Der Doping-Fall Claudia Pechstein wird heftigst diskutiert, doch die Verdächtige will so schnell wie möglich zurück aufs Eis.

Hamburg. Innerhalb der nächsten zehn Tage wird die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin einen Eil-Antrag an den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) stellen, um trotz ihrer zweijährigen Dopingsperre eine Starterlaubnis für die Sommerwettkämpfe im August in Hamar zu erwirken. Der Schlagabtausch diverser Experten liefert dabei die medialen Begleitgeräusche und dient gleichzeitig als Vorgeschmack für die erst im Herbst stattfindende Hauptverhandlung vor dem CAS. Die Kritik von Ottavio Cinquanta, dem Präsidenten der Internationalen Eislauf-Union ISU, der die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) heftig für den von ihr kolportierten angeblichen „Kuhhandel“ rügte, ging am Dienstag beinahe unter.

Nur Stunden nach ihrem Interview im Bayerischen Rundfunk bestätigte Pechsteins Anwalt Simon Bergmann den Eil-Antrag beim CAS innerhalb von zehn Tagen. „Wir prüfen die Möglichkeit, für Claudia trotz ihrer Sperre einen Start bei den Sommerwettkämpfen im August in Hamar zu erwirken“, sagte der Jurist am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur dpa, „das wird relativ schnell passieren. Ich denke in zehn Tagen ist der Antrag auf eine einstweilige Maßnahme beim CAS machbar.“ Mit dem Hauptsacheverfahren, das erst im Herbst stattfinde, habe dieser Antrag allerdings direkt nichts tun tun.

ISU-Chef Cinquanta könnte bei der Hauptverhandlung über Pechsteins Sperre wegen auffälliger Retikulozyten-Blutwerte eine wichtige Rolle spielen. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag) empörte sich der Italiener über den von DESG-Präsident Gerd Heinze öffentlich gemachten angeblichen „Kuhhandel“. „Das ist sicherlich nicht in Ordnung, uns einen Deal zu unterstellen“, sagte Cinquanta. Im Zusammenhang mit der Affäre hatte Heinze von einer Offerte des tschechischen ISU-Juristen Gerhardt Bubnik berichtet, der den Deutschen angeboten habe, die Affäre unter den Tisch zu kehren, wenn Pechstein ihre Laufbahn vorzeitig beende. Bubnik wird in der FAZ hingegen mit den Worten zitiert „diese Äußerungen aus Deutschland haben mich überrascht“.

Sportrechts-Professor Jens Adolphsen stellte in der Frage der Wahrheitsfindung unterdessen noch einmal klar, dass die Beweislast beim Weltverband ISU liege. „Der Verband muss nachweisen, dass dieses Ergebnis im persönlichen Blutprofil zwingend auf die Manipulation Blutdoping hindeutet und es keine Alternativen gibt“, sagte der Experte von der Universität Gießen in der Sendung „Blickpunkt Sport“, „und das Beweismaß ist hoch. Das ist nicht irgendeine Wahrscheinlichkeit, sondern eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit.“

Pechstein beklagte, die ISU versuche, die Beweislast auf sie abzuschieben. „Aber sie müssen beweisen, dass ich neun Jahre lang Blutdoping betrieben habe. Das werden sie nicht können. Und deshalb wollen sie mir zuschieben, dass ich das Ganze erklären muss.“ Sie wolle selbst Klarheit über ihren Körper. „Es nützt nichts, wenn ich beim CAS durchkomme und beim nächsten Wettkampf sind die Werte wieder hoch und das ganze Spiel geht von vorne los.“ Der strittige Reti-Wert lag in 14 Fällen über dem Grenzwert von 2,4 Prozent.

Doping-Experte Fritz Sörgel war bei der Auswertung der Blutprofile zu der Einschätzung gekommen: „Wenn ich behaupten würde, dass Frau Pechstein gedopt hat, wäre das grob fahrlässig.“ Sörgel kritisierte im Gespräch mit der dpa, dass man vonseiten der ISU nicht eine Schutzsperre zurückgegriffen habe und sofort die Zwei-Jahres-Sperre durchgesetzt habe. „Ob das dem WADA-Code dienlich war, wage ich zu bezweifeln“, meinte der Wissenschaftler aus Nürnberg. Völlig anders wertet dagegen sein Kollege Werner Franke die Profile. „Es gibt keine andere Erklärung als Blutdoping“, urteilte er in der „Bild“-Zeitung. Das Auffälligste ist ihr letzter Wert. „Elf Tage nach der WM in Hamar wurde sie nochmals kontrolliert. Da war der Retikulozyten-Wert wieder im Normalbereich. Mir ist keine Blutkrankheit bekannt, bei der es diese Schwankungen gibt“, sagte Franke.