Fußball-Bundestrainer Joachim Löw spielt mit der DFB-Elf heute gegen die Türkei auf Sieg und hofft dabei auch auf die Hilfe von Mesut Özil.

Istanbul. Im ersten, keineswegs unwichtigen Duell musste sich der DFB bereits vor dem heutigen Spiel gegen die Türkei (20.30 Uhr/ARD) geschlagen geben. Während die für ihre perfekte Organisation bekannten Deutschen am zentralen, aber lauten Taksim-Platz im gediegenen Hotel Ceylan Intercontinental ihr Quartier aufschlugen, residierten Guus Hiddink und die Türken nur wenige Hundert Meter davon entfernt in einer regelrechten Oase der Ruhe. Besonders der fantastische Ausblick auf den Bosporus von der Panorama-Terrasse des luxuriösen Swiss-Hotels ließ kaum Raum für Wünsche offen. Einen Wunsch wollte Hiddink dann aber doch laut aussprechen: "Drei Punkte im Spiel gegen den Favoriten auf den EM-Titel wären ein echter Traum", sagte der Niederländer, der sich mit dem schönen Blick auf den Hafen von Istanbul nicht zufriedengeben wollte.

Nur erfüllen, das machte Bundestrainer Joachim Löw am Tag vor dem vorletzten EM-Qualifikationsspiel deutlich, will keiner der Deutschen Hiddinks Wunsch. "Unser Ziel ist und bleibt, zehn Siege aus zehn Spielen zu holen", sagte Löw, der von türkischen Journalisten als "Freund aller Türken" enthusiastisch begrüßt wurde. Dabei hat Deutschlands Nationaltrainer, der zwischen 1998 und 1999 Fenerbahce Istanbul und ein Jahr später den eher unbekannten Provinzklub Adanaspor trainierte, keineswegs vor, irgendjemanden vorsätzlich auf der Zielgeraden der EM-Qualifikation zu ärgern - ganz im Gegenteil. "Wir wollen auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, eine Wettbewerbsverzerrung billigend in Kauf zu nehmen", sagte Löw, der die Duelle in Istanbul und vier Tage später in Düsseldorf zu einer Frage der Ehre deklariert.

Die nicht ganz einfache Konstellation in der Qualifikationsgruppe A hatte Löw zu seinem Bekenntnis hinreißen lassen. So ist Deutschland bereits vor den letzten beiden Spielen gegen die Türkei und Belgien sicher für die Europameisterschaft in Polen und in der Ukraine qualifiziert, während ausgerechnet die beiden kommenden Gegner vehement um den so wichtigen zweiten Platz, der zur Teilnahme an den Play-offs im November berechtigt, kämpfen. Man stelle sich nur vor, dass Deutschland heute gegen die Türkei gewinnt, dann einen Großteil der Stammelf schont und in Düsseldorf gegen Belgien verliert. Ein Szenario, für das die 2,5 Millionen Türken in Deutschland sicherlich nur wenig Verständnis hätten.

Die deutsche Experimentierlust mögen derartige Gedankenspiele etwas dämpfen, für den Ehrgeiz aber gilt das nicht. "Wir gehören zu den Top-Favoriten für den EM-Titel, um unsere Motivation in den letzten beiden Qualifikationsspielen braucht sich also niemand Sorgen machen", sagte DFB-Kapitän Philipp Lahm, der mit Torhüter Manuel Neuer, den defensiven Mittelfeldspielern Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira, sowie den offensiven Kollegen Lukas Podolski und Thomas Müller zu den wenigen privilegierten Spielern gehört, die bereits gestern einen Startplatz für das heutige Duell sicher hatten. Während sich Löw in der Abwehr noch nicht festlegen wollte, dürfte die medizinische Abteilung dem Bundestrainer in der Offensive die Entscheidung abnehmen. Mario Gomez, den eine muskuläre Reizung im Oberschenkel plagt, dürfte dennoch für Miroslav Klose, der durch einen Bluterguss im Knie gehandicapt ist, zum Zug kommen. Mesut Özil hat mit einer Achillessehnenreizung zu kämpfen. Sein Einsatz blieb auch nach dem Abschlusstraining im neuen Galatasaray-Stadion fraglich.

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Besonders die Entscheidung über Özils Genesung wird in der Türkei mit großem Interesse verfolgt. Das Gerücht, der Deutsch-Türke habe Löw in einem Telefonat gebeten, auf seinen Einsatz wegen der schwierigen emotionalen Situation zu verzichten, verwies der Bundestrainer ins Reich der Fabel. Das Interview, in dem derartige Aussagen kolportiert wurden, habe Özil nie geführt. "Um es klar und deutlich zu sagen: Mesut will unbedingt spielen", sagte Löw, der auch durchaus die Hilfe seines angeschlagenen Stars gebrauchen könnte. Der Profi von Real Madrid könne auf dem Spielfeld Dinge zu Ende bringen wie kein Zweiter, "da ist er genial".

Özil selbst dämpfte die Erwartungen an seine Person. "Im Moment bin ich nicht fit. Ich habe Schmerzen." Aber kneifen würde er nicht, stellte der 22-Jährige klar: "Ich habe keine Angst." Auch für ihn gilt es heute, die Frage der Ehre nachhaltig zu beantworten.

Türkei: Volkan - Gönül, Cetin, Toprak (Egemen), Balta - Inan, Emre - Karzim, Ekici, Arda - Bulut.

Deutschland: Neuer - Boateng, Badstuber, Mertesacker, Lahm - Khedira, Schweinsteiger - Müller, Özil (Götze), Podolski - Gomez.