DFB-Team vollendete den „Quali-Quickie“ – Topfavorit oder Mitfavorit bei der EM 2012? – Schiedsrichter gab „Klözil-Tor“ an Klose

Gelsenkirchen. Glücklich saßen die Nationalspieler in ihren Sesseln und schauten aus den dunkel getönten Fenstern, als die Polizei-Eskorte ihrem Mannschaftsbus kurz vor Mitternacht einen Weg durch den Stau aus Gelsenkirchen in Richtung Düsseldorf bahnte. Draußen winkten ihnen euphorische Fans begeistert zu. Die Atmosphäre war nach dem rauschenden Fußballabend mit dem 6:2 (3:1) gegen Österreich auf der Heimfahrt so selig bei den Spielern und dem fasziniertem Publikum, dass sie fast an die Stimmung der wunderbaren Sommertage der WM 2006 heranreichte. Die deutsche Nationalelf, die auf dem Weg zur Europameisterschaft 2012 alle Rekorde bricht und mit zauberhaftem Fußball die besten Leistungen seit Jahrzehnten bietet, löst große Euphorie und ebenso große Erwartungen aus. Auch sie selbst fühlt sich schon neun Monate vor dem EM-Start reif für den ganz großen Coup.

„Unser Ziel muss es nun sein, den EM-Titel zu holen“, erklärte Mesut Özil, der fantastisch aufgetrumpft und zweieinhalb Tore geschossen hatte. Der Spielmacher, der sich bei Real Madrid zum Weltstar entwickelt, fügte einen Satz hinzu, der tief blicken ließ. „Es gibt Mannschaften, die mithalten können.“ Bundestrainer Joachim Löw hat zu Jahresbeginn nicht nur begonnen, seinem Personal zu implantieren, selbstbewusst aufzutreten und selbstbewusst zu spielen, sondern auch fußballerisch möglichst oft höchste Kunst zu präsentieren. Gegen Österreich war noch im Juni nach langer Saison, „als die Spieler auf dem Zahnfleisch liefen“ (Löw), nur ein zäher, in letzter Minute hergestellter 2:1-Erfolg erkämpft worden. Aber in Gelsenkirchen zeigte der WM-Dritte ein anderes Format, es folgte eine weitere Gala nach dem 3:2 gegen Brasilien. Der „Quali-Quickie“ mit dem achten Sieg im achten Spiel bei 28:5 Toren wurde als erstes Team perfekt gemacht. „Die Qualifikation war herausragend gut“, erklärte Löw. Die Konkurrenz ist beeindruckt, die Lobeshymnen mehren sich. „Die Deutschen überzeugen nicht nur durch Kampf, sondern bewegen sich auch spielerisch auf sehr hohem Niveau“, sagt Spaniens David Villa.

Wenn andere nur noch mithalten können, wie Özil es formulierte, befinden sie sich nur noch gelegentlich auf dem gleichen Level. Der genial-kreative Mittelfeldspieler sprach vor allem Welt- und Europameister Spanien und Vize-Weltmeister Niederlande an, die in der Weltrangliste noch vor Deutschland stehen und die EM-Ausscheidung bisher ebenfalls nur mit Siegen bestritten haben. Aber auch Frankreich führte Özil an, dem der Genuss von drei Toren in seiner Geburtsstadt Gelsenkirchen durch einen minimalen Ballkontakt von Miroslav Klose genommen worden war. Der Kompromiss „Klözil“ für das 1:0 zu führen, war nicht regelkompatibel. Während Klose immer wieder erläuterte, warum der italienische Schiedsrichter Paolo Tagliavento ihn offiziell zum Torschützen des 1:0 ernannte, reichten dem Ex-Schalker die verbliebenen zwei Treffer. „Wer die Tore macht, ist für mich persönlich völlig unwichtig. Wir haben uns qualifiziert und als Mannschaft ein Superspiel gemacht“, betonte Özil den starken Teamgeist, auf dem Leistungsfähigkeit basiert. Doch nun ist es wiederum Löw, der bremst. Seine Mannschaft befände sich nicht „on top“, sie besäße die Rolle eines „Mitfavoriten“ bei der EM. Zur Özil-Mithalteliste fügte er noch Portugal und Italien hinzu.

Noch immer erstaunlich wirkt die Qualität, mit der Löw von der Ersatzbank seine Mannschaft während des Spielverlaufs stärken kann. Der während der Woche unter Druck gesetzte, aber in der Startformation stehende Lukas Podolski spielte gut und schoss ein Tor. Der Kölner sieht in jedem Training, dass ihm der schnelle und zielstrebige Andre Schürrle im Nacken sitzt. Der Leverkusener wurde eingewechselt und schoss das vierte Tor in seinem siebten Länderspiel. Am Schluss folgte auch noch Mario Götze, um für einige Minuten gemeinsam mit Özil zu zaubern und ein elegantes Volleytor zu erzielen.

Kaum jemand wollte am Erfolg herummäkeln, aber die Analysen müssen nicht sehr penibel sein, um eine Erkenntnis hervorzubringen: Mit diesem Hurrastil wird sicher kein schweres Turnier gewonnen. Bastian Schweinsteiger, der Organisator des deutschen Spiels auf der Quarterback-Position, sprach die noch zu lösende Aufgabe klar an. „Bei der EM muss man gegen stärkere Mannschaften anders spielen. Da kommt es noch mehr auf Taktik an.“ An der Abwehrkette bastelt Löw ständig herum, das gesamte Team muss defensiv besser arbeiten, was mit der Rückkehr von Sami Khedira gelingen kann.

Ab sofort stehen alle Länderspiele bis zum EM-Start unter den Schlagwörtern „Testen und Experimentieren“. Gegen Polen in Danzig am Dienstag kündigte Löw einen Umbau der Stammelf an. „Einige werden auf der Bank sitzen.“ Im Oktober in der Türkei und gegen Belgien, wo selbst zwei Niederlagen den ersten Platz in der Gruppe A nicht mehr gefährden können, sowie im November gegen die Niederlande und in der Ukraine wird Löw neben personellen auch taktische Varianten proben. Er fordert Siege, aber erwartet auch „noch schwächere Spiele“.

Schwer deprimiert waren die Österreicher, die Özil und Löw „als kleine Mannschaft“ bezeichneten. „Die Deutschen hatten ein ganz anderes Niveau. Zwischen uns lag ein Riesenunterschied“, sagte Trainer Dietmar Constantini, den Teile der Austria-Medien am liebsten noch vor dem Spiel gegen die Türkei am Dienstag aus dem Amt jagen würden. Kollege Löw hat es ruhiger, bis zum Vertragsende im Sommer 2014 will er zweimal ran an die Titel. (dapd/abenblatt.de)

Deutschland: Neuer - Höwedes (46. Boateng), Hummels, Badstuber, Lahm - Schweinsteiger - Müller, Kroos (85. Götze), Özil, Podolski (74. Schürrle) - Klose.

Österreich: Gratzei - Klein, Schiemer, Pogatetz, Fuchs - Ekrem Dag, Baumgartlinger, Alaba, Royer (73. Hoffer) - Harnik, Arnautovic.

Tore: 1:0 Klose (8.), 2:0 Özil (23.), 3:0 Podolski (28.), 3:1 Arnautovic (42.), 4:1 Özil (57.), 4:2 Harnik (51.), 5:2 Schürrle (83.), 6:2 Götze (89.) Zuschauer: 53 000. Schiedsrichter: Tagliavento (Italien).

Pressestimmen

„Die Neue Kronen Zeitung“: Der Deutschland-Express überrollt Österreich mit 6:2. Keine Chance für Arnautovic und Co.„

“Der Kurier„: 2:6 – schwere Schlappe gegen Deutschland. Die Deutschen haben mit der Constantini-Elf ihren Spaß, kommen spielerisch leicht zu einem Kantersieg. Österreich wurde im EM-Qualifikationsspiel den Befürchtungen gerecht. In fast jeder Hinsicht. 2:6 – so ein Ergebnis erhitzt die Teamchef-Diskussion. Jedenfalls ist der Abstand zur internationalen Klasse hoch. Höher als befürchtet.

“Der Standard: Deutschland watscht Österreich ab.

„Die Presse“: Von Deutschland an die Wand gespielt. Österreich geriet in Gelsenkirchen mit 2:6 unter die Räder. Ein Gala-Abend von Real-Madrid-Star Özil. Rang zwei könnte zwar mathematisch noch erreicht werden, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sich die Ära von Teamchef Didi Constantini dem Ende zuneigt.„

“Wiener Zeitung„: Der Abend der Hydranten – Deutschland hat keine Mühe und trifft nach Belieben. Kleine Chance auf EM besteht noch.

“Österreich„: Österreich geht in Deutschland 2:6 unter. EM-Chance damit endgültig dahin. Das war's wohl für Didi Constantini. Sitzt er gegen Türkei noch auf der Bank?