Vermittler gesucht: Dass die neue Vereinsstruktur des HSV ein Erfolg wird, ist kein Selbstläufer

Es war ein Comeback, wie man es in der Sportfunktionärs-Szene nur ganz selten sieht. Otto Rieckhoff galt als gescheitert, sein Rücktritt im Mai 2012 als Aufsichtsratschef des HSV war letztlich nur konsequent. Schließlich konnte er die Querelen im höchsten Gremium des HSV nie beenden. Zudem hatte maßgeblich Rieckhoff den Dänen Frank Arnesen als Sportvorstand installiert, dessen Kette von Transferflops den Club noch tiefer in die Finanzmisere riss.

Und nun dieser 19. Januar im CCH. Rieckhoff wird frenetisch gefeiert wie ein Retter, sein Konzept HSVPlus erhält eine nie für möglich gehaltene Zustimmung von 79,4 Prozent. Damit hat Rieckhoff die erste große Hürde genommen, den Verein für Investoren zu öffnen. An dem ehemaligen Shell-Manager, dies ist die erste Botschaft der Jahreshauptversammlung, wird in den nächsten Jahren beim HSV kein Weg mehr vorbeiführen.

Selbst gewiefte Bundespolitiker können von seinem Wahlkampf lernen. Rieckhoff gab geschickt eigene Fehler in der Vergangenheit zu, zeigte sich in Sachen Ämter-Ambitionen sehr bescheiden („Ich strebe keine Macht an“), holte sich zudem öffentlichkeitswirksam HSV-Legenden wie Holger Hieronymus, Thomas von Heesen und Ditmar Jakobs ins Boot.

Dennoch, und dies ist die zweite zentrale Botschaft aus dem CCH, ist der Weg auch für Rieckhoff noch weit. Sein Konzept wird nun vom Vorstand überarbeitet und braucht im Mai erneut eine Mehrheit in ähnlicher Größenordnung. Denn nur bei mehr als 75 Prozent ist eine Satzungsänderung möglich. Der Antrag auf eine Fernwahl, die Rieckhoff ohne Frage in die Karten gespielt hätte, scheiterte knapp – HSVPlus muss also erneut die Mitglieder, die ins CCH kommen, begeistern. Und die Details sind extrem komplex. Allein die Frage, wie die Verbindlichkeiten des HSV von 100 Millionen Euro bei einem Verkauf von Anteilen zu bewerten sind, wird Wirtschaftsprüfer intensiv beschäftigen. Zudem gilt Milliardär Klaus-Michael Kühne, der bereits angekündigt hat, Anteile zu zeichnen, falls auch andere Partner mitmachen, als nicht eben einfacher Verhandlungspartner. Sportvorstand Oliver Kreuzer titulierte er im Sommer als „Drittliga-Manager“.

Rieckhoff ist daher gut beraten, gerade jetzt im Triumph des Sieges Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Etwa in Form eines runden Tisches, wo auch die Kritiker Gehör finden. Andererseits muss sich vor allem die Führung der Fan-Abteilung Supporters bewegen, die gegen Ausgliederung und Investoren kämpft. Der Sonntag offenbarte, dass die Fan-Chefs eine klare Minderheitenposition im Verein vertreten.

Alle Fraktionen im Verein müssen nunmehr alles daransetzen, sich entscheidend anzunähern. Denn verfehlt HSVPlus im Mai die Dreiviertelmehrheit, droht dem HSV das völlige Chaos. Auch der Vorstand wäre dann kaum noch zu halten, zumal sich Vize Joachim Hilke am Sonntag auf die Seite von HSVPlus schlug. Der gesamte Verein könnte von einem Tag auf den anderen führungslos werden. Zudem werden sich im Aufsichtsrat, dem Kontrollgremium des Vereins, die Gräben noch weiter vertiefen. Es gilt als wahrscheinlich, dass der angeschlagene Aufsichtsratschef Manfred Ertel, der gestern ausgebuht wurde, sein Amt verlieren wird. 57,7 Prozent der Mitglieder votierten gegen die Entlastung der Räte, ein klareres Misstrauensvotum kann es kaum geben.

In der Politik und in der Wirtschaft sucht man gemeinhin in solchen Krisen nach einem gewieften Mediator. Und der HSV hat für diesen Job die Idealbesetzung: Alexander Otto, die geachtete Unternehmer-Persönlichkeit in Hamburg, zudem als ehemaliger HSV-Aufsichtsratschef vom Fach. Er hat die Autorität zum Versöhner und Vermittler. Der HSV braucht Otto – noch mehr als Kühne.