Es ist die teuerste Beurlaubung der Club-Geschichte. Dem Verein drohen Forderungen von 2,7 Millionen Euro nach van Marwijks Rauswurf. Viertes Minus in Folge scheint jetzt schon sicher.

Hamburg. Es war 22.10 Uhr am späten Sonnabend, als Carl Jarchow in den Katakomben der Imtech Arena vor die Kameras trat. „Wir haben übereinstimmend beschlossen, dass wir mit sofortiger Wirkung Bert van Marwijk und seinen Assistenten freigestellt haben“, sagte der HSV-Chef, der weitere Nachfragen nicht beantworten wollte. Was Jarchow zu diesem Zeitpunkt längst wusste, aber nicht kommentieren wollte: Bert van Marwijks sofortige Freistellung wird als teuerste Beurlaubung überhaupt in die Vereinsgeschichte eingehen, ein vierter negativer Jahresabschluss gilt damit bereits jetzt als sicher.

Wie das Abendblatt erfuhr, stehen van Marwijk Zahlungen in Höhe von 2,7 Millionen Euro bis Vertragsende 2015 zu – exklusive eines Nachschlags. Die Details: Da der Niederländer nur beurlaubt ist, wird der frühere Bondscoach zunächst weiter voll bezahlt. Bis zum Sommer stehen van Marwijk noch 700.000 Euro, in der kommenden Saison sogar bis zu 2,4 Millionen zu. So sieht der Vertrag des 61-Jährigen vor, dass er in der neuen Spielzeit 2014/15 zwei Millionen Euro Grundgehalt bezieht, darüber hinaus ist eine Prämie von 400.000 Euro für das Erreichen von Platz neun festgeschrieben.

Beim Klassenerhalt ist der volle Anspruch unstrittig. Bei einem Abstieg könnte über die Abfindung vor Gericht gestritten werden, da van Marwijks Vertrag nur für die Erste Liga gilt, der Fußballlehrer aber argumentieren dürfte, dass er die Bundesliga gehalten hätte. Somit müsste der Vorstand selbst bei einem Abstieg eine Rückstellung über die volle Höhe bilden, da die Zahlungen an van Marwijk nach dessen Beurlaubung in das Ergebnis des laufenden Geschäftsjahrs einfließen.

Spätestens jetzt hätte sich der HSV in Sachen Abfindungen einen Eintrag ins Buch der Rekorde verdient. So erhielt auch van Marwijks Vorgänger Thorsten Fink ein fürstliches Schmerzensgeld von 800.000 Euro, die Abfindung von Finks Vorgänger Michael Oenning war auf 500.000 Euro festgeschrieben. Während Huub Stevens, Martin Jol und Armin Veh keine wesentlichen Kosten bereiteten, weil sie den Verein mehr oder weniger freiwillig verließen, durfte sich Bruno Labbadia über eine Million Euro freuen, Thomas Doll erhielt im Rahmen seines Auflösungsvertrags 900.000 Euro.

Kurios: Auch Felix Magath, der fast in dieser Woche beim HSV unterschrieben hätte, wurden 1997 260.000 Euro vom Amtsgericht zugesprochen. Einsamer Rekordhalter war bislang Frank Pagelsdorf, der im Herbst 2001 4,1 Millionen D-Mark, also rund 2,1 Millionen Euro erhielt. Ein Rekord, der nun wackelt.

Dabei kommen die zusätzlichen Kosten zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt auf den HSV zu. Denn bereits vor der Beurlaubung van Marwijks schien die von HSV-Chef Jarchow angestrebte schwarze Null im laufenden Geschäftsjahr kaum realisierbar. Hauptgrund ist das desaströse Abschneiden, das den HSV Millionen kostet.

So hatten die Verantwortlichen für diese Saison einen einstelligen Tabellenplatz kalkuliert, der kaum erreicht werden dürfte. Doch jeder Rang unter dem angestrebten kostet den HSV mehr als eine Million Euro an verpassten TV-Geldern. Auch einige Sponsoren haben erfolgsabhängige Zahlungen vereinbart.

Noch vor einem Monat hatte Jarchow gegenüber dem Abendblatt betont: „Ein ausgeglichenes Ergebnis wird weiter angestrebt.“ Dabei hatte der Vorstandsvorsitzende ergänzt, dass dieses Ergebnis nach 4,9 Millionen Euro Minus in der Saison 2010/11, 6,6 Millionen Euro Minus im Jahr 2011/12 und 9,8 Millionen Minus in der Spielzeit 2012/13 „vom weiteren sportlichen Verlauf der Saison und der möglichen Abgabe von Spielern“ abhängig sei.

Doch trotz des Verkaufs von Dennis Aogo an Schalke und der Ausleihgeschäfte von Gojko Kacar nach Japan und Artjoms Rudnevs an Hannover 96 sieht es nach van Marwijks Beurlaubung auch finanziell düster aus. Längst machen Gerüchte die Runde, ob der HSV nach einem Abstieg überhaupt eine Lizenz für die Zweite Liga erhalten würde. Bisher nur ein Horrorszenario. Aber das Minus würde sicher auch 2014/15 größer werden.