Die deutschen Skispringer wollen im ersten Wettkampf heute ihre Verunsicherung überwinden. Die gestrige Qualifikation gibt Anlass zur Hoffnung.

Oberstdorf. Noch ein bisschen schüchtern standen sie da in ihren türkisfarbenen Skisprunganzügen, berichteten dann aber stolz von ihren weitesten Sprüngen. Für die Kameras posierten sie kurz danach in der Anfahrtshocke, blickten angriffslustig in die Linse oder zeigten mit dem Daumen nach oben. Manuel, Fabrice und Linus gehören zum Schneeflöckchen-Team, das der ehemalige Topspringer und Olympiasieger Sven Hannawald aus Hinterzarten zwecks besserer Nachwuchsförderung gegründet hat.

Für den Sieg bei der diesjährigen Vierschanzentournee kommen die acht- und neunjährigen Knirpse natürlich noch nicht infrage. Leider. Und dennoch war der Optimismus, den die kleinen Springer vor dem heutigen Start der Vierschanzentournee (16 Uhr/ZDF und Eurosport) verbreitet haben, irgendwie ansteckend. Vielleicht auch auf Bundestrainer Werner Schuster, der in Oberstdorf gut Wetter zu machen versucht - auch wenn die Saisonergebnisse vor Weihnachten das nicht gerade vermuten lassen. Die Routiniers um Martin Schmitt und Michael Uhrmann sprangen hinterher, und die Jungen konnten die Lücke noch nicht füllen.

Das deutsche Skispringen befindet sich zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt im Umbruch. Schusters Truppe geht als krasser Außenseiter in die Tournee. "Die Situation ist nicht perfekt, aber die Kräfte haben sich bei der Tournee schon oft verschoben", sagt er. "Hier sind schon Favoriten gefallen und Helden geboren worden - mit so einer Vision darf man auch in das erste Springen gehen." Die Qualifikation dürfte Mut machen: Elf von 13 Deutschen kamen gestern weiter, vier von ihnen landeten unter den besten zehn. Der Überraschungsvierte Felix Schoft landete mit 138 Metern sogar den weitesten Sprung des Tages. Altmeister Martin Schmitt wurde Sechster, Stephan Hocke und Richard Freitag gemeinsam Neunter, Michael Uhrmann Elfter. Die Favoriten Simon Ammann (Schweiz), Andreas Kofler und Thomas Morgenstern (beide Österreich) hatten allerdings verzichtet, was ihnen heute starke Gegner beschert.

"Ich habe gefordert, dass wir mit Mann und Maus gut springen, denn das Team hat Potenzial. Schön, dass die Jungs das gezeigt haben", lobte Schuster. Der Österreicher ist normalerweise keiner, der die Dinge schönredet. Das hat er bei den schlechten Saisonleistungen auch nie getan. Selbst Plätze unter den besten 30 waren keine Selbstverständlichkeit. Schuster beharrte aber stets darauf, dass viel mehr Potenzial in der Mannschaft stecke. Beim letzten Weltcup vor der Tournee im schweizerischen Engelberg wurde diese Aussage mit zwei Top-Ten-Ergebnissen erstmals unterfüttert.

"Von den Resultaten her ist es eine lästige Phase", gibt Schuster zu, "aber der Prozess ist enorm spannend. Wir Trainer entwickeln junge Sportler, die immer näher an die Spitze rücken, und dann haben wir die Arrivierten, die bisher nicht ihre Leistung gezeigt haben, aber immer noch brennen und leistungsfähig sind." Schuster wirbt um Verständnis und ist überzeugt von seiner Mission, die Deutschen wieder an die Weltspitze heranzuführen. Vielleicht schneller, als manch Skeptiker denken mag. Bereits in den kommenden Tournee-Tagen hält Schuster eine "Überraschung für möglich".

Rechtzeitig zur Tournee scheint auch Pascal Bodmer aus der Krise zu finden

Beim Trainingslager in Oberstdorf ging es vor allem um die Bewegungssicherheit, die einigen abhandengekommen war. Severin Freund hatte damit als Einziger bisher kaum Probleme. Als bester Deutscher rangiert er auf Platz 16 des Gesamtweltcups. "Mir macht das aber keinen Druck, es gibt mir eher Selbstvertrauen", sagt Freund. Er zweifelt nicht daran, dass er mehr leisten kann, als er bisher gezeigt hat. "Man muss aber Geduld haben", sagt er.

Rechtzeitig zur Tournee scheint auch Pascal Bodmer, 19, aus seiner Formkrise zu finden. Im vergangenen Jahr hatte er die Tournee noch als Siebter beendet, doch bald darauf funktionierte nichts mehr. Erst in Engelberg mit Platz 19 und jetzt im Training gab er Schuster wieder Anlass zur Hoffnung.

Aufgegeben hat sich auch Martin Schmitt längst noch nicht. "Ich habe viel investiert und bin sicher, dass es sich irgendwann auszahlt", sagt der 32-Jährige. Einen guten Anfang machte er gestern mit Platz sechs in der Qualifikation. Ich habe im Vorfeld immer an mich geglaubt und versucht, meine Stärken auszuspielen. Es springt sich jetzt leichter", meinte Schmitt.

Für die Überraschung bei der Tournee müssen aber wohl andere sorgen. Daran, dass es sie geben wird, glaubt immerhin auch der ehemalige Skispringer und TV-Experte Dieter Thoma. Allerdings mit Einschränkungen: "Um den Sieg wird es dabei wohl nicht gehen."