Dem Team von Trainer Cesare Prandelli gelingt nur ein 1:1 gegen Kroatien. Mario Mandzukic trifft ins Tor und setzt seine EM-Show fort.

Posen. Andrea Pirlo blickte frustriert zur Anzeigetafel hinauf, seine Mitspieler trotteten enttäuscht vom Rasen. Ganz anders hatten sich die Italiener das vorgestellt, besonders nach dem 1:1 gegen Weltmeister Spanien zum Auftakt, das den Aufbruch in eine neue Ära einzuleiten schien. Doch daraus wurde nichts. Nach einem mageren 1:1 (1:0) gegen Kroatien sind die skandalgeplagten Azzurri auf einen Sieg gegen ihren Landsmann Giovanni Trapattoni, der Irland trainiert, angewiesen, um es ins EM-Viertelfinale zu schaffen.

"Wir werden kämpfen bis zuletzt", versicherte Trainer Cesare Prandelli. Das Spiel, sagte der Chefcoach, "war eine gute Gelegenheit, aus der wir zu wenig gemacht haben". Mehr machen müssen die Italiener nun aus dem letzten Gruppenspiel gegen die Iren, nur der Sieg ist da eine Option.

Kroatien (vier Punkte) dagegen könnte sich im günstigsten Fall sogar eine Niederlage im Duell mit Spanien leisten - und stünde dennoch in der K.-o.-Runde. "Gegen Spanien müssen wir so spielen wie in der zweiten Halbzeit", sagte Ivan Perisic von Borussia Dortmund.

+++ Die Laufleistung der Deutschen gegen Holland +++

Spielverderber für die Italiener war Mario Mandzukic, der das Anrennen seiner Mannschaft belohnte. Von Ivan Strinic mustergültig bedient, schoss er aus kurzer Distanz mit voller Wucht an den Innenpfosten, von dort prallte der Ball ins Tor (72.). Mandzukic hatte bereits beim 3:1 zum Auftakt gegen Irland zweimal getroffen. Andrea Pirlo, der geniale Stratege der Azzurri, hatte die Italiener mit einem direkt verwandelten Freistoß in Führung gebracht (39.).

Wegen des Treffers wurde sogar die Pressekonferenz von Italiens Ministerpräsidenten Mario Monti mit Frankreichs Staatspräsidenten François Hollande in Rom unterbrochen. Monti hielt während einer Rede inne, als außerhalb des Saales laute Rufe der Angestellten erschallten, nachdem Pirlo getroffen hatte. "Ein Fußballspiel ist im Gange", kommentierte Monti lapidar - allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem die Azzurri noch auf einen Sieg hofften.

Nachdem der Wunsch nicht in Erfüllung gegangen war, prangerte Italiens Coach Prandelli besonders die Passivität seiner Mannschaft nach dem Führungstreffer an: "Wir haben zu wenig gewagt." Am Ende verstieg er sich noch zu der Einschätzung: "Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie zusammenhält und ein gutes Gleichgewicht hat." Viel war davon nicht zu sehen. Schon kommen die bösen Erinnerungen an 2010 hoch: Bei der WM in Südafrika war die Squadra Azzurra ohne Sieg in der Vorrunde ausgeschieden.

+++ Die Entscheidung +++

Dabei hatte der Europameister von 1968 gegen Kroatien, das seit der Unabhängigkeit 1991 auch im sechsten Spiel gegen den Nachbarn ohne Niederlage blieb, gut begonnen. Das Spiel vor 37 096 Zuschauern in Posen war dann aber vor allem in der ersten Halbzeit von Ereignisarmut geprägt, vom Geniestreich Pirlos abgesehen. Nach der Pause wollte Italien das Ergebnis verwalten, Kroatien war immerhin bemüht um den Ausgleich - und wurde belohnt.

"In der Pause haben wir viele Dinge geändert, in der zweiten Hälfte waren wir dann viel besser. Wir hätten vielleicht sogar den Sieg verdient gehabt, aber insgesamt war das Remis in Ordnung", sagte Kroatiens Trainer Slaven Bilic, der vor allem von der Leistung des Schiedsrichters Howard Webb enttäuscht war: "Er hat Italien bevorteilt. Ich bin natürlich nicht objektiv, aber ich bin mit seiner Vorstellung nicht einverstanden. Er hat keinen guten Job gemacht", so der frühere Bundesligaprofi, der nun wohl mit einer Strafe vonseiten der Uefa rechnen muss. Die Italiener hielten sich in dieser Frage zurück. Bei ihnen war vielmehr die Konstanz die Überraschung.

Prandelli gab Mario Balotelli eine erneute Chance im Sturm, obwohl der junge Exzentriker in Diensten von Manchester City sich beim 1:1 gegen Spanien vor dem gegnerischen Tor fürchterlich blamiert hatte. Antonio Di Natale, Torschütze aus dem Spanien-Spiel, saß erneut auf der Bank. Die italienische Defensive stand halbwegs sicher, den Kreativen um Antonio Cassano, der trotz seiner schwulenfeindlichen Äußerungen spielen durfte, fehlten die Ideen. Zwar hatten die Italiener noch einige gute Torchancen, aber am Ende verdienten sich die Kroaten den Punkt durch ihr mutiges und diszipliniertes Auftreten.

Italien: Buffon - Bonucci, De Rossi, Chiellini - Maggio, Marchisio, Pirlo, Thiago Motta (62. Montolivo), Giaccherini - Balotelli (69. Di Natale), Cassano (83. Giovinco). Kroatien: Pletikosa - Srna, Corluka, Schildenfeld, Strinic - Vukojevic, Modric - Rakitic, Perisic (68. Pranjic) - Jelavic (83. Eduardo), Mandzukic (90.+4 Kranjcar). Tore: 1:0 Pirlo (39.), 1:1 Mandzukic (72.). Schiedsrichter: Webb (England). Zuschauer: 37 096. Gelbe Karten: Montolivo, Thiago Motta - Schildenfeld.