Hamburg. Wagner tritt die neu geschaffene Stelle des „Head of Beachvolleyball“ an. Worauf der Erfolg des 64-Jährigen beruht.

Am Mittwoch haben sie am Bundesstützpunkt Beachvolleyball am Dulsberger Alten Teichweg die Außenfelder noch mal präpariert, gesiebten Sand aufgeschüttet, Pfosten in den Untergrund gerammt und die Netze gespannt. Von Freitagmorgen bis Sonntagnachmittag werden hier die vier deutschen Frauen-Nationalteams zu ihrem letzten Turnier vor den deutschen Meisterschaften am Timmendorfer Strand (3. bis 6. September) aufschlagen, auch zwei Weltklasseduos aus der Schweiz und eins aus Polen reisen an. Zuschauer sind nicht zugelassen, selbst Sportsenator Andy Grote muss draußen bleiben.

Zum Auftakt morgen um 9 Uhr (Sportdeutschland.tv) kommt es gleich zum Duell zwischen Margareta Kozuch (33)/Laura Ludwig (34/beide HSV) und Ludwigs Ex-Partnerin Kira Walkenhorst (29), die seit ihrem Comeback mit Anna-Lena Grüne (18) aus Hildesheim spielt. „Wir werden sie auf keinen Fall unterschätzen“, sagt Ludwig, „Kira ist eine Kämpferin vom Feinsten.“ Vor 13 Tagen hatten sich Grüne/Walkenhorst in Düsseldorf bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt für Timmendorf qualifiziert. Daher darf das Paar in Hamburg in der Topgruppe mitbaggern, die auf 16 Teams erweitert wurde. Mindestens zwei Spiele sind für alle Teilnehmerinnen garantiert.

Kira Walkenhorst hat noch erhebliche athletische Defizite

Während sich Kozuch/Ludwig ihrer Topform nähern, hat Walkenhorst noch erhebliche athletische Defizite. Am Ausgang des Matches dürfte es keine Zweifel gehen. „Es wird dennoch ein sehr emotionales Spiel“, ahnt Ludwig, die an eine Rückkehr Walkenhorsts, mit der sie Olympiasiegerin, Welt- und zweimal Europameisterin wurde, in die Weltspitze fest glaubt: „Wenn es eine – trotz der familiären Belastung mit ihren Drillingen – schaffen kann, dann ist es Kira. Sie hat einen extrem starken Willen.“

Das Beachvolleyball-Turnier ist die erste nationale Spitzensportveranstaltung, die in Hamburg seit dem Lockdown im März wieder ansteht. Sportsenator Grote hatte beim Deutschen Volleyball-Verband (DVV) auf die Austragung der Spiele am Bundesstützpunkt gedrängt, die ursprünglich ebenfalls in Düsseldorf stattfinden sollten. „Wir haben Hamburg zum Hotspot des Beachvolleyballs in Deutschland entwickelt, deshalb wollten wir dieses Signal senden: Wenn es wieder losgeht, sind wird dabei“, sagte Grote. „Wir möchten so schnell wie möglich in den alten Turniermodus zurückkehren.“ Und das mit neuem Wumms. Schon im nächsten Jahr soll wieder im Tennisstadion Rothenbaum ein Weltklasse-Event stattfinden, anknüpfend an die Tradition der vergangenen vier Jahre mit dem Höhepunkt der Weltmeisterschaften im Juni/Juli 2019. „Wir sind mit Verbänden und Agenturen bereits im Kontakt“, sagte Grote.

Stadt wird sich weiter an der Finanzierung der Trainerstellen beteiligen

Auch beim Ausbau des Bundesstützpunktes bleibt die Stadt am Netz, wird sich weiter an der Finanzierung der Trainerstellen beteiligen, ihren Beitrag von zuletzt rund 140.000 Euro im Jahr erhöhen – denn der DVV will seine zentrale Trainingsstätte weiter stärken. Beach-Direktor Niclas Hildebrand (40) gelang dabei ein Coup: Jürgen Wagner (64), Trainer der 2016-Olympiasiegerinnen Ludwig/Walkenhorst und der 2012-Olympiasieger Julius Brink/Jonas Reckermann (Köln), tritt am 1. September die neu geschaffene Stelle des „Head of Beachvolleyball“ an, wird der Kopf des Konstrukts.

Die Gespräche liefen seit einem Jahr, jetzt scheint die Finanzierung möglich, auch wenn abschließende Verhandlungen mit dem für Sport zuständigen Bundesinnenministerium ausstehen. Wagner soll einen Vertrag bis zu den Sommerspielen 2024 in Paris erhalten, mindestens 100 Tage im Jahr für den Stützpunkt arbeiten, Spieler beraten, junge Trainer ausbilden und eine Trainingsphilosophie erstellen.

Trainerstab soll von vier auf fünf Bundestrainer aufgestockt werden

„Die Konzepte, die ich in unseren Kleingruppen umgesetzt habe, will ich jetzt versuchen in den Verband einzubringen“, sagte Wagner. Sein Erfolg beruhte in den vergangenen 20 Jahren darauf, dass er es stets schaffte, individuelle Lösungen in den Bereichen Technik, Taktik und Krafttraining für seine Spieler und Spielerinnen zu finden. „Seine geniale Trainingssteuerung hat uns enorm geholfen“, sagt dann auch Julius Thole (23), Vizeweltmeister mit Clemens Wickler (25). Das Weltklasseduo des Eimsbütteler TV, bereits für Tokio 2021 qualifiziert, lässt sich seit zwei Jahren von Wagner beraten.

Für Laura Ludwig ist ihr ehemaliger Cheftrainer ebenfalls „die optimale Lösung für den Verband“. Im vergangenen Sommer hatte sich Wagner aus der Zusammenarbeit mit Kozuch/Ludwig zurückgezogen, weil beide, vor allem Kozuch, eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung wünschten. Die konnte und wollte Wagner aus Moers nicht leisten. Ludwigs Lebensgefährte, Frauen-Bundestrainer Imornefe Bowes (44), löste ihn mit großem Erfolg ab. „Jürgen und ich sind weiter gut befreundet, ich kann ihn jederzeit um Rat fragen“, betonte Ludwig.

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Neben der Personalie Wagner soll der Trainerstab von Januar 2022 an von vier auf fünf Bundestrainer aufgestockt werden. Dazu kommt Hamburgs Olympiastützpunkt-Trainer, derzeit Fabian Tobias, der Kiras Ehefrau Maria Walkenhorst (36), in Elternzeit mit ihren Drillingen, vertritt. Und künftig sollen alle deutschen Talente in Hamburg trainieren. Im Herbst wechseln Svenja Müller (19), Lukas Pfretzschner (20) und Robin Sowa (21), drei Olympiakandidaten für 2024/2028, an den Bundesstützpunkt.