ein Team überzeugen und vor allem weiterentwickeln könne.

Dies war Slomka, der früher nur unterklassig bei Vereinen wie der TSV Fortuna Sachsenross oder Stern Misburg aktiv war, in seiner insgesamt vierjährigen Amtszeit in Hannover zweifelsohne gelungen. Der Pädagoge übernahm die durch den Suizid von Robert Enke völlig verunsicherte 96-Mannschaft und rettete mit ihr nach einer Aufholjagd am letzten Spieltag der Saison 2009/10 die Klasse.

In den Folgejahren schaffte der zweifache Familienvater, dessen Frau und Kinder vorerst in Hannover wohnen bleiben, sogar zweimal den Einzug in die Europa League. Erst nach knapp vier Jahren war dann ein Abnutzungseffekt, insbesondere zwischen Mannschaft und Slomkas Trainerteam, nicht mehr zu übersehen.

„Für mich ist ganz wichtig, dass wir wegkommen von diesem wissenschaftlichen Kram, der bei 96 viel zu dominant war“, sagte etwa Slomka-Kritiker Dieter Schatzschneider, der sowohl für Hannover als auch für den HSV gespielt hat, unlängst der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.

So habe es besonders zwischen Spielern und Slomkas Vertrautem Professor Jürgen Freiwald, den der neue Trainer vorerst nicht nach Hamburg holen will, kein Vertrauensverhältnis mehr gegeben: „Ich hatte aus der Mannschaft gehört, dass die Spieler keinen Bock mehr hatten, bei dem Professor den ganzen Mist zu machen.“

Doch Hannover, früher gerne der „kleine HSV“ genannt, ist Vergangenheit, Hamburg, also der „große HSV“, die Zukunft. Und obwohl dieser große HSV derzeit auf Tabellenplatz 17 eher winzig wirkt, scheint Slomka keinen Zweifel an den Perspektiven zu haben: „Der HSV sollte in Deutschland zu den Top fünf gehören“, sagte der Neu-Hamburger, der vorerst aber nur einen einzigen Auftrag zu erfüllen hat: die Top 15.