Noch nie schaffte eine Mannschaft zehn Siege in zehn Qualifkationsspielen. Löw verzichtet gegen Belgien auf den Dortmunder Mario Götze.

Düsseldorf. Die frustrierten Türken glücklich machen, die hoffenden Belgier bezwingen und den Eintrag in die DFB-Geschichtsbücher sichern: Bundestrainer Joachim Löw will mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auch am Dienstag (19.00 Uhr/ZDF und im Liveticker auf abendblatt.de ) gegen Belgien gewinnen und damit zum Abschluss der EM-Qualifikation einen historischen Sieg feiern.

„Wir wollen unsere weiße Weste wahren und mit dem zehnten Erfolg im zehnten Spiel einen neuen Rekord aufstellen“, sagte Löw. Er versprach den am Freitag in Istanbul mit 3:1 gegen Deutschland klar unterlegenen Türken, dass der WM-Dritte auch gegen die Belgier Vollgas geben wird: „Das gebietet die Fairness, dass wir das Spiel seriös angehen. Das ist unsere Pflicht. Außerdem kann ich nicht die ganze Mannschaft austauschen, denn wir wollen ja den Rhythmus nicht verlieren.“

Einige Veränderungen wird es vor knapp 50.000 Zuschauern in der Düsseldorfer Arena aber sicher geben. Während Toni Kroos und Ilkay Gündogan am Sonntag in der NRW-Hauptstadt erstmals mit dem Team trainierten, durfte der in Istanbul starke Mario Götze aus dem Lager der Nationalmannschaft abreisen, da sein Klub Borussia Dortmund bereits am Freitag in der Bundesliga auf Werder Bremen trifft.

Zudem konnten bei der ersten Einheit in Düsseldorf neben dem wohl sicher ausfallenden Angreifer Miroslav Klose (Knieverletzung) auch Jerome Boateng (Muskelprobleme) und Bastian Schweinsteiger (Schlag auf den Oberschenkel) nicht trainieren. Bei Schweinsteiger und Klose könnte es äußerst eng werden mit einem Einsatz gegen Belgien.

„Wenn man nicht 100 Prozent fit ist, dann sollte man auch nicht spielen. Ich habe zum zweiten Mal innerhalb einer Woche einen Schlag auf den Oberschenkel bekommen. Ich will zwar versuchen zu spielen, weiß aber noch nicht, ob es klappt“, sagte Schweinsteiger, dessen Dominanz im Mittelfeld auch beim Sieg in der Türkei die DFB-Fans begeistert hatte. Neben Götze und Schweinsteiger zeigten insbesondere Keeper Manuel Neuer und Thomas Müller, dass die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) längst reif ist für den EM-Titel im kommenden Jahr.

Zumindest musste Schweinsteiger am Sonntagmorgen nicht wie drei andere Kollegen bereits um 7.00 Uhr aus den Federn. Die Nationale Anti Doping Agentur NADA hatte Kontrolleure geschickt, um drei namentlich nicht genannte Nationalspieler auf illegale Substanzen zu überprüfen. „Die Spieler mussten nach den Reisestrapazen von gestern zwar ungewohnt früh aufstehen, aber sie haben das sehr professionell absolviert. Das gehört zum Profisport dazu, die Spieler haben das positiv angenommen“, sagte Assistenztrainer Hans-Dieter Flick.

Mesut Özil kämpfte derweil mit ganz anderen Problemen. Zwar stand der Mittelfeldspieler von Real Madrid, dessen verletzungsbedingte Absage für das EM-Qualifikationsspiel in der Türkei für mächtig Wirbel gesorgt hatte, am Sonntag erstmals wieder mit der Mannschaft auf dem Platz und zeigte sich auch bei einer kurzen Rugby-Einheit talentiert. Doch zuvor ärgerte sich Özil, der sich nach dem Spiel in Istanbul in der Diskothek Reina verbale Angriffe hatte gefallen lassen müssen, noch einmal über die Gerüchte, dass er bewusst auf seinen Einsatz in der Türkei verzichtet habe.

„Wer mich ein bisschen kennt, weiß genau, dass ich so viel wie möglich spielen möchte. Ob in Madrid oder der Nationalmannschaft. Gerade das Länderspiel in der Türkei wäre für mich ein besonderer Höhepunkt gewesen, so wie das Aufeinandertreffen im Vorjahr in Berlin“, sagte der Mittelfeldspieler, dessen Wurzeln in der Türkei liegen, im Interview mit DFB.de.

Türkische Medien hatten berichtet, dass Özil den Bundestrainer darum gebeten habe, nicht in Istanbul spielen zu müssen. „Wenn ich lese, dass der Druck in Istanbul zu groß für mich gewesen wäre, da fehlt mir jedes Verständnis dafür und ich kann nur den Kopf schütteln. Ich habe am Freitagmorgen nochmals mit dem Bundestrainer über meine Situation geredet und ihm angeboten, dass ich trotz Schmerzen bereit bin zu spielen. Das hat Joachim Löw aber abgelehnt. Er hat gesagt, dass wir schon für die EM qualifiziert sind und er daher in diesem Spiel kein Risiko eingehen möchte“, sagte der 23-jährige.

Der Profi von Real Madrid hofft, dass er am Dienstag gegen Belgien auflaufen kann. „Ich würde sehr, sehr gerne spielen. Die medizinische Abteilung des DFB kümmert sich intensiv und gezielt um mich. Die Beschwerden an der Achillessehne sind geringer geworden. Aber die Entscheidung fällt frühestens nach dem Abschlusstraining am Montagabend, möglicherweise auch erst am Spieltag nach einem Gespräch mit dem Trainer.“

Phänomen Neuer glänzt auch als Vorbereiter

Mama Marita hatte Manuel Neuers Lieblingsessen Pizza und Pasta vorbereitet, Vater Peter und Bruder Marcel freuten sich ebenfalls auf den Helden vom Bosporus. Als der Torwart der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Sonntagnachmittag seine Familie in Gelsenkirchen besuchte, gab es aber wichtigere Dinge zu besprechen als die Neuer-Gala am Freitagabend beim 3:1 (1:0) der DFB-Auswahl in der Hölle von Istanbul in der EM-Qualifikation gegen die Türkei.

„Ich freue mich auf meine Familie und einen schönen Nachmittag. Das ist immer eine schöne Abwechslung“, sagte Neuer, der nach seinem 23. Länderspiel mit Lobeshymnen überschüttet worden war und selbst beim Gegner mächtig Eindruck hinterlassen hatte. Als „sensationell“ bezeichnete der türkische Kapitän Hamit Altintop die phänomenale Leistung seines früheren Schalker Vereinskollegen, der nicht nur ihn, sondern die komplette Mannschaft der Gastgeber mit seinen Glanztaten zwischen den Pfosten zur Verzweiflung gebracht hatte. Zudem bereitete der deutsche Torwart noch zwei Treffer vor.

„Leider gibt es dafür keine Scorerpunkte, denn ich habe ja nicht den finalen Pass gegeben“, sagte Neuer mit einem verschmitzten Lächeln. Doch bevor der Münchner Schlussmann seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als „Spielmacher“ unter Beweis stellen konnte, unterstrich er zunächst mal seine Klasse als Tore-Verhinderer.

In der fünften Minute verhinderte Neuer im Stile eines Eishockey-Zerberus gegen seinen früheren Mitspieler Altintop mit einem Weltklasse-Reflex das 0:1. „Altintop kenne ich ja aus Schalker Zeiten, da wusste ich, dass er den Außenrist benutzt“, erklärte Neuer, warum er im richtigen Moment das Richtige tat. „Das war weltklasse, wie er diesen Ball weggefischt hat“, sagte Mario Gomez, der eine halbe Stunde später persönlich von der Genialität seines Bayern-Kollegen profitierte.

Neuer fing souverän eine Flanke ab, hatte dabei bereits den Blick auf Thomas Müller gerichtet und schleuderte den Ball wie einen Diskus in Richtung Mittellinie auf den WM-Torschützenkönig. Der Münchner spielte weiter auf Gomez, der dann das 1:0 erzielte. Bundestrainer Jogi Löw klatschte an der Außenlinie Beifall. Neuer hatte Müller zuvor schon gesagt, dass er ihn bald so gekonnt einsetzen werden, „da ich bemerkt habe, dass der türkische Linksverteidiger immer sehr weit aufrückt“.

In der 66. Minute landete dann ein präziser Schlag des Bayern-Keepers über 60 Meter bei Mario Götze, dessen Querpass Müller anschließend zum 2:0 nutzte. Müller warf Neuer anschließend einen Handkuss zu, Bastian Schweinsteiger applaudierte gestenreich in Richtung seines Torwarts. „Diesmal ist erstmals aus so einer Situation ein Tor gefallen, das war das Besondere, denn er versucht das ja in jedem Spiel. Manuel sieht einfach Dinge vorher, das ist seine große Stärke“, sagte Schweinsteiger.

„Diese Abwürfe und Abschläge übt man regelmäßig im Training, am Ende gehört aber auch immer ein bisschen Glück dazu“, sagte Neuer, der beim 1:2 durch Hakan Balta (79.) machtlos war. „Ich ärgere mich schon über das Gegentor, denn als Torwart will man immer zu Null spielen“, so der Ex-Schalker, der mit den Bayern in dieser Saison diesbezüglich etwas verwöhnt ist, während die Nationalelf seit acht Spielen auf ein Zu-Null-Spiel wartet.

Ungeachtet dessen lobte auch Löw seinen Schlussmann, der in der Bundesliga sieben Spiele unbezwungen ist, über den grünen Klee: „Neuer hat zwei Tore eingeleitet. Er hat diese langen Bälle ganz bewusst gespielt. Das ist sein Spiel. Das beherrscht er wie kaum ein anderer“, sagte der Bundestrainer. Neuer selbst dachte am Sonntag schon wieder einen Schritt weiter: „Nun wollen wir auch den Rekord und am Dienstag gegen Belgien den zehnten Sieg im zehnten EM-Qualifikationsspiel schaffen. Das wäre ein perfekter Abschluss. Natürlich werde ich da versuchen, auch mal in der Nationalelf ohne Gegentor zu bleiben.“

Falls der Rekord gelingt und Neuer gegen die Roten Teufel erneut so hext wie am Freitag, dürfte der Hype um den Ex-Schalker noch mehr steigen. Bayern Münchens Präsident Karl-Heinz Rummenige stuft Neuer schon jetzt höher als den dreimaligen Welttorhüter Oliver Kahn ein: „Manuel ist die Steigerung von Titan! Wie die Legierung heißt, weiß ich leider nicht.“