Beim Debüt von Thorsten Fink gegen Wolfsburg will der HSV erstmals seit März in Hamburg gewinnen. Jansen, Rincon, Guerrero starten.

Hamburg. Auf diese Frage ist Marcell Jansen nicht vorbereitet: ob er sich überhaupt noch erinnern kann, wann der HSV zuletzt ein Heimspiel gewonnen hat. Der 25-Jährige zögert, überlegt, kratzt sich am Kopf. "Köln", antwortet Jansen nach einigen Sekunden bestimmt, wird dann aber doch wieder unsicher: "Oder haben wir zwischendurch noch mal gewonnen?"

Nein. So lautet die traurige, aber ehrliche Antwort auf Jansens Nachfrage. Tatsächlich ist es an diesem Sonnabend ganz genau 217 Tage her, dass dem HSV zuletzt im eigenen Stadion ein Sieg gelungen ist. 6:2 gewannen die Hamburger am 19. März dieses Jahres gegen den 1. FC Köln. Frank Rost stand im Tor, Ruud van Nistelrooy spielte im Sturm, und Änis Ben-Hatira und Zé Roberto gehörten zu den Torschützen. Und Marcell Jansen? Der musste zuschauen. Eine Woche zuvor hatte er noch beim 0:6 gegen Bayern auf dem Platz gestanden, dann wurde Trainer Armin Veh entlassen, Michael Oenning übernahm. Neuer Trainer, neues Glück, so lief das Geschäft damals, so läuft das Geschäft heute.

"Es gab verschiedene Gründe, warum ich in den vergangenen Monaten nicht so richtig in Tritt kommen wollte", formuliert Jansen seine Rückschau mit Bedacht. Der Mittelfeldmann will lieber nach vorn als zurückblicken. Ohnehin sei doch bekannt, wie die Geschichte weitergegangen sei. Auch Oenning musste gehen, Rodolfo Cardoso übernahm, dann Frank Arnesen und an diesem Sonnabend im Spiel gegen den VfL Wolfsburg (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei Abendblatt.de) erstmals Thorsten Fink. Neuer Trainer, neues Glück. Auch für Jansen: "Es ist ein richtiger Neuanfang, nicht nur für mich, sondern auch für den ganzen Verein."

Tatsächlich brauchte Fink gerade mal fünf Tage im Amt, um kaum jemanden in Hamburg im Glauben zu lassen, dass seine Mannschaft die schwarze Heimserie an diesem Wochenende nicht ein für allemal beenden wird. "Irgendwann reißt jede Serie - und ich bin mir sicher, dass es jetzt so weit ist", sagt der Neuankömmling, der noch vor seinem ersten Spiel als HSV-Trainer von einer Boulevardzeitung den Zusatznamen "Messias" verliehen bekommen hat. "In der Kabine merken wir ganz einfach, dass es kein Zweifeln mehr gibt", sagt Jansen, "wir sagen nicht mehr, dass wir gewinnen wollen. Wir sagen ganz einfach: Wir gewinnen."

Neben Jansen, der für Zhi-Gin Lam spielen soll, dürfen sich auch die vermutlichen Startelf-Rückkehrer Paolo Guerrero (für Heung Min Son im Sturm) und Tomas Rincon (für Robert Tesche im defensiven Mittelfeld) als temporäre Gewinner des Trainerwechsels fühlen. Dabei gehe es aber weniger darum, wie Fink betont, wer nun gegen den VfL Wolfsburg auf welcher Position spielen wird, sondern um das große Ganze: "Wir wollen offensiv spielen, die Kontrolle haben, agieren, nicht reagieren. Die Zuschauer sollen unterhalten und begeistert werden."

+++ Kommentar: Teure Wechsel +++

Fink hat sich bereits am Wochenanfang für ein nach vorn ausgerichtetes 4-4-2-System entschieden, das durch schnelles Spiel über die Flügel mit Jansen (links) und Gökhan Töre (rechts) für Torchancen sorgen soll. Die Idee, dieses offensive Flügelspiel auf der rechten Seite durch eine Rückkehr Dennis Diekmeiers in die Viererkette zusätzlich zu verstärken, hat der Neutrainer zunächst mal verworfen. Schließlich weiß auch Fink, dass der Unterhaltungsfaktor in den vergangenen Heimspielen besonders durch die fehlenden Ergebnisse selbst für geduldige Fans ziemlich bescheiden war: 1:2 gegen Schalke, 0:1 gegen Gladbach, 3:4 gegen Köln, 2:2 gegen Hertha in dieser Saison sowie in der vergangenen Spielzeit 1:1 gegen Gladbach, 0:2 gegen Freiburg, 0:0 gegen Hannover und 1:1 gegen Dortmund. Macht in der Summe: acht Heimspiele ohne Sieg. "Das Vergangene ist vergangen", sagt Fink etwas pseudophilosophisch, "wir haben ein wunderschönes Stadion, und hinter uns stehen grandiose Fans. Was soll es da Schöneres geben?"

Bleibt nur noch die Frage, ob sich auch die Wolfsburger an das sorgfältig ausgearbeitete Drehbuch halten wollen. VfL-Trainer Felix Magath verspürte beim Abschlusstraining am Freitag auf der Anlage des Niendorfer TSV vor 250 Zuschauern jedenfalls wenig Lust, sich in die Karten schauen zu lassen. Ein lockeres Aufwärmprogramm, ein bisschen Fußballtennis, fertig. "Wir dürfen uns vom HSV nicht beeindrucken lassen. Ich bin optimistisch, dass wir auch vor der Hamburger Kulisse Paroli bieten können", sagt Magath, der Hamburgs Heimschwäche nur zu gern noch für ein weiteres Spiel verlängern würde. Der letzte HSV-Sieg in Hamburg gegen den VfL liegt im Übrigen bereits 1665 Tage zurück. Huub Stevens und Klaus Augenthaler hießen damals die Trainer, der Torschütze zum goldenen 1:0-Tor war Mehdi Mahdavikia. Und Marcell Jansen? Der stand am Vortag beim 1:1-Unentschieden gegen Eintracht Frankfurt auf dem Platz. Für Borussia Mönchengladbach.

Es ist Zeit für einen Neuanfang.

Die komplette Pressekonferenz mit HSV-Trainer Thorsten Fink im Video finden Sie unter www.abendblatt.de/fink-pk