Der ehemalige HSV-Trainer analysiert die Auslosung der WM-Gruppen. „Portugal, Ghana und die USA sind drei attraktive Gegner, zwar alle drei nicht allererste Wahl, die uns viel, aber sicherlich nicht alles abverlangen werden.“

Hamburg. Als Fußballfan freue ich mich über diese Auslosung. Da sind acht interessante, ausgeglichen besetzte Vorrundengruppen zustande gekommen, die allesamt spannende Spiele versprechen. In jeder Gruppe gibt es mindestens drei Kandidaten, die sich berechtigte Hoffnungen machen dürfen, das Achtelfinale zu erreichen. Das spricht dafür, dass die vier Lostöpfe doch nicht ganz so schlecht zusammengestellt waren. Die aktuelle Weltrangliste war dafür zumindest eine bessere Basis als die Meriten der Vergangenheit. Das Lamentieren darüber habe ich ohnehin nicht verstanden. Aber so etwas gehört wahrscheinlich heute zum Ballyhoo solcher Veranstaltungen.

Auch die deutsche Gruppe hat ihre besonderen Reize. Portugal, Ghana und die USA sind drei attraktive Gegner, zwar alle drei nicht allererste Wahl, die uns viel, aber sicherlich nicht alles abverlangen werden – und der deutschen Mannschaft dabei helfen sollten, die Konzentration für das lange Turnier von Beginn an hochzuhalten.

Portugal – mit dem von Fifa-Präsident Sepp Blatter offensichtlich unbedingt gewollten Weltfußballer Cristiano Ronaldo – hat zuletzt bei großen Turnieren nie die ganz hohen Erwartungen erfüllen können. Ich rechne auch in sechs Monaten in Brasilien nicht damit, dass sich dies entscheidend ändern wird. Manchmal habe ich nämlich den Eindruck, dass die überragende, vielleicht zu dominierende Rolle Ronaldos in diesem Team seine Kollegen nicht unbedingt inspiriert. Selbstverständlich haben die Portugiesen jedoch die Qualität, eine wichtige Rolle bei dieser Weltmeisterschaft spielen zu können.

Das trifft nicht auf die USA zu. Und wäre nicht Jürgen Klinsmann, sondern, sagen wir, jemand namens Johnny Walker deren Nationaltrainer, niemand in Deutschland würde ernsthaft auf den Gedanken kommen, dass wir gegen diese Amerikaner straucheln könnten. Wir werden es auch nicht; denn zum Glück reden wir ja über eine Fußball- und nicht über eine Football-WM.

Ghana ist da schon ein ganz anderes Kaliber. Noch nie hat eine afrikanische Mannschaft ein WM-Halbfinale erreicht, die „Black Stars“ scheinen mir dazu in der Lage, gerade unter den in Brasilien selbst im Winter herrschenden schwierigen klimatischen Bedingungen. 2010 haben wir Ghana in Südafrika nur mit viel Mühe in der Vorrunde 1:0 besiegen können, ein überragender Kevin-Prince Boateng hat uns damals erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Dennoch: Die deutsche Elf wird diese Aufgaben souverän lösen und als Gruppenerster ins Achtelfinale gegen, ich tippe, Russland oder Südkorea einziehen. Nicht umsonst lag ihre Kugel ja in Lostopf eins.

Der weitere Turnierlauf könnte uns im Halbfinale Brasilien bescheren. Den Gastgeber hat Bundestrainer Joachim Löw erst kürzlich zum Topfavoriten der WM erkoren. Bei allem Respekt: Ich verstehe das nicht. Löw hätte nach der erfreulichen sportlichen Entwicklung unserer Mannschaft allen Grund, sich mit breiter Brust hinzustellen und zu erklären: „Wir wollen Weltmeister werden, weil wir das Spielzeug dazu haben!“ Das wäre ein Akt des Selbstbewusstseins gewesen, den ich begrüßt hätte, und diese Ansprache wäre auch von seinen Spielern entsprechend wahrgenommen worden. Was sagt doch der Volksmund: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“

Löw wäre mit einer offensiveren Herangehensweise kein großes Risiko eingegangen. Niemand würde ihm oder seiner Mannschaft ein Ausscheiden gegen Brasilien – oder gegen Titelverteidiger Spanien – ankreiden, schon gar nicht in einem Halbfinale. Bei der heutigen Leistungsdichte sind Titel nie garantiert, aber gerade deshalb scheint es mir wichtig, auf allen Feldern das Potenzial auszuschöpfen. Und ein gesundes Selbstbewusstsein ist immer in der Lage, am Ende den einen oder anderen Fehlpass wettzumachen. Ich bin jedenfalls überzeugt: Diese deutsche Elf kann Weltmeister werden!