Dennoch will “Danish Dynamite“ die Sensation von 1992 wiederholen. Vor allem vor Gomez und Ersatzspieler Götze ist der Respekt riesig.

Lwiw/Kolobrzeg. Als die Dänen ins kleine Stadion von Kolobrzeg zum Training einliefen, konnten sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Hinter dem Tor hing ein Transparent mit der Aufschrift „Euro 2012 Final: Poland vs. Denmark“. Was ihnen ihre polnischen Gastgeber an der Ostseeküste - nur 100 Kilometer Luftlinie von Bornholm - zutrauen, halten sie selbst jedoch für unrealistisch. Gegen die übermächtigen Deutschen droht am Sonntag (20.45 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) sogar schon das Aus.

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„Deutschland ist noch besser als Portugal und Holland“, sagte der Stuttgarter William Kvist. Und Mittelfeldspieler Jakob Poulsen ergänzte ehrfurchtsvoll: „Deutschland hat einige Weltstars in seinen Reihen. Da sind fast alle gleich stark, und dazu haben sie Gomez, der die Dinger nach Belieben reinhaut.“

Gegen Torjäger Mario Gomez und Co. benötigen die Wikinger wohl mindestens einen Punkt, um wie zuletzt 2004 ins Viertelfinale einzuziehen. Spielmacher Christian Eriksen hofft deshalb auf eine weitere „Sensation“ - denn: „Sensationen gefallen uns.“ An die größte Sensation der dänischen Fußballgeschichte erinnert vor dem Duell mit dem großen Nachbarn John Jensen. „Es ist ungefähr die gleiche Situation wie damals“, sagte der Finalheld beim EM-Triumph 1992: „Auch wir hatten das zweite Spiel verloren und eigentlich keine Chance mehr. Wir haben gedacht, es geht zurück in den Urlaub.“

Was folgte, ist Fußball-Geschichte: Danish Dynamite siegte 2:1 gegen Frankreich, im Halbfinale im Elfmeterschießen gegen die Niederlande und dank Jensens „wichtigstem Tor aller Zeiten“ im Endspiel 2:0 gegen Weltmeister Deutschland. Von den Vergleichen mit 1992 wollen Jensens Nachfolger aber gar nichts wissen. „Das ist 100 Jahre her, das bedeutet am Sonntag überhaupt nichts“, sagte Abwehrspieler Lars Jacobsen.

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Die Ausgangssituation ist jedoch ähnlich: Nach dem sensationellen 1:0 gegen die Niederlande und dem unglücklichen 2:3 gegen Portugal muss Dänemark als krasser Außenseiter im letzten Vorrundenspiel punkten, um nicht nach Hause zu fliegen. „Deutschland ist viel besser als die beiden anderen. Aber wir haben weiterhin den Glauben“, sagte Oldie Dennis Rommedahl, der allerdings verletzt zuschauen muss.

Ein wenig spekulieren die Dänen darauf, dass das DFB-Team einen Gang zurückschaltet. „Wir hoffen, dass sie sich vielleicht gehen lassen“, sagte Kvist. Ein mögliches Wechselspiel in der deutschen Startformation sieht der Bundesliga-Profi aber eher mit Unbehagen: „Die haben Spieler auf der Bank, die hungrig sind, es muss also kein Vorteil für uns sein, wenn sie mit einigen Reservisten antreten.“ Vor allem vor dem Dortmunder Mario Götze hat der 27-Jährige allergrößten Respekt: „Er hat eine fantastische Saison in der Bundesliga gespielt. Er ist Wahnsinn!“

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Auch Jensen, der als Kommentator beim dänischen Fernsehen die EM verfolgt, ist vom deutschen Team begeistert. „Diese Mannschaft ist das Beste seit vielen Jahren“, sagte der 47-Jährige, der im Finale 1992 das 1:0 erzielte, „sie spielen so schnell nach vorne - wie ein Auto, das mit 100 Stundenkilometern über das Spielfeld rast. Sie haben eine ganz große Chance, die EM zu gewinnen.“

Und die Dänen? Setzen auf ihren Teamgeist. „Das ist unsere größte Stärke“, betonte Eriksen, „jeder weiß, was er machen muss, wie er spielen muss.“ Ihre beiden bisherigen EM-Auftritte haben ihnen Mut gemacht. „Wir haben gegen zwei der besten Mannschaften der Welt gespielt. Da sind drei Punkte nicht so schlecht für ein kleines Land wie Dänemark“, sagte Kvist.

Auch der Blick in die Statistik sollte beflügeln: Seit 16 Jahren hat der große Nachbar nicht mehr gewonnen. Und das letzte Pflichtspiel-Duell? 26. Juni 1992, Ullevi-Stadion in Göteborg. John Jensens wichtigstes Tor. (sid/HA)