Trübe Aussichten vor dem Start der 59. Vierschanzentournee in Oberstdorf. Besonders die Routiniers schwächeln

Oberstdorf. Trotz der nun schon seit vier Jahren andauernden deutschen Siegflaute im Weltcup werden in dieser Woche wieder 25 000 Skisprungfans an die Schattenbergschanze nach Oberstdorf pilgern. Kaum jemand traut den heimischen Springern des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) mehr als eine Außenseiterchance zu, wenn morgen die 59. Ausgabe der Vierschanzentournee mit der Qualifikation beginnt. Und doch will Bundestrainer Werner Schuster seine Schützlinge nicht abschreiben. "Mit einem guten Start kann uns die eine oder andere Überraschung gelingen", sagte der Österreicher. Mehr als Zweckoptimismus?

Denn durch Fakten sind die Mut machenden Vorhersagen nicht gedeckt. In diesem Winter sprang noch keiner der flügellahmen deutschen Adler auf das Podest, nur Michael Neumayer, Stephan Hocke und Severin Freund landeten im Weltcup überhaupt unter den besten zehn eines Springens.

So bleibt es bislang Schusters Geheimnis, warum er sagt: "Ich fahre mit einem deutlich besseren Gefühl hin als im Vorjahr. Da hatten wir als Team im Weltcup zwar mehr Punkte gesammelt, aber der Trend ging abwärts. Dieses Mal geht es bergauf. Das Potenzial ist deutlich größer." Die Springer müssten nur eins tun: "Mit dem richtigen Feuer reingehen."

Die Routiniers schwächeln, die Jungen zeigen wenigstens positive Ansätze. Schuster nennt das "eine mentale Patt-Situation, in der keiner so richtig in die Gänge kommt".

Immerhin sammelte Pascal Bodmer, 19, bei der Tournee-Generalprobe in Engelberg seine ersten Weltcup-Punkte des Winters. "Ich mag die Schanze in Oberstdorf", erinnert er sich an noch gar nicht so lang vergangene Zeiten. Ein Jahr ist es her, da sprang der Neuling aus Meßstetten unbekümmert auf Platz sieben der Tournee-Gesamtwertung. Danach ging es bergab. Nun aber gehört Bodmer neben Severin Freund, 22, aus Waldkirchen zu den Springern, auf die Trainer Schuster setzt. "Severin Freund hat das Potenzial für die Top Ten. Er muss da nur mental reinwachsen. Wenn er springt, schauen auch meine Trainerkollegen ganz genau hin. Und Pascal Bodmer war zuletzt mit ihm auf Augenhöhe."

In der Woche vor Weihnachten bat der Österreicher seine Athleten zum Sonderlehrgang nach Oberstdorf. "Es ging darum, ein Gefühl für den Sprung aufzubauen und zu festigen." Ein Trainingsprogramm, das so kurz vor dem ersten Saisonhöhepunkt überrascht. Beobachter fragen sich, warum Martin Schmitt und Michael Uhrmann dieses Gefühl abhandengekommen ist.

Die Distanz des Bundestrainers zu den Routiniers war spürbar in den letzten Tagen vor dem Tourneestart. Schuster hat daher im Vorfeld vor allem gegenüber den Routiniers Schmitt, Neumayer und Michael Uhrmann eine härte Gangart angeschlagen. "Denn an meiner sportlichen Kompetenz zweifle ich nicht", sagte Schuster. "Wir haben keine großen Fehler gemacht." Die jahrelangen Leistungsträger seien nun gefordert. "Speziell auf den ersten zwei Tourneestationen müssen die Leute Farbe bekennen", forderte er. "Da wird knallhart ausgesiebt", kündigte der Cheftrainer Konsequenzen an. Die besten sieben kommen weiter - "egal, wer das ist".

Martin Schmitt, dessen Vizeweltmeisterschaft 2009 sich als Strohfeuer herausstellte, mag noch nicht an einen Rücktritt denken. "Ich spüre, dass ich noch etwas in mir habe", sagte der 32-jährige Schwarzwälder. Er müsse nur seine Form wiederfinden.

Ob Schmitt als Prophet erfolgreicher ist? "Es wird ein heißer Kampf zwischen Thomas Morgenstern, Andreas Kofler, Simon Ammann und Adam Malysz", nennt er die üblichen Verdächtigen. Morgenstern, der Führende im Weltcup, geht nicht zum ersten Mal als Favorit in die Tournee. "Es gibt keine Verpflichtung, dass ich alles gewinnen muss", stapelt er tief. Denn gewonnen hat er die Traditionsveranstaltung noch nie.