“Das ist bitter“: Im EM-Viertelfinale muss der griechische Nationalspieler, der fast sein ganzes Leben in Deutschland verbrachte, zuschauen.

Legionowo. Jose Holebas dreht ein paar lockere Runden um den Trainingsplatz in Legionowo. Er redet nicht viel, sein Blick ist ernst. Der 27-Jährige ist immer noch zutiefst enttäuscht. Das EM-Viertelfinale gegen Deutschland, ausgerechnet, sollte für den Griechen Holebas die Krönung eines märchenhaften Aufstiegs vom Kreisligakicker zum Nationalspieler werden - doch nach seiner zweiten Gelben Karte ist der gebürtige Aschaffenburger am Freitag zum Zuschauen verurteilt. „Das ist bitter“, sagt Holebas traurig.

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Statt die linke Außenbahn zu bearbeiten, wird er in Danzig auf der Tribüne sitzen. Statt sich auf ein Duell vorzubereiten, das das Spiel seines Lebens werden sollte, wird er Nationaltrainer Fernando Santos mit Tipps über die deutsche Mannschaft versorgen. Eine Schwachstelle hat er seiner Ansicht nach bereits ausgemacht: „Neuer ist zwar ein guter Torwart, hat aber ab und zu einen Patzer drin.“

Holebas könnte sich wohl vor Wut in den Allerwertesten beißen. Spielverzögerung bei einem Einwurf in der Nachspielzeit beim 1:0-Sieg im Gruppenfinale gegen Russland - der schwedische Schiedsrichter Jonas Eriksson kannte keine Gnade. „Es war eine saudumme Verwarnung“, gesteht Holebas. Aufgrund seiner Vergangenheit sieht er der Begegnung gegen Deutschland „mit gemischten Gefühlen“ entgegen. Es sei ein besonderes Spiel für ihn, auch wenn er gesperrt sei, sagt der Sohn eines Griechen und einer Deutschen mit Wurzeln in Uruguay.

Fast sein gesamtes Leben verbrachte Holebas in Deutschland. Mit 18 Jahren hatte er trotz des vorhandenen Talents mit dem Fußball bereits abgeschlossen. Seine Freundin war schwanger, Holebas brach seine Vereinslaufbahn und die Lackiererlehre ab - als Lagerarbeiter verdiente er sein Geld im Schichtdienst.

Doch der Onkel redete auf den jungen Vater ein - mit Erfolg. Holebas lief nach einjähriger Pause für den SV Damm in der Kreisliga auf. Er habe damals schlechten Umgang gehabt und viel Blödsinn verzapft, räumt Holebas ein. Sein Onkel habe ihm „den Arsch gerettet“. Nach drei Aufstiegen mit Damm und einer erfolgreichen Saison bei Viktoria Kahl in der Landesliga wechselte Holebas mit 22 Jahren zu den Amateuren von 1860 München. „Ich bin ein Typ, der nie aufsteckt“, sagt Holebas. Er biss sich bei den Löwen durch.

Sein Zweitliga-Debüt gab er 2007, doch dann geriet der steile Aufstieg etwas ins Stocken. Doch Holebas wurde erneut geholfen. Der neue 1860-Trainer Ewald Lienen schulte den Offensivspieler zum linken Außenverteidiger um. „Lienen habe ich viel zu verdanken“, sagt Holebas.

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Als Lienen 2010 zu Olympiakos Piräus wechselte, nahm er Holebas für ein Jahresgehalt von 200.000 Euro mit. „Der Wechsel war ganz gut für mich. Jetzt bin ich gereift und spiele auch ganz anders“, erklärt Holebas, der mit Piräus (Vertrag bis Juni 2013) zwei griechische Meistertitel gewann und die Europacup-Saison des deutschen Champions Borussia Dortmund beendete. Ein Wechsel in die Bundesliga ist aber immer noch sein großes Ziel.

Nach „langem Papierkrieg“ wurde er auf sanften Druck seines Vaters Achilles Nationalspieler. Dieser hatte kurz nach der Geburt Weitsicht bewiesen und seinen Sohn bei den griechischen Behörden und einem Klub angemeldet. Mit der EM-Teilnahme erfüllte sich für Holebas ein Traum. Der ebenfalls im Viertelfinale gesperrte Kapitän Georgios Karagounis wünscht sich zwar, dass er ein paar griechische Worte mehr verstehen würde, doch Holebas ist in der Mannschaft akzeptiert.

Er ließ sogar seinen Nachnamen in Cholevas ändern, da im griechischen Alphabet weder „h“ noch „b“ existieren. Das Trikot mit seinem Namen bleibt am Freitag aber im Schrank hängen. Daran musste er immer wieder denken, als er seine Trainingsrunden drehte. (sid/HA)