Nach einer tristen HSV-Saison feierten die Fans ihre Urgesteine - besonders Benjamin. Der offizielle Abschied vor dem Spiel missglückte.

Hamburg. Zumindest Zunaid und Zurique hatten ihren Spaß. Immer in Reichweite von Papa Collin hüpften die beiden kleinen Benjamins - natürlich im Trikot mit der Rückennummer 30 - im Anschluss an das enttäuschende 1:1-Remis gegen Borussia Mönchengladbach durch die Katakomben der Imtech-Arena, umkurvten die Kameramänner und hörten geduldig zu, als ihr Vater über "einen der schönsten Tage meiner Karriere" referierte. "Ich war nicht der beste Spieler, der je beim HSV gespielt hat, aber so ein Abschied ist pure Leidenschaft", sagte der gerührte Senior, nachdem er seine tränen- und emotionsreiche Ehrenrunde abgeschlossen hatte. Bereits während des Spiels wurde der Namibier, der allzu gern in ein bis zwei Jahren in anderer Funktion zum HSV zurückkehren würde, mit Sprechchören gefeiert, bei seiner Einwechslung mit Ovationen begrüßt. Es war der würdige Abschluss einer würdelosen Saison, dessen einzige Höhepunkte die stimmungsgewaltigen Verabschiedungen Benjamins und Frank Rosts waren. "Die Fans haben mir das schönste Geschenk gemacht", sagte Rost, der ebenso frenetisch während und nach der Partie bejubelt wurde.

Dass die offizielle Verabschiedung der scheidenden HSV-Stars eigentlich vor dem Spiel geplant war, hatten die meisten Anhänger zu diesem Zeitpunkt längst vergessen. Dabei war es alles andere als glücklich, wie sich die HSV-Verantwortlichen von ihren einstigen Angestellten verabschieden wollten. Während Ruud van Nistelrooy und Piotr Trochowski vor dem Anpfiff immerhin noch kurz über das Stadionmikrofon zu Wort kamen, mussten sich Benjamin, Rost, Maxim Choupo-Moting, Tunay Torun und Zé Roberto, den es wohl zu Galatasaray Istanbul zieht, zunächst nur mit einem Händedruck und einem Blumenstrauß zufriedengeben. Das Versagen der Technik und die lautstarke Akustik musste später als Entschuldigung herhalten, warum die sieben scheidenden HSV-Profis nicht angemessen vor der Partie verabschiedet wurden. Eine Szenerie, die bestens zum Rest der missratenen Saison passte.

Bevor das Ende der erfolglosesten Spielzeit seit neun Jahren dann aber doch noch erleichtert und ausgelassen im kleinen Kreis bis zwei Uhr nachts in den Stadionkatakomben gefeiert wurde, ließ es sich Trainer Michael Oenning nicht nehmen, einen kurzen Ausblick auf die kommende Spielzeit zu wagen. "Es ist klar geworden, dass wir jetzt mitten im Umbruch stecken. Ich habe den Eindruck, dass alle gewillt sind, diesen Weg mitzugehen, der sicher viel Geduld erfordert und der viele Fragen aufwerfen wird", sagte der Nachfolger Armin Vehs. Ob man sich denn in den kommenden Jahren am Dortmunder Weg orientieren sollte, war eine dieser Fragen. "Der Dortmunder Weg hat drei Jahre gedauert. Die Nummer 'Man holt jetzt 15 junge Spieler, und dann läuft die Nummer' kannst du getrost vergessen", antwortete Oenning, der ab Dienstag die Planungen gemeinsam mit Sportchef Frank Arnesen vorantreiben will. Auf der Aufsichtsratssitzung am Dienstagabend will Arnesen, der am Mittwoch ein letztes Mal für fünf Tage nach London zurückkehrt, den Kontrolleuren seine Wunschliste mit möglichen Neuzugängen präsentieren. Da neben den sieben in der Nacht noch mit einer gravierten Armbanduhr beschenkten Abgängern noch mindestens sechs weitere (Demel, Mathijsen, Pitroipa, Silva, Rozehnal und Tavares) folgen dürften, ist der Däne bereits vor seinem ersten offiziellen Arbeitstag in Hamburg unter Zugzwang. Auf den ersten Neuzugang müssen die Fans weiter warten. Und während Klubchef Carl Edgar Jarchow trotz aller Widrigkeiten Platz sechs als Zielsetzung für die neue Saison ausruft, ist Oenning zurückhaltend: "Wir schauen mal, wie wettbewerbsfähig wir sind. Ich halte nichts davon, dass wir uns jetzt schon wieder einen neuen Rucksack aufsetzen."

Gestern beschenkte der Trainer seine Profis beim Abschlussbrunch mit den persönlichen Trainingsplänen für den Sommer und verabschiedete seine Spieler ein letztes Mal in die Pause. "Jetzt müssen wir uns mal hinsetzen und kurz durchatmen", sagte Oenning. In 81 Tagen geht der Spaß von vorn los. Noch einmal können Benjamin und Rost die Party aber nicht retten.