Sie sind der Schrecken vieler “normaler“ Fans und vor allem der Sicherheitsdienste: Hooligans. Wie stellt sich derzeit eigentlich die Szene auf? Was ist aus den alten Schlägern in Hamburg geworden? Das Abendblatt hörte sich um.

Hamburg. Der Geheimdienst ist nichts dagegen. "Einverstanden!" sagte Sven nach diversen Telefonaten. "Ich bin bereit zum Gespräch." Aber nur unter vier Bedingungen: Treffpunkt an einem unauffälligen Ort, keine richtigen Namen, keine persönlichen Angaben, kein Fotograf. Geht klar, Sven, Ehrenwort.

Also auf nach Osdorf. Sonnabend, 15.30 Uhr, eigentlich Fußballzeit. Die Winterpause macht's möglich. Die Pinte ist leicht zu finden. Winzige Spelunke, Duckstein vom Fass, blinkender Daddelkasten, Rock aus der Musicbox. Und ein paar mittelalte Typen an der Theke. Wie mag er aussehen, dieser Sven? Einer der berüchtigtsten Schläger der Stadt, ein gnadenloser Raufbold, ein Rowdy vor dem Herrn. "Mutig bis zum Wahnsinn", hatte ein Kontaktmann gesagt. "Netter Kerl. Aber wo er hinhaut, wächst kein Gras."

Die Kneipentür geht auf, pünktlich auf die Minute. Kennzeichen schwarze Lederjacke, gelber Schal. Er ist es! Und wieder mal sind alle Vorurteile binnen Sekunden perdu. "Moin, ich bin Sven", sagt ein freundlicher Mann mit kräftigem Handschlag und offenem Blick. Anfang, Mitte 30 vielleicht. Lächelt gewinnend, ordert ein alkoholfreies Bier, setzt sich an den Tisch in der Ecke, den Verblüffungsfaktor genießend.

Und warum die Heimlichtuerei? Ein bisschen wegen der Polizei und der Kumpels, entgegnet er, am meisten jedoch wegen der Familie mit den beiden Kindern, dem Ehrenjob als Elternvertreter und wegen des Arbeitgebers. Er sei Marketingchef eines gar nicht so unbekannten Handelsunternehmens. Abgeschlossenes BWL-Studium, gut bezahlt zudem. Da mache sich sein Hobby nicht so gut. Welches so auf den Punkt zu bringen ist: HSV & Haue.

Warum, Sven? "Lange Geschichte", so die Antwort. Um sie kurz zu machen: Von Kindesbeinen an Fußballfan, die Raute im Herzen. Früher Volksparkstadion, Westkurve, Block E. Auswärtsfahrten, Kontakt zu Hooligans, erste Schlägereien nach Spielschluss, Rachegelüste, blaue Augen als Ehrenmale. Zunehmendes Vergnügen an der "dritten Halbzeit".

Während der HSV-Heimspiele auf angestammten Sitzplätzen in der Arena - anschließend auf der grünen Wiese weitab des Volksparks. Im Gegensatz zu großartigen Kampfzeiten Anfang der 80er-Jahre statt mit zwei- bis dreihundert Mann auf jeder Seite nur noch mit jeweils 50 bis 60 Leuten. "Und leider", murrt Sven, "höchst selten". Wenn Werder, Bochum, Frankfurt, Schalke oder Hertha mit ihren schlagfertigen Anhängern anrücken, dann sei Festtag. Gegen Bayern, Hoffenheim oder Leverkusen dagegen laufe gar nichts.

Erneut öffnet sich die Kneipentür. Lars erscheint, wie abgesprochen. Im Gegensatz zu Sven, der mit den Fäusten unverändert aktiv ist, hat sich Lars (37), Erzieher aus Lurup, in den Ruhestand verabschiedet. Der ehemalige "Hool" fiebert nach wie vor mit dem HSV, indes nur noch friedlich. Massive Polizeipräsenz, rechtsradikale Einflussversuche, die Eskalation der Gewalt ("mit Waffen und ohne Kultur") seien der Grund für heutige Friedfertigkeit. Und ein Messerstich in den Oberschenkel.

Lars gibt einen kurzen Rückblick. Von mehreren kleinen Hamburger Hooligan-Kreisen, zwei Chefs, einer unpolitischen Grundstruktur, gesellschaftlich eher gehobenen Mitstreitern, einer elitären Kleiderordnung. Dazu der typische Haarschnitt: oben kurz, an den Seiten Stoppel. Angetrieben vom Hass gegen den gegnerischen Verein, nicht gegen andere Hooligans. Entsprechend seien die Kämpfe, oft in Barmbek, kurz, knallhart, jedoch fair verlaufen. "Normale Fans anderer Klubs haben wir prinzipiell nicht attackiert", meint Lars. "Das ehrliche Prügeln ist selten geworden", ergänzt Sven.

Aber warum überhaupt die Hauerei? "Wahrscheinlich eine Mischung aus Übermut, Spannung, modernem Wildwest, Zusammenhalt in einer Gruppe, Spaß am Verbotenen." Und heutzutage? "Stil hat Seltenheitswert", bekennt Sven. Ohnehin habe es "den Hooligan" an sich nie gegeben. Während der Einfluss organisierter, leider oft von Neonazis unterwanderter Schlägertrupps in die Fußballprovinz übergeschwappt sei, habe sich die Zahl der gewalttätigen Radaubrüder in Hamburg erheblich verringert, auf rund 200. Tumbe Hauer und Proleten hätten das Zepter inne; auch Alkohol und Drogen spielten eine zunehmende Rolle. Ihnen komme es weniger auf den Verein, sondern mehr auf die Randale an. Vorbei sind die Zeiten, in denen geschlagenen Rivalen kleine Kärtchen zugesteckt wurden. Man habe die Ehre gehabt, so die Mitteilung, Anhängern des Vereins XYZ zum Opfer gefallen zu sein.