Bayern-München schreibt mit Heimfinale Fußball-Geschichte – Rummenigge: „Ich liebe Manuel Neuer“

Madrid/München. In der Stunde des Sieges lieh sich Karl-Heinz Rummenigge die richtigen Worte bei Walt Disney. „Alle Träume können wahr werden, wenn wir nur den Mut haben, ihnen zu folgen“, zitierte Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender die amerikanische Film-Legende auf seiner traditionellen Rede beim Mitternachtsbankett etwas pathetisch. Überhaupt wurde die Veranstaltung im pompösen Ballsaal des Nobelhotels „Westin“ nach dem Fußball-Drama gegen Real Madrid und dem Einzug ins Heimfinale zur Nacht der Superlative. Dank des überragenden Manuel Neuer und starken Nerven hatte Bayern München Historisches vollbracht – und jeder genoss es, dabei zu sein.

„Ich bin jetzt seit 38 Jahren mit den FC Bayern verbandelt, aber das war das intensivste und emotionalste Spiel, das ich je erlebt habe“, sagte Rummenigge nach dem 4:3 im Elfmeterschießen mit funkelnden Augen. Präsident Uli Hoeneß, der mit seinem rot-weißen Schal um den Hals baumelnd immer wieder sein Glas mit feinstem „Rioja“ in Richtung Franz Beckenbauer, Jupp Heynckes und Co. hob, sprach vom Spiel der Spiele: „So etwas erlebst Du nur einmal im Leben“.

„Ich habe immer gesagt, das Höchste, was du erleben kannst, ist das WM- oder das Champions-League-Finale. Das Allerhöchste ist, beides im eigenen Stadion zu erleben“, sagte Hoeneß voll Stolz auf sein Lebenswerk. Gegen den FC Chelsea soll dem Einzug als erste Mannschaft in ein Heimfinale am 19. Mai der erste internationale Titel seit elf Jahren folgen. „Natürlich wollen wir das jetzt schaffen“, sagte Kapitän Philipp Lahm, Rummenigge forderte ausgerechnet am Ort des Misserfolges von 2010 die Mannschaft auf, „das zu packen, was uns vor zwei Jahren verwehrt geblieben ist“. Auch Matchwinner Neuer freute sich über die anhaltende „Double-Chance. Es ist ja doch gar nicht so eine verkorkste Saison“, sagte er grinsend – im Gegenteil.

Selbst Bundestrainer Joachim Löw sprach über eines der „besten Spiele, das ich je gesehen habe. Bayern gehört zu Europas Topteams“. Im Finale gebe es „keinen Favoriten“, führte der 52-Jährige fort, und auch Rummenigge warnte trotz aller Euphorie davor, „den Titel schon zu feiern. Das wird schwierig“. Nur Hoeneß sieht die Bayern nach dem Ausscheiden der beiden spanischen Topmannschaften als „leicht favorisiert“ gegen den Abwehrriegel aus London.

Die Spieler wollten sich an den Spekulationen nicht beteiligen, sondern suchten schnell den Weg aus der Menschenmasse. Weder „Rinderfilet im Speckmantel“, noch „Mango-Parfait mit Schokoladensuppe“ konnte die Mannschaft daran hindern, das Bankett keine zehn Minuten nach Rummenigges Rede zu verlassen. Die 40-minütigen Feierlichkeiten in der Kabine, zu denen auch Real-Trainer Jose Mourinho fairerweise kurz erschienen war, „waren sehr heftig. Es ist einfach unbeschreiblich“, sagte der vollkommen ausgelaugte Mario Gomez. Es wurde ein lange Nacht für die Spieler, die sich einige Sticheleien Richtung Dortmund leisteten: „Wir scheißen auf die Schale und holen zwei Pokal“, skandierten sie immer wieder.

Die „magische Nacht“ (Heynckes) hatte die 81.000 Fans im Santiago-Bernabeu-Stadion verzaubert. Während der Schütze zum entscheidende Elfmetertor, Bastian Schweinsteiger, noch unter seinen Mitspielern begraben war und sich Hoeneß und Rummenigge in den Armen lagen, bedankten sich auch die am Boden zerstörten Real-Anhänger mit Standing Ovations bei den Gästen aus München für ein Fußballspektakel der Extraklasse. „Man braucht in so einem Spiel Glück, einen guten Torwart und einen letzten Elfmeterschützen, der gute Nerven hat. Heute ist das alles zusammengekommen“, lobte Heynckes.

Zu Helden einer starken Mannschaft wurden vor allem Schweinsteiger und Neuer. Die beiden gehaltenen Elfmeter gegen Ronaldo und Kaka dankte Bayerns Regisseur dem Nationaltorhüter durch seinen eiskalt verwandelten Siegtreffer. „Ich hab kurz vor meinem Elfmeter meine Eier vergessen oder verloren, aber sie dann rechtzeitig wiedergefunden“, sagte er. Neuer wurde ohnehin an diesem Abend nur noch mit Lobhymnen überschüttet. „Ich liebe Manuel Neuer“, bekundete etwa Rummenigge überraschend direkt.

Das eigentlich so unpassende Gefühl von Mitleid hatte Rummenigge mit dem überragenden David Alaba, aber auch mit Holger Badstuber und Luiz Gustavo, die am 19. Mai Gelb-gesperrt auf der Tribüne Platz nehmen müssen. „Die Regel muss verändert werden“, forderten Rummenigge, Christian Nerlinger und Löw noch am Abend des Triumphes - in 24 Tagen wird das aber nicht mehr umzusetzen sein. Deshalb berauschte sich das Bayern-Kollektiv lieber an einem Spiel, „über das man noch Jahre lang sprechen wird. Speziell hier in Madrid wird man es nicht vergessen“, sagte Schweinsteiger. Die 5,6 Millionen Euro Extraprämie für den vierten Finaleinzug in der Königsklasse lassen die Zusatzkasse auf 50,9 Millionen Euro anschwellen. Walt Disney und Dagobert Duck würde das sicherlich freuen – und Rummenigge sowieso.

Real Madrid - FC Bayern München

Real Madrid: 1 Casillas - 17 Arbeloa, 4 Ramos, 3 Pepe, 12 Marcelo - 14 Alonso, 6 Khedira - 22 Di Maria (75. Kaka), 10 Özil (111. Granero), 7 Ronaldo - 9 Benzema (106. Higuain). - Trainer: Mourinho

Bayern München: 1 Neuer - 21 Lahm, 17 Boateng, 28 Badstuber, 27 Alaba - 30 Luiz Gustavo, 31 Schweinsteiger - 10 Robben, 39 Toni Kroos, 7 Ribery (95. Müller) - 33 Gomez. - Trainer: Heynckes

Schiedsrichter: Viktor Kassai (Ungarn)

Zuschauer: 80.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Ronaldo (6., HE), 2:0 Ronaldo (14.), 2:1 Robben (27., FE)

Elfmeterschießen: Alaba (Bayern München) 0:1

Ronaldo (Real Madrid) vergeben 0:1

Gomez (Bayern München) 0:2

Kaka (Real Madrid) vergeben 0:2

Toni Kroos (Bayern München) vergeben 0:2

Alonso (Real Madrid) 1:2

Lahm (Bayern München) vergeben 1:2

Ramos (Real Madrid) vergeben 1:2

Schweinsteiger (Bayern München) 1:3

Mit Material von dpa, dapd und sid