Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Beim Fußball gewinnt die Mannschaft, die mehr Tore schießt. Beim Sprint der Läufer, der als Erster durchs Ziel rennt. Und beim Boxen ist die Sache klar, wenn einer der Kämpfer im Ringstaub liegt.

Die Skispringer, die heute wieder von der Schattenbergschanze in Oberstdorf segeln, flogen bislang nach einem einfachen System talwärts. Zur Weite rechneten die Punktrichter ein paar Haltungsnoten hinzu, die bei den besten Springern meist deckungsgleich waren. Nun wird die Sache kompliziert. Die Funktionäre des Ski-Weltverbandes Fis haben die sogenannte Windregel ersonnen, die das Wetter in die Wertung einbezieht. Aus hundert Faktoren soll ein Computer Bonuspunkte errechnen. Was für mehr Chancengleichheit sorgen soll, wird die Zuschauer zusätzlich verwirren. Die Transparenz, die jeder beliebte Fernsehsport dringend benötigt, droht am Schanzentisch liegen zu bleiben.

Der todesmutige Flug von der Schanze ist ein Freiluftsport. Wind und Wetter, Wirbel und Flauten hat es immer schon gegeben. Aber Springern wie Jens Weißflog, Sven Hannawald oder Andreas Kofler kann niemand vorwerfen, von zufälligen Windböen zu ihren Siegen getragen worden zu sein.

Wenn erst höhere Mathematik über einen Sieger entscheidet, nähert sich das simple Spektakel Skispringen gefährlich nahe dem undurchschaubaren Wertungssystem des Eiskunstlaufens, bei dem allein Menschen über die Leistung eines Sportlers befinden. Wer einen Sport nicht mehr versteht, schaltet auch nicht mehr ein.