Zu Beginn des größten Prozesses des europäischen Fußball-Wettskandals haben zwei Angeklagte bereits eine Teilschuld eingestanden.

Hamburg/Bochum. Die Erwartungen an diesen Prozess sind hoch. Wurde er doch bereits im Vorwege mit einem Superlativ geschmückt: Vom "größten Wettskandal im europäischen Fußball" ist die Rede. Der gestrige Auftakt der Verhandlungen im Bochumer Landgericht allerdings blieb zunächst blass. Es kam zu mehrstündigen Verzögerungen, die Verteidiger der vier Angeklagten verlangten eine Einstellung des Verfahrens. Sie bemängelten erst die fehlende Zuständigkeit des Gerichts, dann hielten sie die 13. große Strafkammer für befangen. Über den Antrag wird beim nächsten Verhandlungstag entschieden. Ungeachtet dessen ließ das Gericht die Verlesung der Anklage zu. Und die lieferte prompt pikante Details.

+++EIN SCHIEDSRICHTER SOLL 60.000 EURO ERHALTEN HABEN+++

Die Auflistung könnte dem Drehbuch eines guten Krimis entnommen sein. Es geht um verschobene Spiele, manipulierte Profis und Schiedsrichter, halbseidene Zocker - und viel Geld. Genauer: Um 1,6 Millionen Euro. Vier Männer im Alter von 32, 35 und 55 Jahren müssen sich wegen des "Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs" verantworten. Den Angeklagten Nürettin G., Tuna A., Stefan R. und Kristian S. wird vorgeworfen, bis zu 32 Fußballspiele in Deutschland, Slowenien, Belgien, Kroatien, Schweiz und Ungarn verschoben zu haben.

Die Anklage enthüllt Spiel-Manipulationen mit System. Eine simple Methode: Sportlern, Trainern und Schiedsrichtern wird Bargeld zugesteckt, anschließend Wetten auf vereinbarte Spielausgänge platziert. 370.000 Euro sollen allein in diesen Fällen geflossen sein. Die höchste Summe habe ein "Unparteiischer" der U-21-Partie zwischen der Schweiz und Georgien im November 2009 erhalten: 60 000 Euro nur für dieses eine Spiel. War das Geld erst ausgezahlt, folgten massive Drohungen und Einschüchterungen. So sei einem Spieler des Regionalligaklubs SC Verl mitgeteilt worden, dass man ihn intensiv beobachte und nötigenfalls wiedererkennen würde - wenn die Absprachen nicht eingehalten werden.

Die Angeklagten, die von der Sondereinheit "Flankengott" aufgespürt worden waren, gaben sich gestern teilweise geständig. Allen voran Nürettin G., Betreiber von mehreren Wettbüros in Norddeutschland. Er sei ein "Kronzeuge" des Prozesses, ließ sein Anwalt wissen. Sein Kasino Emperyal e.V. in Osnabrück besuchte auch der Ex-VfL-Profi Thomas Cichon. Der Türke G. wird dem inneren Zirkel der Bande um den Wettpaten Ante S., der Drahtzieher im Skandal um den früheren Schiedsrichter Robert Hoyzer war, zugerechnet. "Er hat Dinge offenbart, von denen die Polizei nichts wusste", sagte sein Anwalt Jens Meggers.

Dadurch konnten die Beamten zum Beispiel allein in der Türkei 70 Verdächtige festnehmen. Meggers sei sich sicher, dass es daher einen "Rabatt" für den im Essener Gefängnis sitzenden Kaufmann gebe. Neben ihm hat Tuna A. eine umfangreiche Aussage gemacht. "Die Jungs quasseln um ihr Leben. Die wollen retten, was zu retten ist", sagte Verteidiger Reinhard Peters laut dpa. Dagegen zeigen sich Stevan R. und Kristian S. bislang nicht kooperativ. Letzterer gilt als Verbindungsglied zu den Spielern. Der 32-Jährige ist selbst als Profi aktiv gewesen. Bei einer Verurteilung drohen ihm und den Mitangeklagten bis zu zehn Jahre Haft.

Für den Prozess in Bochum sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Es dürften weitere dazukommen. Immerhin handelt es sich bei den 17 auf deutschen Plätzen verschobenen Partien nur um die Spitze des Eisbergs. Europaweit wird gegen 250 Personen ermittelt, die rund 300 Spiele manipuliert haben sollen. "Die Dimensionen sind noch nicht abzusehen", sagte Staatsanwalt Andreas Bachmann.

Sicher ist nur: Um harmloses Zocken ging es keinem der Angeklagten. Um Fußball auch nicht.