Joachim Löw schaute sich schon mal den Erzrivalen Spanien live an. Trotz der bisherigen zwei Siege werden plötzlich die Dänen zu einem K.o.-Gegner. Große Rechenspiele sollen aber vermieden werden. Das Viertelfinale möchte das DFB-Team unbedingt in Danzig spielen.

Danzig. Philipp Lahm fühlt sich in einer ganz „komischen Situation“, Lukas Podolski freut sich auf seinen Festtag. Für Joachim Löw und die Nationalelf jedoch ist das Gruppen-Endspiel gegen die unbeschwerten Dänen verdammt gefährlich. Auch im EM-Stammquartier im polnischen Danzig wurde beim Rätselraten um das UEFA-Reglement immer klarer: Trotz der makellosen Bilanz von zwei Siegen und der Steigerung gegen Holland droht den EM-Gipfelstürmern um den „Hunderter“ Podolski am Sonntag im Lwiw tatsächlich noch der K.o. „Die Rechenspiele sind wir alle durchgegangen. Das nutzt nichts, wir müssen Dänemark schlagen“, erklärte Deutschlands Fan-Liebling „Poldi“ vor seinem 100. Länderspiel.

Ein 0:1- oder 1:2-Ausrutscher des DFB-Teams gegen die unbequemen Dänen würde bei einem gleichzeitigen Sieg der Portugiesen gegen die Niederländer das Turnier-Aus bedeuten. „Wir haben zwei Spiele gewonnen und können trotzdem noch ausscheiden“, bemerkte Kapitän Lahm fast verwundert. Löw muss gegen die Dänen, in der Weltrangliste immerhin auf Rang neun vor den Turnier-Mitfavoriten Italien (12.), Russland (13.) und Frankreich (14.) platziert, die Spannung im Team am Freitag wieder hochfahren, ohne Hektik zu schüren.

Der Bundestrainer hatte immerhin noch genug Muße, sich in Danzig schon mal den Erzrivalen Spanien beim 4:0 gegen Irland live anzusehen. „Wir brauchen nochmal eine gute Leistung über 90 Minuten, dann haben wir den Schritt, den alle wünschen, auch gemacht“, sagte derweil sein Assistent Hansi Flick zur nächsten Aufgabe. Auf dem angestrebten Weg ins Endspiel am 1. Juli in Kiew will das ehrgeizige deutsche Team im Viertelfinale unbedingt den „Heimvorteil“ in Danzig. Als Gruppenerster könnte man sich später auch den großen Reisestress mit einem Halbfinale im fernen Donezk im Osten der Ukraine ersparen.

„Mit einem Unentschieden können wir Gruppensieger werden. Wir haben eine super Ausgangsposition“, hob Lahm trotz der K.o.-Situation im letzten Vorrundenspiel hervor. Die Sportliche Leitung informierte sich nochmals genauestens über die Regularien, wie Flick verriet. Doch das theoretische „Was wäre wenn?“ soll an diesem Sonntag (20.45 Uhr/ARD) möglichst keine Rolle spielen. „Wir haben es selbst in der Hand. Wir haben bisher das Optimale herausgeholt. Keine andere Mannschaft hat sechs Punkte“, erklärte Flick einen Tag vor Beginn der dritten EM-Dienstreise des DFB-Teams aus Polen in die Ukraine.

Auch weil man sich nicht auf Schützenhilfe der Niederlande verlassen könne, wird der Bundestrainer die Startelf nur moderat umbauen. „Vielleicht braucht jetzt einer ein Spiel Pause“, erklärte Löw, „um im Viertelfinale – wenn wir es schaffen – wieder frisch bei Kräften zu sein.“ Gezwungen ist der Chef zu einer Umstellung in der Abwehr, weil Außenverteidiger Jérome Boateng nach der zweiten Gelben Karte gesperrt ist. „Wir haben keine gute Reservebank, wir haben eine sehr gute. Ich mache mir keine Sorgen“, erklärte der wiedererstarkte Vizekapitän Bastian Schweinsteiger zu der erforderlichen Veränderung.

„Man kann Philipp Lahm nach rechts ziehen und Marcel Schmelzer links spielen lassen. Man kann Lars Bender rechts spielen lassen, das wäre eine gute Möglichkeit“, sprach Löw denkbare Lösungen an. Die besten Chancen für sein EM-Debüt müsste eigentlich Benedikt Höwedes haben. Löw hatte den Schalker schon im zweiten Teil der souveränen EM-Qualifikation in Aserbaidschan (3:1), gegen Österreich (6:2) und auch zum Abschluss gegen Belgien (3:1) von Beginn rechts aufgestellt.

Ansonsten dürfte der DFB-Chefcoach die Spieler ins dritte schwere Spiel schicken, die für den optimalen EM-Start gegen Portugal (1:0) und die Niederlande (2:1) gesorgt hatten. Zauberer Mesut Özil bekam am Freitag einen „Erholungs- und Regenerationstag“, berichtete Flick nach der geheimen Übungseinheit. Der Spielmacher sollte ausruhen, um gegen die Dänen wieder mit vollem Tank das Spiel ankurbeln zu können.

„Wir haben noch gar nichts erreicht“, warnte nochmals der bisherige EM-Toptorschütze Mario Gomez. Schon einmal hatte ein dänisches Team den Favoriten Deutschland geschockt. 1992 unterlagen die damaligen Weltmeister um Jürgen Klinsmann, Jürgen Kohler, Andreas Brehme und Bodo Ilgner den aus dem Urlaub angereisten Dänen im EM-Endspiel beim Turnier in Schweden sensationell mit 0:2.

Für die Generation Podolski, Lahm, Schweinsteiger wäre der „plötzliche Tod“ 20 Jahre später auch ganz bitter. „Wir haben ein großes Ziel und haben enormes Potenzial“, betonte Podolski. Mit einem Einsatz in Lwiw würde der Kölner Junge als erst zehnter deutscher Spieler in den elitären „Club der Hunderter“ aufgenommen. „Uns fehlt eigentlich nur noch ein Titel“, sagte der 27-Jährige, der bislang zweimal WM-Dritter und einmal EM-Zweiter geworden ist.

Die Nationalmannschaft ist Podolski seit seinem Debüt im Juni 2004 genauso ans Herz gewachsen wie sein Heimatverein 1. FC Köln. „Ich fühle mich sauwohl in diesem Team“, erklärte er: „Man ist stolz, am Spieltag den Adler auf der Brust zu haben.“ Bei dieser EM konnte Podolski noch nicht wie in den ersten beiden Spielen 2008 mit Toren glänzen, dafür rackerte und lief der „Deutschland-Poldi“ wohl noch nie so viel mit nach hinten. „Man muss sich in den Dienst der Mannschaft stellen. So ist es nun mal“, bemerkte der Jubilar.