Beim 1:1-Remis in Leverkusen präsentierte sich die verjüngte Mannschaft von Trainer Michael Oenning endlich wieder als eine Einheit.

Leverkusen/Hamburg. Als Heiko Westermann nach dem Abpfiff in die Kabine der Leverkusener BayArena ging, freute er sich. "Ich war total erleichtert und sah in den Gesichtern meiner Mitspieler, dass etwas von ihnen abgefallen war. Jeder weiß jetzt, dass wir doch noch ein bisschen was können." Für die allgemeine Zufriedenheit sorgte nicht der Treffer des HSV-Kapitäns zur zwischenzeitlichen 1:0-Führung, der zwar die drei Spiele lange Torflaute beendete, nicht aber die sechs Partien währende Abwesenheit von Siegen.

Um Punkte aber ging es längst nicht mehr an erster Stelle. Nach den vielen desolaten Auftritten wollte sich der HSV beweisen, dass es entgegen aller Urteile doch so etwas wie eine Mannschaft gibt. "Die Anspannung vor dem Spiel habe ich als sehr groß empfunden", sagte auch Dennis Aogo, während der Vorsitzende Carl-Edgar Jarchow zugab, die Reise zum Tabellenzweiten mit "gemischten Gefühlen" angetreten zu haben: "Bei uns ist das immer eine Wundertüte. Guten Auftritten folgten dann wieder relativ schlechte. Wenn es dann um nicht mehr viel geht, fragt man sich schon, wie viel die Spieler wohl noch geben werden."

Mit dem mehr als verdienten 1:1 - ein Sieg wäre beim konsequenten Ausnutzen der vielen Kontersituationen (Guerrero, vor allem Pitroipa) leicht möglich gewesen - bestätigte der HSV dann im Grunde seinen Ruf. Nämlich den, dass reichlich Qualität im Kader vorhanden ist, die aber nicht konstant abgerufen wird. Dieses Mal zeigte das Team wieder seine schöne Seite.

Beim Champions-League-Aspiranten ging die Taktik von Trainer Michael Oenning voll auf. Aus einer 4-4-2-Formation mit einer flachen Vier im Mittelfeld heraus setzten die Hamburger auf eine geschlossene Verteidigung und möglichst schnelles Umschalten bei Ballbesitz. Gegen die spielerisch bessere Bayer-Elf zeigte sich, was im Profifußball mit einem disziplinierten und konzentrierten Auftreten und dem nötigen Einsatzwillen zu erreichen ist. Früh setzte angesichts der schnellen Führung bei den 3000 mitgereisten Fans - an dieser Stelle ist ein Extralob für diese Treue fällig - Feierlaune ein. Wer hätte dies nach den Hohn- und Spottgesängen beim 0:2 gegen Freiburg vor einer Woche für möglich gehalten?

"Das war ein erster, aber ganz wichtiger Schritt auf die Fans zu", freute sich Oenning, der betonte, dass er seine Formation ganz bewusst ausgewählt hatte. Nur 25,4 Jahre betrug das Durchschnittsalter der Startelf. Dieser Trend wird sich nach den Abgängen von Frank Rost (37), Zé Roberto (36) und Ruud van Nistelrooy (34) verstärken. "Heute ging es darum, den Mannschaftsgedanken bedingungslos durchzusetzen, weil das auch etwas ist, was uns lange gefehlt hat", sagte der HSV-Coach, dem im übertragenen Sinne ein gelungener Start in die neue Saison geglückt war. Schließlich ging es in Leverkusen darum, das sowieso schon reichlich ramponierte Image nicht weiter zu beschädigen und den HSV nicht mit Frust und Agonie in die monatelange Sommerpause zu entlassen, sondern mit Aufbruchstimmung, mit einer zarten Hoffnung auf Besserung mit dem neuen Sportchef Frank Arnesen, der wohl am 23. Mai seinen Dienst antreten wird.

Insofern war das 1:1 bei Bayer ein erstes Lebenszeichen eines Totgesagten, dem allerdings am 34. Spieltag ein zweites am zweiten Spieltag der "neuen Saison" zwingend folgen muss, wenn der HSV gegen Borussia Mönchengladbach in den Bundesliga-Abstiegskampf involviert ist. Wen man auch in Leverkusen oder am Tag danach in Hamburg fragte, sofort fiel der Ausdruck "erfolgreicher Abschluss". Der versöhnliche Abschied würde zwar nicht über die missratene Saison hinwegtäuschen, den Verantwortlichen aber etwas Druck bei den Planungen nehmen. Bereits eine Woche nach dem Bundesligafinale muss sich die Klubführung bei einer Informationsveranstaltung auf der Westtribüne den Mitgliedern stellen. Die Spieler haben es in der Hand, inwiefern die Basis einem strengen Tribunal gleichkommen wird.