Der HSV-Profi bekam von Bundestrainer ein Sonderlob und darf sich darüber freuen, dass er Konkurrent Marcel Schmelzer mehr und mehr den Rang abläuft.

Mailand. Kurz vor dem Abflug aus Mailand nach London-Luton kam die Sonne dann doch noch raus. Wirklich viel Zeit hatte Marcell Jansen am Sonnabend allerdings nicht, um den buona giornata, den schönen Tag, nach dem überzeugenden 1:1 gegen die Squadra Azzurra in der italienischen Modemetropole zu genießen. Unmittelbar nach dem Mittagessen im Teamhotel Principe di Savoia machte sich der Restkader – Philipp Lahm und Manuel Neuer durften direkt zurück nach München – auf den Weg zum Flughafen, wo Teil zwei der Jahresabschlusstour in Angriff genommen werden sollte. „Gegen England wird es ein ganz anderes Spiel als gegen Italien. Die Engländer werden vor allem taktisch ganz anders zu Werke gehen“, sagte Jansen, der trotz geringer Einsatzchancen im Wembleystadion mit bester Laune die Reise in Englands bewölkte Hauptstadt antrat.

So hatte Bundestrainer Joachim Löw den Hamburger am Vorabend nach seiner ansprechenden Leistung gegen Italien mit einem seltenen Sonderlob bedacht. „Marcell hat seine Aufgabe gut gelöst. Ich war in den letzten Spielen schon mit ihm zufrieden, als Marcel Schmelzer noch verletzt war“, sagte Löw, der sich allerdings schon vor den zwei Prestigeduellen festgelegt hatte, dass Jansen und Konkurrent Schmelzer jeweils eine Partie machen dürften. Dass aber der HSV-Profi im Test mit der mutmaßlichen A-Elf in Mailand zum Einsatz kam, darf dabei durchaus als Zeichen gewertet werden: „Marcell hatte es nach seiner guten Leistung im Oktober verdient“, erklärte Löw, „seine Leistung war sehr seriös.“

Die Nationalmannschaftskarriere Jansen ist schon erstaunlich. 2005 debütierte der gebürtige Gladbacher unter Jürgen Klinsmann und ist damit nach Miroslav Klose, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Lukas Podolski einer der dienstältesten Nationalspieler. Doch anders als die übrig gebliebenen Mitglieder des Sommermärchens 2006 schien Jansen nach der WM in Deutschland, der EM 2008 und der WM 2010 plötzlich aus dem Fokus von Klinsmann-Nachfolger Joachim Löw verschwunden. Bei der EM 2012 wurde Jansen erstmals nicht nominiert, seine Karriere in der DFB-Auswahl schien beendet. Erst im März dieses Jahres, nach zwei Jahren, sechs Monaten und 23 Tagen Nationalmannschaftspause, wurde der Hamburger für das Qualifikationsspiel gegen Kasachstan nachnominiert, durfte spielen – und fehlte seitdem bei keiner Partie mehr. Das ungeschriebene Gesetz, dass draußen ist, wer einmal längere Zeit nicht mehr drinnen ist, wurde durch Jansen gebrochen. Der Wahl-Winterhuder schaffte das, was Piotr Trochowski oder Dennis Aogo nicht gelungen war.

Doch mit dem olympischen Gedanken (Dabeisein ist alles) kann sich der mittlerweile 28-Jährige nicht mehr zufrieden geben. Im internen Wettkampf mit dem drei Jahre jüngeren Schmelzer scheint Jansen erstmals seit langer Zeit die Nase vorn zu haben. „Es ist ein gesunder Konkurrenzkampf“, sagte der HSV-Linksverteidiger am späten Freitagabend, nachdem er Italiens Superdiva Mario Balotelli mit einer ganzen Reihe gewonnener Zweikämpfen fast zur Weißglut getrieben hatte: „Wo ist denn eine Position bei uns nicht doppelt besetzt? Das bringt jeden Einzelnen weiter, natürlich auch mich.“

Der Betriebsausflug nach London ist nun Jansens erster Trip in Englands Hauptstadt seit dem dramatischen Halbfinalaus in der Europa League vor drei Jahren mit dem HSV beim FC Fulham. Es war der Tiefpunkt in Jansens Karriere, der Rheinländer verpasste das sicher geglaubte Heimfinale in Hamburg. Doch das Gute an einem Tiefpunkt ist, dass es danach meistens bergauf geht.