Neben Ertel scheiden auch Eghbal und Floberg aus dem Aufsichtsrat aus. Zuvor dankten bereits Erhardt und Klüver ab. Slomkas Vertrag gilt auch für die 2. Liga.

Braunschweig/Hamburg. Der Verpflichtung vom Mirko Slomka als HSV-Trainer steht nichts mehr im Weg. Der Aufsichtsrat hat am Montagmorgen der sogenannten überplanmäßigen Ausgabe für den Coach einstimmig zugestimmt. Slomka wird um 13 Uhr auf einer Pressekonferenz beim HSV als Nachfolger von Bert van Marwijk vorgestellt und leitet am Nachmittag das erste Training. Zuvor war Slomka, der am 27. Dezember bei Hannover 96 entlassen worden war, auf dem Gelände des stark abstiegsbedrohten Clubs eingetroffen. Der 46-Jährige soll einen Zweijahresvertrag erhalten, der auch für die 2. Bundesliga gilt.

Damit sind die Rücktritte der Aufsichtsräte Manfred Ertel, Björn Flohberg und Ali Eghbal perfekt. Diese hatten ihre Abdankung angekündigt, sobald ein neuer Trainer verpflichtet ist. Schon am Sonntag hatten Marek Erhardt und Uli Klüver ihre Rücktritte bekanntgegeben. Die Spitze des Aufsichtsrates scheint bezüglich eines Rücktritts noch unentschlossen.

Ertel hat sein Ausscheiden auf seiner Facebook-Seite begründet: „Ich habe mich in den letzten Tagen manipuliert, instrumentalisiert und genötigt gefühlt. Ich bin unter Vortäuschung falscher Tatsachen in eine Personaldebatte über eine mögliche Zusammenarbeit mit Felix Magath getrieben und anschließend durch gezielte Indiskretionen über Medien, durch die Verbreitung von Halbwahrheiten und auch Fehlinformationen genötigt worden, der Personalie um jeden Preis zuzustimmen“, rechnet der Journalist mit dem Kollegium ab.

„Ich hätte mir eine Zusammenarbeit mit Felix Magath als Trainer und „Retter“ unter Umständen sogar vorstellen können, aber nicht um jeden Preis. Und vor allem nicht um den Preis, dafür mitten im existenziellen Abstiegskampf unseres HSV gleich die halbe Vereinsführung (oder mehr) zu entlassen. Zumindest jetzt ist Ruhe und Geschlossenheit erste HSV-Pflicht.

Mein Vertrauen wurde in der vergangenen Woche zum wiederholten Male gröblichst missbraucht. Meine Loyalität gegenüber dem HSV und einem seiner Gremien wurde auf eine harte Probe gestellt. Verantwortlich dafür sind (kleine) Teile im Aufsichtsrat und Vorstand in Zusammenarbeit mit Kräften außerhalb des Vereins.

Das war nicht das erste Mal. Meine Loyalität gegenüber Verein und dem Vorstand wurde schon in den vergangenen Monaten mehrfach, viel zu oft, überstrapaziert. Durch Kampagnen gegen den Ex-Sportchef Frank Arnesen zum Beispiel, durch gezielte Indiskretionen wie im Sommer an die Adresse der BILD und durch vorsätzliche Obstruktion gegen einzelne Vorstandsmitglieder oder vereinspolitische Entscheidungen.
Ich bin nicht länger bereit, die Machenschaften von zwei oder drei Kollegen im Aufsichtsrat und einem Vorstand weiter auf meinen Schultern austragen zu lassen. Ich bin nicht länger bereit für wirre Alleingänge oder eitle Karriereplanungen Einzelner in Haftung genommen zu werden. Ich bin nicht länger bereit, meine persönliche Glaubwürdigkeit durch solche Manöver in Frage stellen zu lassen und meine Reputation innerhalb des Vereins und nach außen endgültig aufs Spiel zu setzen.
Und ich bin nicht bereit, mich dem Hass und den persönlichen Angriffen, die zuletzt in gewalttätigen Bedrohungen und Lynchaufrufen gipfelten, auszusetzen.
Ich bin auch nicht bereit, den HSV solchen Machenschaften zu unterwerfen. Also gehe ich, das bin ich meinem Anspruch an mich und meinem Verhältnis zum HSV aber auch der Fürsorgepflicht für meine Familie schuldig.

Ich bedanke mich ausdrücklich für eine überaus vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit Teilen des Aufsichtsrates, vor allem bei den Kollegen Jens Meier, Eckart Westphalen, Björn Floberg und Hans-Ulrich Klüver. Ähnliches gilt auch für die eine oder den anderen Kollegen.
Ich bedanke mich außerdem für eine enge, vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit bei Oliver Kreuzer aber auch bei Oliver Scheel und Carl Jarchow. Und einigen KollegInnen der Geschäftsstelle.
Ich bedanke mich vor allem aber auch für das Vertrauen großer Teile der Mitgliedschaft und für den engen, freundschaftlichen und immer erfrischenden Austausch mit Euch und vielen anderen Fans.
Ich werde meine ganze Kraft weiter für einen erfolgreichen Kampf gegen den Abstieg und eine erfolgreiche Zukunft meines HSV aufwenden. In Zukunft aber wieder ausschließlich aus der Kurve.“

Van Marwijks letzte Stunden im Protokoll

Äußerlich wie immer gefasst und ungerührt hatte Bert van Marwijk die Pressekonferenz nach dem 2:4 bei Eintracht Braunschweig heruntergespult, als die letzte, unvermeidliche Frage gestellt wurde: „Glauben Sie, dass Sie am Sonntag noch Trainer des HSV sind?“ „Ja.“ Pause. „Und Sie?“ Die Antwort des Reporters: „Nein.“ Da musste selbst Vorstand Joachim Hilke trotz aller Tragik hinter vorgehaltener Hand schmunzeln. Drei Stunden später wusste van Marwijk, wer recht hatte.

18.04 Uhr: Der Vorstandsvorsitzende Carl Jarchow und Hilke warten am Bus, besprechen die Lage mit Sicherheitschef Kurt Krägel. Einige Fans rufen: „Wir haben die Schnauze voll“ und „Wir wollen den Vorstand sehen“. Außerhalb des Stadions gibt es vereinzelte Scharmützel zwischen Fans und Polizei.

18.15 Uhr: Die Stimmung unter den Profis ist entsprechend der bedrohlichen Lage. „Er hat sehr wenig gesprochen. Es war sehr still in der Kabine“, sagte Lasse Sobiech über van Marwijks Ansprache direkt nach dem Spiel. „Jetzt brennt hier alles lichterloh. Man muss definitiv Angst haben. So werden wir es sicherlich nicht packen.“ Und: „Das ist doch Wahnsinn! So etwas darf uns einfach nicht passieren. Braunschweig ist nicht Bayern.“ In der Kabine wurde laut van Marwijk nur „ein verletzter Spieler böse gegen sich und andere“. Er meint Kapitän Rafael van der Vaart, der direkt nach dem Spiel den Weg zu den Fans in die Kurve angetreten hatte und übel beschimpft worden war.

18.40 Uhr: Der HSV-Bus rollt auf die Hamburger Straße in Braunschweig. Van Marwijk sitzt neben Co-Trainer Roel Coumans. Auch Sportchef Oliver Kreuzer sitzt in dem Fahrzeug. Viel wird aber nicht gesprochen.

20.52 Uhr: Bei der Ankunft an der Arena in Hamburg warten 20 Medienvertreter auf Neuigkeiten. Jarchow und Kreuzer bitten van Marwijk zum Sechsaugengespräch, die Entlassung ist mit Hilke und auch Vorstand Oliver Scheel, der ebenfalls in Braunschweig war, abgesprochen. Nur ein Sieg, so hatte es der Vorstand auch gegenüber dem Aufsichtsrat vor einer Woche signalisiert, hätte van Marwijk noch retten können.

21.02 Uhr: Van Marwijk bittet die Spieler zu einer letzten Mannschaftssitzung, verabschiedet sich mit den Worten: „Vielen Dank für alles! Ich glaube auch weiterhin an euch, wie ich es die ganze Zeit getan habe.“

21.42 Uhr: Van Marwijk checkt ein letztes Mal beim HSV aus, fährt in seine Heimat. Vorteil van Marwijk: Um eine Wohnungsauflösung muss er sich nicht kümmern, schließlich hat er von Anfang an das Hotelleben bevorzugt. Neben ihm ist auch sein Assistent Coumans gefeuert. Die beiden Trainer gehen nach nur 143 Tagen Amtszeit mit der schlechtesten Bilanz in die Clubgeschichte ein: sieben Bundesligapleiten in Folge, garniert vom Pokalaus gegen den FC Bayern.

22.10 Uhr: Jarchow bestätigt die Entlassung: „Er hat sehr nüchtern und verständnisvoll reagiert“, berichtet der HSV-Chef. „Wir wissen alle, dass wir uns gegenseitig schätzen.“ Später ergänzt Sportchef Kreuzer: „Wir sahen uns zum jetzigen Zeitpunkt gezwungen, diese Entscheidung zu treffen, obwohl wir sie auch bedauern.“ Jarchow kündigt an: „Wir werden alles daransetzen, sehr zeitnah eine Lösung zu finden, und werden diese dann auch zeitnah präsentieren.“

Die Ausgangslage zu diesem Zeitpunkt ist klar: Mirko Slomka ist der klare Favorit, der frühere HSV-Trainer Martin Jol, der im Dezember in Fulham beurlaubt wurde, nur eine Alternative. Obwohl Kreuzer dies direkt nach dem Spiel im Fernsehen dementierte, soll sich der Sportchef bereits in der vergangenen Woche mit Wunschkandidat Slomka getroffen haben, der im Dezember bei Hannover 96 entlassen worden war. 1,5 Millionen Euro Abfindung soll er für die Auflösung seines bis 2016 laufenden Vertrags kassiert haben. Mit Harun Arslan hat Slomka denselben Berater wie Bundestrainer Joachim Löw.

Sonntag, 16 Uhr: Beim HSV sickert durch, dass sich der Verein mit Slomka auf eine Zusammenarbeit geeinigt hat. Nur noch Formalien sind zu klären, wie auch die Zustimmung des Aufsichtsrats. Der Club will den Abschluss aber noch nicht offiziell bestätigen, auf Abendblatt-Anfrage lehnt Jarchow jeglichen Kommentar ab. Dem Vernehmen nach soll Slomka aber einen Vertrag bis Saisonende unterzeichnen und auch im Abstiegsfall möglicherweise bleiben.

Nach dem trainingsfreien Sonntag wird Slomka also im vierten Anlauf in Hamburg landen. Bereits 2008 war er als Nachfolger von Huub Stevens im engeren Kandidatenkreis und hinterließ beim Treffen mit den damaligen Vorständen Bernd Hoffmann, Dietmar Beiersdorfer und Katja Kraus einen guten Eindruck. Als sich die Hamburger 2009 nach dem Abgang von Martin Jol schon wieder auf Trainersuche begeben mussten, erklärte Slomka auch öffentlich seine Bereitschaft: „Natürlich würde ich mich über einen Anruf aus Hamburg sehr freuen.“ Doch damals machte Bruno Labbadia das Rennen. Und auch 2011, nach dem Abgang von Armin Veh, soll es Überlegungen gegeben haben, Slomka zu verpflichten.

Oliver Kreuzer, selbst erst seit Sommer 2013 im Amt, hat mit dem zweiten Trainerwechsel in dieser Saison – am 25. September ersetzte van Marwijk den am Ende glücklosen Thorsten Fink – vollzogen und zugleich seinen letzten Trumpf im Abstiegskampf gezogen. Dass Slomka die Fähigkeit besitzt, ein verunsichertes Team wieder zu stabilisieren, ist unbestritten. „

Für ihn wäre ich als Spieler durchs Feuer gegangen“, lobte einst Christoph Daum. Viel Zeit, mit dem HSV in die Erfolgsspur zu kommen, hat Slomka jedoch nicht: Nach dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund am kommenden Sonnabend folgen die wohl entscheidenden Spiele gegen die direkte Konkurrenz: in Bremen (1. März), gegen Frankfurt (8.3.) und Nürnberg (16.3.), in Stuttgart (22.3.) und gegen Freiburg (26.3.).