Im Trainingslager in Marbella spricht der HSV-Sportchef über das Gefühl, Opa zu sein, das frühe Ende seiner Spielerkarriere.

Marbella. Braun gebrannt und bestens gelaunt schlurft Frank Arnesen über die Terrasse des Guadalpin Banus Hotels und lässt sich auf einer der Liegen neben dem Pool nieder. "20 Grad, blauer Himmel und Sonnenschein, wir hätten es auch schlechter haben können", sagt der HSV-Sportchef, und kichert dabei wie ein Teenager. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man fast meinen, dass der Däne in den Tagen der Winterpause in eine Art Jungbrunnen gefallen ist.

Hamburger Abendblatt:

Herr Arnesen, Sie wirken so erholt und jung wie schon lange nicht mehr. Liegt das an der spanischen Sonne oder an Ihren Enkeln Nummer fünf und sechs, die Ihnen Tochter Brit kurz vor Weihnachten beschert hat?

Frank Arnesen:

Ein bisschen von beidem. Das tolle Wetter tut gut, aber die Geburt von den Zwillingen Kaj und Jesper war ein echter Jungbrunnen.

Fühlen Sie sich als sechsfacher Opa nicht manchmal auch ganz schön alt?

Arnesen:

Überhaupt nicht. Ich liebe es, Opa zu sein. Und ehrlich gesagt, fühle ich mich überhaupt nicht wie ein 55-Jähriger. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich täglich mit jungen Leuten zu tun habe, da kann man gar nicht so richtig alt werden.

Haben Sie mal drüber nachgedacht, ob und wann Sie in Rente gehen wollen?

Arnesen:

Natürlich muss auch ich daran denken, früher oder später etwas kürzerzutreten. Irgendwann muss ich weniger an mich und mehr an meine Familie denken. Allerdings weiß ich ganz genau, dass es mir sehr schwerfallen wird, einfach aufzuhören.

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Gerade erst wurde das Rentenalter auf 67 Jahre festgelegt. Können Sie sich vorstellen, noch zwölf Jahre als Sportchef des HSV zu arbeiten?

Arnesen:

Im Fußballgeschäft kann man eigentlich nicht in so großen Zeiträumen denken, man kann ja kaum für die nächsten sechs Monate planen. Natürlich will ich noch möglichst lange beim HSV bleiben. Aber ob das bis zur Rente mit 67, die gilt doch jetzt in Deutschland, sein wird, weiß ich heute nicht.

Ist das Fußballgeschäft nicht auch sehr kräftezehrend?

Arnesen:

Man reibt sich schon sehr auf, weil man eigentlich nie so richtig abschalten kann. Man muss ab und zu ganz genau in sich selbst reinhorchen, ob man nicht irgendwann eine Pause braucht. Vor zehn Jahren war auch bei mir einmal der Moment gekommen, wo ich einfach nicht mehr konnte. Ich habe damals ein Sabbatjahr genommen, um meine leeren Akkus wieder aufzufüllen. Besonders für meinen Kopf war das sehr wichtig. Danach konnte ich dann tatsächlich mit neuer Kraft wieder so richtig loslegen.

Trauern Sie manchmal Ihrer Spielerkarriere hinterher, die Sie wegen einer hartnäckigen Knieverletzung frühzeitig beenden mussten?

Arnesen:

Ich bin kein Mensch, der lange verpassten Möglichkeiten hinterherweint. Natürlich war es sehr schwer für mich, als ich mir diese Knieverletzung zugezogen hatte. Ich war gerade 25 Jahre alt, spielte eine überragende Saison für Valencia und stand vor einem Wechsel zu einem der ganz großen Vereine. Johann Cruyff sagte mir damals, dass auch Barcelona großes Interesse habe und mit Juventus Turin hatte ich sogar konkrete Verhandlungen in Kopenhagen geführt. Und von einem auf den anderen Moment war die große Karriere vorbei. Das tat weh, aber ich habe dieses Schicksal schnell akzeptiert.

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Sie sollten in der Sommerpause vor der Saison 1982/83 nach Italien zu Juventus wechseln. Überlegen Sie mal, was passierte wäre, wenn Sie tatsächlich gewechselt wären ...

Arnesen:

... dann hätte Turin das Finale 1983 in Athen gegen den HSV wahrscheinlich gewonnen und ich hätte niemals hier in Hamburg arbeiten dürfen (lacht) . Juventus hat dann aber statt meiner Person den Polen Zbigniew Boniek verpflichtet, der ja auch kein Schlechter war.

Der Traum von der großen Karriere als Fußballer war nach der Knieverletzung vorbei, aber so ganz konnten Sie die Fußballschuhe ja auch nicht an den Nagel hängen.

Arnesen:

Ich habe noch für Anderlecht und für Eindhoven gespielt, war aber nie mehr der Alte. Sobald es Winter wurde, tat mir das Knie weh. Als ich mir dann auch noch das linke Bein gebrochen hatte, war es endgültig vorbei. Ich habe den ganzen Weg ins Krankenhaus geweint. Aber wie schon nach meiner Verletzung in Valencia habe ich schnell akzeptiert, dass nun ein neuer Lebensabschnitt wartet. Ich erinnere mich noch, wie ich im Krankenhaus auf dem Operationstisch lag. Ich sagte dem Arzt, dass er mein Bein nur einigermaßen wieder flicken muss, weil ich ab jetzt viel Zeit habe, um Golf zu spielen.

Beim Golfspielen blieb es dann aber nicht. Hat Ihre Frau mal geschimpft, dass das Familienleben zu kurz kommt?

Arnesen:

Nie. Ich weiß genau, dass es ohne sie nicht funktionieren würde. Wir sind jetzt seit 35 Jahren verheiratet und ich genieße noch immer jeden Tag mit ihr. Ich bin der Sportchef beim HSV, aber sie ist der Sportchef in der Familie. Bei vier Kindern und sechs Enkelkindern gibt es jede Menge zu organisieren.

Eines Ihrer Kinder ist in Ihre Fußstapfen getreten. Sohn Sebastian arbeitet seit dieser Saison in der Scoutingabteilung des HSV. Sind Sie stolz auf seine berufliche Entwicklung?

Arnesen:

Sogar sehr. Ehrlich gesagt habe ich ihm diesen Karriereweg am Anfang gar nicht zugetraut. Als er 22 Jahre alt war, hat er mir erstmals gesagt, dass er gerne als Scout arbeiten würde. Damals war ich schon beim FC Chelsea. Ich habe Sebastian dann gesagt, dass er mit Hans Gillhaus sprechen muss. Das war unser Chefscout, der in Eindhoven lebte. Sie haben dann den Deal gemacht, dass Sebastian ein halbes Jahr umsonst für ihn arbeiten würde. Ich habe mich bewusst zurückgehalten, weil ich nicht wollte, dass er nur als Arnesen-Sohn eingestellt wird. Nach einem halben Jahr habe ich dann Hans gefragt, was er von Sebastians Arbeit ehrlich hält. Und er war begeistert.

Welche Fußballstars hat er entdeckt?

Arnesen:

Sebastian war der Erste, der das große Talent von Romelu Lukaku bereits im Alter von 14 Jahren erkannte. Im gleichen Alter hat er auch schon Gökhan Töre für Chelsea gesichtet und auch Jeffrey Bruma ist Sebastians Entdeckung. Chelsea hat insgesamt fünf Spieler verpflichtet, die mein Sohn vorgeschlagen hat. Spätestens dann wusste ich, dass er wirklich ohne Papas Hilfe zurechtkommt.

Waren Sie ein strenger Vater?

Arnesen:

Ja. Ich muss gestehen, dass ich sogar sehr streng war. Früher war ich nie zufrieden, ich habe immer gesagt, dass es noch besser geht. Ich musste erst lernen, dass es manchmal auch wichtig ist, Komplimente zu machen und jemanden aufzubauen.

Waren Sie als Sportchef mit Ihren Spielern auch so kritisch?

Arnesen:

Zu Anfang. Ich komme ja aus der Ajax-Schule, da wurden nie Komplimente verteilt. Das hat mich geprägt. Irgendwann habe ich aber sowohl als Vater als auch als Sportchef gemerkt, dass man viel schneller als Ziel kommt, wenn man nett ist und auch mal lobt.

Wie kann man einem Spieler auf nette Art und Weise sagen, dass man seinen Vertrag nicht verlängert?

Arnesen:

Das Wichtigste ist, immer ehrlich zu sein. Die Jungs merken schnell, wenn man ihnen etwas vormacht. Aber ein Fußballverein ist auch keine Sozialstation.

Fiel Ihnen die Entscheidung schwer, sich von Michael Oenning zu trennen?

Arnesen:

Persönlich tat mir das sehr weh. Es war die schwierigste Entscheidung, die ich bisher beim HSV zu fällen hatte. Aber es war wohl die richtige Entscheidung. Wir waren an einen Moment angekommen, an dem es so einfach nicht mehr weiterging. Das lag natürlich nicht nur an Michael, aber als Trainer muss man die Verantwortung übernehmen. So ist nun mal das Geschäft, das kann auch ich nicht ändern.