Das Spiel gegen die USA ist auch ein Duell zwischen Jürgen Klinsmann und Joachim Löw, den Machern des Sommermärchens 2006

Costa do Sauípe/Hamburg. Als Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke das Los mit der Aufschrift USA in die Kamera hielt, mussten DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und Bundestrainer Joachim Löw herzlich lachen. Ausgerechnet Amerika, ausgerechnet Jürgen Klinsmann. Der Weg zum vierten deutschen WM-Titel führt über den Macher des Sommermärchens 2006 – was für eine Geschichte.

Die Choreografie des Spielplans steigert das Duell noch einmal, ja, es kann sich zu einem Drama entwickeln. Denn Deutschland und die USA werden das Gruppenfinale am 26. Juni in Recife bestreiten. Wer zuvor Punkte gegen die anderen Gruppengegner Portugal und Ghana gelassen hat – alles andere als Leichtgewichte im Weltfußball –, darf bei einer Niederlage wohl schon den Heimflug buchen. Jürgen Klinsmann wechselte denn auch sofort in den Turniermodus, kündigte der „Hammergruppe“ einen „echten Kampf“ an: „Wir haben das erfolgreichste Jahr in 100 Jahren US-Fußball hinter uns.“

Schon beim Abendblatt-Termin Mitte November in Wien am Rande eines Freundschaftsspiel der USA gegen Österreich war zu spüren, wie Klinsmann auf die WM fokussiert ist. „Lass uns mit dem Interview anfangen“, sagte Klinsmann mit dem Blick auf die Uhr. Bloß keine Zeit verschwenden vor der Mission Brasilien. Die Teilnahme war nur das Minimalziel. „Klinsmann wurde nicht verpflichtet, damit wir uns für die WM qualifizieren“, sagt der frühere US-Nationalspieler Alexi Lalas.

Nein, Amerika will mehr. Viel mehr. Und Klinsmann plant dieses Projekt generalstabsmäßig. Für das Team hinter dem Team hat er sich eine internationale Truppe zusammengestellt – mit Niklas Albers als Physiotherapeut ist sogar ein Hamburger dabei, auch tätig für die HSV-Handballer. Konsequent nutzt der ehemalige Nationalstürmer die neuen Medien, lobt vornehmlich über Facebook und Twitter: „Wenn Tausende im Internet mein Lob lesen, spornt das mehr an als eine SMS.“ Der Truppe hat er zudem einen Portugiesischsprachkurs verordnet: „Ich möchte, dass wir uns im Gastgeberland zumindest etwas verständigen können.“ Das große Ganze vergisst er darüber nie: „In einer intensiveren Kooperation mit den großen Colleges liegt unsere Chance.“ Hier will Klinsmann künftig den Nachwuchs für den weiteren Aufschwung im US-Fußball entwickeln.

Einmal mehr gibt Jürgen Klinsmann auch in seiner Wahlheimat – seit Jahren wohnt er mit seiner Familie in Kalifornien – den Reformer. Beim DFB war er weit mehr als das, er war ein Revolutionär, der alte Zöpfe im deutschen Fußball nicht mit der Nagel-, sondern mit der Heckenschere abschnitt. Verdiente Verbandsfürsten durften plötzlich nicht mehr mit Spielern speisen, Bundestorwarttrainer Sepp Maier erhielt den Laufpass. Und gefeiert wurde nicht mehr in Frankfurt, sondern in der Hauptstadt am Brandenburger Tor.

Ein Erfolg über Löw wäre auch ein Sieg über seine Skeptiker

Kein Bundestrainer vor und nach ihm hat ein solches Wechselbad der Stimmungen je erlebt: vom gescholtenen Versager nach dem bitteren 1:4 im WM-Test in Italien bis zum Helden einer grandiosen WM. An seiner Seite war stets Joachim Löw, sein Vertrauter, sein Co-Trainer. Am 26. Juni werden die Freunde nun zu Gegnern.

Viel ist in den Tagen des Sommermärchens über dieses Duo geschrieben worden. Der WM-Film von Sönke Wortmann, ein großer Kassenschlager, lieferte dazu die passenden Bilder. Hier Klinsmann, der Motivator, der in der Kabine vor dem Spiel gegen Polen brüllte: „Die Polen stehen an der Wand. Und wir knallen sie durch die Wand hindurch.“ Dort Löw, der Taktikfuchs, der Stratege. Klinsmann hat sich über diese öffentliche Wahrnehmung nie beschwert, geärgert hat sie ihn dennoch. Schließlich war er es doch, der bei den Großen der Trainerzunft hospitierte.

In Brasilien kann er nun zeigen, dass er es auch ganz allein kann, ohne einen Taktikguru. Noch mehr indes treibt ihn die gescheiterte Mission beim FC Bayern an, wo er 2008 nach zehn Monaten wieder den Dienst quittieren musste. Für Klinsmann war es eine brutale Erfahrung. Den Auftrag, nach der Nationalmannschaft auch den FC Bayern auf modernen Fußball zu trimmen, konnte er aus seiner Sicht nicht erfüllen – zu groß waren die Kompromisse. So bestand das Präsidium darauf, dass Michael Rensing die Legende Oliver Kahn beerbt, während Klinsmann lieber den ehemaligen HSV-Torwart Hans-Jörg Butt in den Kasten gestellt hätte. Für eine große Abrechnung nach seiner Demission war Klinsmann viel zu clever, er wusste, dass er ein mediales Duell gegen die großen Bayern-Chefs Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nur verlieren kann. Zum Symbol seiner gescheiterten Reformen wurden am Ende die Buddhafiguren auf dem von Klinsmann konzipierten neuem Trainingsgelände der Bayern an der Säbener Straße, obwohl die der Architekt ohne sein Wissen installiert hatte.

Ein Sensationserfolg am 26. Juni wäre denn auch ein Sieg über alle Skeptiker, die ihn nach dem Aus beim FC Bayern einen Blender nannten, der beim Sommermärchen vor allem Glück und einen Jogi gehabt habe. Die Bilanz, die er jetzt mit den US-Boys vorweisen kann, ist schon eindrucksvoll. 16 Siege feierten die Amerikaner unter Klinsmanns Regie, schossen im Schnitt 2,22 Tore pro Spiel und schafften eine Tordifferenz von plus 28 (51:23) – Rekord für die USA, die 2013 auch den Gold Cup gewannen. Dem allerdings stark ersatzgeschwächten Löw-Team brachte er sogar beim 4:3 im Juni in Washington die einzige Niederlage bei.

Auf die Frage, was denn wäre, wenn es in Brasilien zu einem Wiedersehen käme, antwortete Klinsmann in Wien zunächst sehr diplomatisch: „Ich hoffe, dass am Ende beide Mannschaften ins Achtelfinale kommen.“ Aber dann sagte er entschlossen: „Ich verspreche, wir werden den Deutschen einen Fight liefern, einen richtigen Fight.“

Die deutschen Gruppengegner

GHANA: dritte Teilnahme (Premiere 2006). - größte Erfolge: Viertelfinale 2010, Achtelfinale 2006. - Weltranglistenplatz: 24. - Trainer: Kwesi Appiah (53). - bekannteste Spieler: Michael Essien (FC Chelsea), Kevin-Prince Boateng (Schalke 04), Kwadwo Asamoah (Juventus Turin), Asamoah Gyan (Al Ain Club)

PORTUGAL: sechste Teinahme (Premiere 1966). - größte Erfolge: WM-Dritter 1966, WM-Vierter 2006. - Weltranglistenplatz: 5. - Trainer: Paulo Bento (44) - Stars: Cristiano Ronaldo (Real Madrid), Nani (Manchester United), Pepe (Real Madrid)

USA: zehnte Teilnahme (Premiere 1930). - größter Erfolg: WM-Dritter 1930. - Weltranglistenplatz: 14. - Trainer: Jürgen Klinsmann (49). - bekannteste Spieler: Landon Donovan (Los Angeles Galaxy), Jermaine Jones (Schalke 04), Michael Bradley (AS Rom), Jozy Altidore (FC Sunderland)