HSV-Profi Paolo Guerrero über seinen Flaschenwurf, seine neue Rolle unter Trainer Armin Veh und die Hoffnung auf einen Titel mit dem HSV.

Längenfeld. Manchmal wundert er sich selbst. Bei den HSV-Fans genießt Paolo Guerrero, 26, spätestens seit seiner Vertragsverlängerung bis 2014 mehr Anerkennung denn je. Und dies nach einer Saison, die für ihn schlechter kaum laufen konnte. Bereits in der Startphase zog er sich einen Kreuzbandriss zu, dann gab es Schlagzeilen, weil er wegen Flugangst die Rückkehr aus Peru nach Hamburg mehrmals verschob. Und schließlich sorgte sein Flaschenwurf gegen einen Fan für einen Skandal. Das Abendblatt sprach mit Guerrero im Trainingslager in Längenfeld über die abgelaufene Saison und seine neuen Ziele.

Abendblatt:

Herr Guerrero, Sie stehen mal wieder im Mittelpunkt.

Paolo Guerrero:

Na ja, auf dem Platz schon. Aber da fühl ich mich auch wohl.

Der neue HSV-Trainer Armin Veh sieht Sie als seine Schaltzentrale im neuen System mit nur einer Spitze. Ist das Ihre Wunschposition?

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Es ist zumindest eine, die ich sehr gern spiele. Ich habe auch kein Problem, wenn ich in der Spitze spiele. Selbst als Außenverteidiger wäre ich zufrieden, wenn wir denn gewinnen. Aber die Hauptsache ist für mich, dass ich das Vertrauen vom Trainer spüre.

Wie auch von den Fans.

+++Paolo Guerrero: Einsicht schützt vor Strafe nicht+++

Ja, das ist schon Wahnsinn. Der Flaschenwurf war total dumm von mir. Aber wie die Leute danach auf mich reagiert haben, das war vielleicht der Hauptgrund, in Hamburg zu bleiben. Ich habe nur positive Reaktionen bekommen, alle sagten, ich soll unbedingt bleiben. Und heute feiern sie mich schon wieder bei den Spielen. Das tut richtig gut und macht mich glücklich.

Ist die Sache mit dem Fan, den Sie am Kopf getroffen haben, aus der Welt?

Leider nein. Die Anwälte kümmern sich jetzt darum.

Sie hatten sich doch entschuldigt und der Fan wollte auf eine Anzeige verzichten ...

Das hatte ich so gehört. Zu einem Treffen kam es leider nie. Aber ich weiß, dass ich die Verantwortung für meine Tat übernehmen muss.

Kommen wir zurück zum Fußball. Auch da verlangt Armin Veh Verantwortung.

Ja, das sagt er mir immer wieder. Gerade auf der Zehn muss ich noch mehr die Initiative auf dem Platz ergreifen.

Sind Sie denn schon wieder da, wo Sie letzte Saison vor Ihrer langen Verletzung waren?

Ich hoffe es. Ich möchte nicht mehr ans letzte Jahr erinnert werden. Es war ein verlorenes Jahr in meinem Leben, das wehtat.

Wer hat Ihnen geholfen?

Der Verein, sehr sogar. Aber am meisten natürlich meine Familie.

In den drei Monaten in Peru?

Ja. Meine Familie kann auch nach Hamburg kommen - aber immer nur kurz. Deshalb war es toll, dass mich der Verein zu Hause hat arbeiten lassen. Das heimische Umfeld in so schweren Tagen war heilend. Meine Mutter hat mir das beste, gesündeste Essen bereitet, ich habe meine sechs Geschwister getroffen, mein Vater hat mir jeden Tag mit seiner Lebenserfahrung weiterhelfen können.

Gibt es noch mehr Fußballer in der Familie Guerrero?

Ein Bruder war auch Profi, hat aber schon seine Karriere beendet. Der ist auch schon 42 Jahre alt. Aber wichtiger waren mir auch die Gespräche und der bedingungslose Halt. Ich bin seit dem 18. Lebensjahr quasi allein in Deutschland. Ich habe Freunde, aber nur meine Familie hält wirklich immer zu mir. Egal, was ich angestellt habe. Das war ein tolles Gefühl, das Mut gemacht hat. Nur so habe ich Tage überstanden, an denen ich dachte, es geht nicht mehr, ich brauche eine Pause. Es waren wirklich sehr traurige Monate, die ich durch die Verletzung und die Sperre gelebt habe. Wäre das nicht gewesen, hätte ich heute keinen neuen Vertrag bis 2014, ein tolles Zuhause in Hamburg und ich wäre nicht annähernd so glücklich wie jetzt. Im Moment passt einfach alles.

Auch mit der peruanischen Nationalmannschaft?

Ja, obwohl es schwierig wird. Wir haben da einen neuen Trainer. Und ich wollte nach Möglichkeit die ersten Länderspiele absagen, um mich in Hamburg 100 Prozent fit zu bekommen.

Haben Sie Bedenken wegen Ihres gerissenen Kreuzbandes? Es wurde dem Vernehmen nach ja nicht operiert ...

Nein, da ist alles super. Der Arzt, Dr. Richard Steadman, hat mir Ende 2009 gesagt, dass ich bald wieder normalen Halt habe. Und das ist jetzt so.

Also ist wieder alles so wie zu Beginn der letzten Hinrunde, wo Sie überragten?

Genau. Und unsere Mannschaft ist noch stärker geworden. Wenn wir ohne große Verletzungen durch die Saison kommen, werden wir ganz sicher um den Titel mitspielen können. Neben der Tatsache, dass ich meinen Sohn, der in München lebt, gern häufiger sehen würde, ist ein Titel mit dem HSV momentan das Einzige, was mir zum ganz großen Glück noch fehlt.