Auf Wunsch seines neuen Trainers trennt sich der HSV von Konditionstrainer Günter Kern. Seinen Platz nimmt Nikola Vidovic vom FC Basel ein.

Hamburg. Thorsten Fink sei ein umgänglicher Typ, aber auch sehr konsequent, hieß es in der Schweiz während seines Engagements beim FC Basel. Letzteres hat der neue HSV-Trainer jetzt erstmals in Hamburg bewiesen: Konditionstrainer Günter Kern muss den Verein auf Wunsch des 43-jährigen Übungsleiters verlassen. Fink will neben Co-Trainer Patrick Rahmen einen weiteren Vertrauten an seiner Seite haben und drängte mit Erfolg auf die Verpflichtung von Nikola Vidovic, 46, zuletzt Athletiktrainer seines Ex-Klubs. Der Kroate arbeitete bereits in Ingolstadt mit Fink zusammen. Pikantes und teures Detail ist die Tatsache, dass der HSV erst im Mai 2011 den Vertrag mit Kern bis 2013 verlängert hatte. "Kern hat sehr gute Arbeit geleistet, aber ich brauche auch meine Leute, die wissen, was ich will und was ich brauche", erläuterte Fink die Maßnahme. Vidovic, früherer kroatischer Kickbox-Meister, sei ein absoluter Fachmann, insbesondere auf dem Gebiet des Stabilisationstrainings.

+++ Kommentar: Teure Wechsel +++

Fünf Tage ist Fink jetzt in Hamburg. Zeit genug, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen und seine "eigene Handschrift" einzubringen, wie er es selbst formulierte. Und diese Handschrift lässt sich nicht nur durch die erste Personalentscheidung festmachen, sondern durchzieht alle Bereiche seines Aufgabengebiets. Eine Analyse.

Trainingsarbeit: In den ersten drei Übungseinheiten legte Fink viel Wert auf Passübungen und Spielzüge, seine Schützlinge mussten sich in den richtigen Momenten vom Gegner lösen und möglichst direkt weiterspielen - vornehmlich über die Flügel. Für viele Akteure waren die Übungen offenbar Neuland. Am Mittwoch dauerte es fast 20 Minuten, bis Fink und seine Co-Trainer mit den Abläufen der ersten Aufgabe zufrieden waren. "Die Arbeit mit Fink ist schon ein großer Unterschied zu vielen anderen Trainern. Er verfolgt einen konsequenten Plan, bei dem alle mitmachen müssen", stellte Kapitän Heiko Westermann fest. Zudem legt Fink viel Wert auf verbesserte Kommunikation. "Abseits des Platzes reden die Spieler viel miteinander", sagte Fink, "aber auf dem Platz spüre ich, dass etwas fehlt." Er vermisse hilfreiche Kommandos wie "Hintermann" oder "Bleib!", aber auch aufbauende Worte an den Nebenmann.

Taktik: Der HSV soll nach Finks Vorstellungen in den meisten Spielen das dominante Team stellen. Trotz des Sieges in Freiburg hat er diese gewünschte Dominanz dort nicht erkennen können. "Es gibt taktische Mittel, mit denen wir dieses Ziel erreichen können. Wir müssen den Gegner früher stören und länger im Ballbesitz bleiben", erklärt der Coach. In den bisherigen neun Partien war der HSV nur 47,61 Prozent der Spielzeit am Ball, Pressing war gegen Stuttgart und Schalke nur in Ansätzen zu sehen. Zudem machte Fink deutlich, dass er auf den Außenpositionen offensive Akteure bevorzugt, die Druck erzeugen können.

Personal: Neben den neuen Gesichtern im Trainerstab könnte auch die erste Elf am Sonnabend gegen Wolfsburg anders bestückt sein als zuletzt in Freiburg. Fink sprach gestern zwar nur von "kleinen Änderungen", die er vornehmen wolle. Doch im Testspiel am Mittwoch gegen die eigene U 23 baute er gehörig um. So rutschten Dennis Diekmeier, Thomas Rincon, Marcell Jansen und Paolo Guerrero in die erste Elf, Westermann agierte neben Jeffrey Bruma wieder als Innenverteidiger. Gökhan Töre, der mit Muskelproblemen ausgewechselt werden musste, trainierte gestern wieder voll mit und wird nach Finks Einschätzung spielen können.

Trainertyp: "Fink hat einfach Feuer", fasst Westermann seine ersten Eindrücke zusammen. "Wie er mit uns umgeht, auf dem Platz und auch in der Kabine - man merkt, dass er mit Leidenschaft dabei ist." Slobodan Rajkovic denkt ähnlich: "Man kann spüren, dass er den Fußball liebt. Das ist der Coach, auf den wir gewartet haben." Diese Liebe zum Fußball will Fink vermitteln, er hebt die eigenen Stärken hervor und lässt keine Zweifel am Erfolg aufkommen. Das sei das Bayern-Gen aus seiner erfolgreichen Zeit als Spieler, sagen einige. Fink überschätzt sich, fürchten andere. Auf jeden Fall kann Optimismus für einen Tabellenletzten nicht falsch sein.

So spricht Fink vor der Begegnung gegen den VfL Wolfsburg am Sonnabend (18.30 Uhr, Sky und Liveticker auf abendblatt.de) auch kaum vom Gegner, sondern von den "Riesenqualitäten" seines Teams und lässt keine Zweifel aufkommen, dass die schwarze Heim-Serie (letzter Sieg am 19. März gegen Köln) beendet wird. Jetzt muss die Mannschaft diese Qualitäten nur noch abrufen und beweisen, dass sie Finks Handschrift auch lesen kann.

Die komplette Pressekonferenz mit HSV-Trainer Thorsten Fink im Video finden Sie unter www.abendblatt.de/fink-pk