Frank Rieth war der erste Boxtrainer von Susi Kentikian. Vor ihrer WM-Titelverteidigung am kommenden Sonnabend spricht er über ihre Entwicklung und davon, dass Susi den Biss verloren hat.

Hamburg. Er wird bei Sat.1 zuschauen am kommenden Sonnabend, wenn die Hamburger Profiboxerin Susi Kentikian in Stuttgart ihren WBA-WM-Titel im Fliegengewicht gegen die italienische Europameisterin Simona Galassi verteidigt. Dass ihm das, was er sieht, gefallen wird, bezweifelt Frank Rieth allerdings. „Susi ist im Profibereich leider das passiert, was vielen guten Amateuren passiert. Sie hat die athletischen Grundlagen aus dem Fokus verloren, nicht mehr so hart trainiert und dadurch einiges von der Schlagkraft und der Beweglichkeit eingebüßt, die sie früher hatte“, sagt er.

Wenn sich jemand ein solches Urteil erlauben kann, dann Frank Rieth. Der 51-Jährige, der seit 2004 die Sportschule Agon am Grasweg führt und dazu auch zweiter Jugendwart und Landestrainer im Hamburger Amateurbox-Verband ist, gilt als Entdecker der gebürtigen Armenierin. „Susi war 13 Jahre alt, als sie damals zum BSV 19 kam. Eigentlich wollte sie nur ihrem älteren Bruder Mikael beim Boxtraining zuschauen, doch ich forderte sie auf mitzumachen. Das tat sie, und sofort war sie Feuer und Flamme“, erinnert sich der Coach, dem zwei Dinge ganz besonders im Gedächtnis geblieben sind. „Susi hatte einen unglaublichen Biss, ihr Trainingseifer war so groß, dass ich sie oftmals bremsen musste. Und sie hatte eine Kraft, die man ihr nicht zugetraut hätte.“ Die fassungslosen Blicke, wenn die 152 cm große – und damals noch kleinere – Athletin schwerere Hanteln stemmte als ihre männlichen Kollegen, lassen Rieth noch heute lachen.

Er selbst war es, der Kentikian vor neun Jahren nach 24 Amateurkämpfen, von denen sie einen wegen einer verschwiegenen Mandelentzündung verlor, zum Wechsel zu den Profis riet. Zum einen hatte sie den deutschen Meistertitel und damit alles, was Frauen damals im Amateurbereich gewinnen konnten, gewonnen. Zum anderen erhoffte man sich durch den Vertragsabschluss mit dem Universum-Stall bessere Karten für die von der Abschiebung bedrohte Familie Kentikian. „Susi war reif für die Profis. Sie war zwar erst 17, aber sie hatte immer mit Jungs Sparring gemacht, hatte sich eine sehr gute Technik erarbeitet und war extrem beweglich, sodass sie am Kopf praktisch nicht zu treffen war“, sagt Frank Rieth.

In der Anfangszeit habe ihr neuer Profitrainer Magomed Schaburow einen sehr guten Job gemacht, „er hat sie gut eingestellt und den Übergang gut hinbekommen“, aber mit den Jahren habe Kentikian sich von der von Rieth belächelten Trainingseinstellung der Profis anstecken lassen. „In den Kämpfen fehlte ihr dieser Biss, mit dem sie anfangs ihre Gegnerinnen überrollt hat. Bei ihren beiden Niederlagen 2012 hatte ich auch das Gefühl, dass sie einfach satt war“, sagt er. Verwundert sei er darüber nicht gewesen. „Wenn einem alle immer erzählen, dass man die Beste ist, und man die Kämpfe auch mit weniger Mühe gewinnen kann, dann ist es wohl normal, dass man bequem wird.“

Das größte Problem sei, dass bei den Profis nicht in Trainingsgruppen gearbeitet werde. „Wer im Kollektiv arbeitet, wird mitgezogen, während bei den Profis viele auf sich allein gestellt sind“, sagt Rieth, der am Sonntag (11 Uhr) beim Sportboxen des BC Epeios in der Verbandshalle am Braamkamp selbst in den Ring steigt. Mehrfach hat er Kentikian Ratschläge gegeben, wenn sie gefragt hat, die beiden telefonieren regelmäßig, „mal mehr, mal weniger“. Frank Rieth hofft, dass seinem Schützling von einst noch einige gute Jahre im Profiboxen bleiben, „ich wünsche ihr sehr, dass sie es schafft, sich noch einmal auf ihre Stärken zu besinnen“. Die Zweifel aber bleiben, mindestens bis zum kommenden Sonnabend.