Évian-les-Bains. Auch gegen Polen könnte Löw mit Boateng und Mustafi wieder auf zwei ehemalige Hamburger setzen. Doch auch Hummels könnte zurückkehren.

Dieses Twitter ist schon eine tolle Sache. Lauter wichtige und extrem wichtige Dinge kann man an diesem virtuellen Marktplatz der Gedankenblitze erfahren. Auch herausragende Fotos finden dort ihren Weg in die virtuelle Welt. Zum Beispiel ein Foto von André Schürrle, wie er im Teamquartier von Évian-les-Bains den Mannschaftsbus betritt. Oder ein formidables Bild von Lukas Podolski. Den Daumen nach oben gereckt. Wieder beim Eingang des Busses. Thomas Müller. Bastian Schweinsteiger. Sami Khedira. Alle vor dem gleichen Bus. Man kann also festhalten: Die Nationalmannschaft ist – völlig überraschend – gestern mit dem Bus zum Flughafen gefahren, von wo aus es weiter nach Paris ging. Dort steht heute das zweite Vorrundenspiel gegen Polen an (21 Uhr/ZDF).

Selbstverständlich haben auch Jerome Boateng und Shkodran Mustafi das Uefa-Gefährt der Mannschaft gegen 10 Uhr betreten. Und auch Mats Hummels. Erstaunlich, dass keiner der drei Innenverteidiger dabei abgelichtet wurde. Die Twitter-Gemeinschaft konnte sich aber zumindest an einem Foto erfreuen, das Hummels liegend im Gang des Busses zeigt.

„Sorry… No seat for you!“, schrieb Torhüter Marc-André ter Stegen, der Fotograf, dazu. Kein Platz für Hummels. Ob das nun nur für die Busfahrt oder auch für die Startelf gegen Polen gilt, wollte Joachim Löw nach der Ankunft in Paris noch nicht verraten. Boateng ist natürlich im Abwehrzentrum gesetzt. Offen bleibt aber, wer sein Nachbar werden soll: der zuletzt starke Mustafi? Oder doch der genesene Hummels? „Mats hat zweimal mit der Mannschaft trainiert, allerdings auch nicht allzu lange“, sagte Löw während der offiziellen Pressekonferenz. „Wir werden nach dem Abschlusstraining noch mal mit ihm reden, dann müssen wir entscheiden, ob er spielen kann. Ich gehe aber auf keinen Fall ein Risiko ein.“

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DFB-Abwehr mit schwacher Statistik

Meistens schaut das ganze Land auf seine Stürmer, oft wird das Mittelfeld unter die Lupe genommen. Doch vor dem Wiedersehen mit den in der Offensive herausragend besetzten Polen ist es diesmal Deutschlands Abwehr, die sich besonderer Aufmerksamkeit gewiss sein darf. Das liegt natürlich an Robert Lewandowski (s. Seite 22) und seinem nicht weniger gefährlichen Sturmpartner Arek Milik. Einerseits. Das liegt aber anderseits auch daran, dass in der Zeit nach dem WM-Titel Löws Defensiv-Departement nicht immer so souverän wie erhofft wirkte. In lediglich sechs von 20 Spielen blieb der Weltmeister ohne Gegentor. Insgesamt kassierte das Land der Kohlers, Schwarzenbecks und Briegels in dieser Zeit 26 Gegentore.

Das ist insofern verwunderlich, als dass mit Boateng und Hummels normalerweise zwei der wohl besten Innenverteidiger der Welt diese Abwehr ordnen. Und es bleibt verwunderlich, wenn einem Shkodran Mustafi gegen die ­Ukraine ein gutes Spiel attestiert wurde, Boateng sogar ein sehr gutes.

Doch Fußball ist nun mal ein hoch komplexes Spiel voll von Paradoxa. So ist vor allem Deutschlands EM-Qualifikationsspiel gegen Polen in Warschau noch in bester Erinnerung, als der frischgebackene Weltmeister das Spiel im Oktober 2014 fast nach Belieben diktierte, zunächst auch gut verteidigte, dann aber wie aus dem Nichts die Kon­trolle verlor. 0:2 verlor die Mannschaft – und keiner wusste so genau, warum.

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    Verteidigen ist gut, weiß Löw spätestens seit diesem Herbstabend in Warschau, Kontrolle ist besser. Vielleicht auch deswegen durfte Weltklasseverteidiger Nummer eins, Mats Hummels, am Dienstag im Training auch wieder neben Weltklasseverteidiger Nummer zwei, Jerome Boateng, auflaufen. Der hartnäckige Muskelfaserriss, so viel scheint sicher, ist ausgeheilt.

    Dass Deutschland einen Hummels in Topform gut gebrauchen kann, wurde trotz der ordentlichen Leistung seines Vertreters gegen die Ukraine deutlich. Auch in Lille dominierte die DFB-Auswahl das Spiel, verteidigte über weite Strecken gut, verlor aber gegen Ende der ersten Halbzeit für zehn Minuten – genau, die Kontrolle. „Wir hätten auch das Gegentor zum 1:1 kassieren können“, sagte Mustafi später. Gegen die Ukraine konnte man sich so eine Phase erlauben. Gegen Polen geht das nicht.

    „Mustafi und Boateng haben viele Zweikämpfe gewonnen“, hatte Löw nach dem 2:0 gegen die Ukraine gelobt. Mustafi, der beim BVB ausgerechnet als Hummels-Nachfolger im Gespräch sein soll, hatte sogar ein herrliches Tor geköpft, Boateng mit einer artistischen Rettungstat ein Tor verhindert.

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      In Norderstedt zum Verteidiger umgeschult

      Selbstverständlich ist es nur ein Zufall, dass dieser Mustafi und dieser Boateng einst beide für den HSV in der Abwehr standen. Boateng verteidigte das Tor zur Welt zwischen 2007 und 2010, ehe er über Manchester City zu den Bayern wechselte. Mustafi wurde zwischen 2006 und 2009 im HSV-Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet.

      Vom Stürmer wurde er in Norderstedt zum Verteidiger umgeschult. Über Everton und Genua ging seine Tour d’Europe anschließend bis nach Valencia. „Auch wenn ich schon 24 Jahre alt bin, fühle ich mich noch sehr jung“, sagte Mustafi, nachdem er gemeinsam mit Boateng erfolgreich das deutsche Tor gegen die Ukraine verteidigt hatte. „Das alles ist nicht ganz einfach.“

      Richtig schwer dürfte nun aber die Aufgabe gegen die mutmaßlich beste Nummer neun der Welt werden. Ob nun Mustafi oder Hummels an der Seite von Boateng diese schwere Aufgabe übernehmen soll, will Löw dem Team erst am Spieltag verraten. Die 80 Millionen Bundestrainer in der Heimat werden bis kurz vor dem Anpfiff warten müssen. Erst dann wird die Aufstellung öffentlich. Natürlich via Twitter.