Der Rauswurf von van Marwijk ist richtig. Doch der HSV braucht endlich Konstanz

Und nun also Bert van Marwijk. Mit dem Holländer quittierte am Sonnabend nunmehr der sechste Cheftrainer seit Sommer 2008 vorzeitig seinen Dienst beim HSV.

Nach acht Pflichtspielpleiten in Folge – das 0:5 im DFB-Pokal gegen den FC Bayern eingerechnet – kommt diese Beurlaubung nicht wirklich überraschend. Und mit dem desaströsen 2:4 beim Tabellenletzten Eintracht Braunschweig lieferte van Marwijk das letzte Argument für seine Demission.

Der stete Wechsel auf leitenden Positionen ist längst die einzige Konstante beim HSV. Seit Thomas Doll, Trainer von Oktober 2004 bis Januar 2007, blieb nur Thorsten Fink länger als ein Jahr im Amt. Seine Kollegen Martin Jol, Bruno Labbadia, Armin Veh, Michael Oenning und eben jetzt van Marwijk ereilte das geflügelte Wort „In Hamburg sagt man tschüs“ jeweils vor der Zwölf-Monats-Frist. Und als Sportchef versucht sich mit Oliver Kreuzer nun auch schon nach Bastian Reinhardt und Frank Arnesen der dritte Mann seit der Trennung von Dietmar Beiersdorfer.

Eine solche Personalpolitik ist teuer – für van Marwijk droht dem Club die nächste millionenschwere Abfindung – und führt automatisch in die Krise. Denn natürlich bringt jeder Neue nicht nur seine Entourage, sondern auch seine Konzepte mit. Van Marwijk etwa hatte die glorreiche Idee, am Ende der Winterpause mit Ouasim Bouy und Ola John zwei Talente aus seiner Heimat zu holen, die in der Hinrunde bei ihren Stammclubs fast nur auf der Bank oder der Tribüne saßen. Wer mit so jungen Leihspielern ohne jede Spielpraxis im Abstiegskampf bestehen will, bettelt förmlich um seinen Rauswurf.

Zu den HSV-Chaos-Tagen passt die Nachricht, dass weitere Aufsichtsräte zurücktreten werden, sobald der neue Trainer verpflichtet worden ist. In den Internetforen sorgte die Botschaft naturgemäß für Jubel, die Räte gelten bei vielen Anhängern als Ursachen allen Übels. Wer diesen Rückzug feiert, denkt aus Vereinssicht indes nicht weiter als von der Tapete bis zur Wand. Denn der Verein steuert jetzt mit einem angeschlagenen Vorstand und einem fast handlungsunfähigen Aufsichtsrat durch die schwerste Krise seiner Bundesliga-Historie. Wirklich verheerend für das Ansehen des Clubs sind die Ursachen der Rücktritte. Offenbar wurden mehrere Räte bedroht, Ali Eghbal sagt, er habe nur dank Polizeischutz das Spiel in Braunschweig unbeschadet überstanden. Wer dazu noch die Bilder der Attacken gegen Spieler nach dem 0:3 im Heimspiel gegen Hertha BSC im Kopf hat, mag sich gar nicht vorstellen, was in dieser Stadt passieren könnte, sollte der Verein wirklich erstmals den Gang in die Zweite Liga antreten müssen.

Noch hat der HSV 13 Spiele Zeit, den größten anzunehmenden Unfall der Vereinsgeschichte abzuwenden. Der Ratschlag, der Club könne sich ja auch in der Zweiten Liga mal regenerieren, ist in etwa so sinnvoll, wie den Euro künftig an den Wert der türkischen Lira zu koppeln. In Wahrheit wäre der Abstieg für den HSV finanziell durch die Einbußen von TV- und Sponsorengelder eine Katastrophe.

Sicher, noch trennen den HSV nur drei Punkte vom rettenden Ufer, da gab es schon schwierigere Rettungsmissionen. Und doch sind die Baustellen groß: Das Team ist qualitativ wohl das schwächste der HSV-Neuzeit, auch in der Fitness. Vor allem muss Mirko Slomka als neuer Trainer alles daransetzen, die Führungsspieler aus dem Formtief zu holen. Was Nationalspieler wie René Adler, Heiko Westermann oder Kapitän Rafael van der Vaart in den vergangenen Monaten angeboten haben, war fast immer schlicht desolat.

Sollte der HSV dennoch nach dem letzten Saisonspiel in Mainz am 10. Mai weiter erstklassig bleiben, werden die HSV-Fans Slomka als Retter feiern. Nicht die schlechteste Basis für einen langfristigen Aufenthalt in Hamburg.