Revolution beim HSV – Mitglieder machen Weg für Investoren frei. 79,4 Prozent stimmen für Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Endgültige Entscheidung im Mai oder Juni.

Hamburg. Der HSV steht vor dem größten Wandel seiner Geschichte. Bei der Mitgliederversammlung im CCH am Sonntag stimmte eine Mehrheit von 79,4 Prozent für das Modell HSVPlus des ehemaligen Aufsichtsratschef Otto Rieckhoff. Es sieht eine Ausgliederung der Fußball-Profiabteilung und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft vor. Damit können Investoren ins Boot geholt werden, die Anteile in Höhe von maximal 24,9 Prozent erwerben dürfen. Fünf Konzepte standen zur Wahl.

„Das ist eine sanfte Revolution. Der größte Erfolg in meiner Funktion als Ehrenamtler. Ich bin überwältigt von der Klarheit des Votums“, sagte Rieckhoff. Die Ausgliederung ist aber noch nicht beschlossen. Das Konzept muss zunächst vom Vorstand vorangetrieben und den Mitgliedern zur Abstimmung im Mai oder Juni vorgelegt werden.

Dann allerdings ist eine Dreiviertelmehrheit notwendig. Bei den unterschiedlichen Präferenzen der Mitglieder ist der Ausgang ungewiss. Zumal der Antrag auf die Einführung von Fernwahlen gestern hauchdünn mit 73,9 Prozent die erforderliche Mehrheit von 75 Prozent verfehlte. Dies spielt eher den Gegnern von HSVPlus in die Hände. Denn viele Unterstützer Rieckhoffs wohnen nicht in Hamburg.

Auch der Vorstand sprach sich am Sonntag eindeutig für die Ausgliederung aus. „Unsere Struktur verhindert schnelle Entscheidungen“, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende Joachim Hilke den Istzustand. „Die Ausgliederung ist das Fundament für die Zukunft.“ Er betonte jedoch: „Wir sind klar gegen Investoren, die es auf Rendite abgesehen haben.“ Karl Gernandt, Generalbevollmächtigter von Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, bekräftigte, dass der HSV-Gönner den Verein mit einem Millionenbetrag unterstützen werde, falls sich auch andere Investoren finden würden.

Nie hatte der HSV mehr Mitglieder für eine Versammlung mobilisiert. Zwischenzeitlich waren 7165 Mitglieder im CCH anwesend. Der bisherige Bestwert datierte aus dem Jahr 2009 (4911 Mitglieder). „Unglaublich, was ich hier sehe. Ich bin stolz, dass so viel Leben ins Thema Strukturreform gekommen ist. Ich glaube, ich habe den Nerv vieler Mitglieder getroffen“, sagte Sieger Rieckhoff. Für Aufsichtsratschef Manfred Ertel war es eine klare Niederlage, er hatte sich mit „HSV Reform“ sowohl gegen Ausgliederung als auch gegen Investoren ausgesprochen.

Derzeit gibt es in der Bundesliga zwei Vereine als AG (Bayern München, Eintracht Frankfurt) und zehn als Kommanditgesellschaften. Für Letztere, die GmbH und Co. KG auf Aktienbasis, hatte sich der Rechtsanwalt Rainer Ferslev mit seinem Modell „Rautenherz“ ausgesprochen. Die Kommanditgesellschaft gilt als die sanftere Form der Kapitalisierung. In seinem leidenschaftlichen Appell warnte Ferslev vor einer Aktiengesellschaft. „Eine AG ist ein Kapitalistenmodell“, sagte Ferslev.

„Rautenherz“ hingegen wolle die Mitbestimmung der Mitglieder, hob der Redner hervor. Die undemokratischen Strukturen einer AG verglich er mit nordkoreanischer Alleinherrschaft. „Man traut euch nicht zu, mitzubestimmen, wer Aktionär in diesem Verein sein soll.“ Mit drohender Stimme rief er: „Man braucht beim AG-Modell eure Zustimmung nur noch einmal für die Ausgliederung. Und dann tschüs!“ Dennoch erhielt das Konzept nur 21,8 Prozent. Das Stiftungsmodell „HSV 21“ kam gar nur auf 14,3 Prozent. Der ehemalige Präsident Jürgen Hunke zog seinen Vorschlag „HSV – Tradition mit Zukunft“ vor der Abstimmung zurück.

„Wir wollen wieder dahin zurück, wo wir mal standen: in die deutsche und europäische Spitze des Profifußballs“, erklärte Rieckhoff. Ein Investor wolle keinen Gewinn machen, sondern vom Image der Marke HSV profitieren. „Von Ausverkauf und Verschachern ist keine Rede. Das ist bösartig“, sagte Rieckhoff. Zahlreiche Mitglieder in Saal H erhoben sich von ihren Plätzen und applaudierten. Die meisten Spieler des Profiteams bekamen die Euphorie schon nicht mehr mit. Sie hatten den Saal bereits nach 50 Minuten verlassen. Nur Marcell Jansen, René Adler, Sven Neuhaus und Dennis Diekmeier kamen unter Applaus zurück in den Saal.