Bereits am ersten Prozesstag des größten Wettskandal des europäischen Fußballs in Bochum wurden pikante Details bekannt.

Bochum. Begleitet von großem Medienrummel hat der erste Prozess im größten Betrugsskandal des europäischen Fußballs begonnen. Geschützt durch Sicherheitsglas, das Verhandlungs- und Zuschauerraum voneinander trennt, betraten die vier Angeklagten am Mittwoch den Gerichtssaal des Bochumer Landgerichts. Nach ersten juristischen Muskelspielen der Verteidiger gewährte allein die Verlesung der Anklageschrift Einblicke in die mafiösen Strukturen der Szene. Demnach wird den vier Angeklagten Nürettin G. (Lohne), Tuna A. (Mönchengladbach), Stefan R. (Lippstadt) und Kristian S. (Schweinfurt) banden- und gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Sie sollen in die Manipulation von 32 Spielen in Deutschland, Belgien, Slowenien, Ungarn, Kroatien und der Schweiz verstrickt sein.

Ebenfalls unter Manipulationsverdacht steht je eine Partie der Europa League und der U 21 EM-Qualifikation. Bei einem Einsatz von 370 000 Euro wurden angeblich Gewinne in Höhe von maximal 1,6 Millionen Euro erzielt. In Deutschland sollen 17 Spiele u.a. des Fußball-Zweitligisten VfL Osnabrück und des Regionalligisten SC Verl betroffen sein. Den vermeintlichen Wettbetrügern drohen empfindliche Strafen: Für Betrug in besonders schwerem Fall sieht das Gesetzbuch pro Fall bis zu zehn Jahre Haft vor.

Die Anklage gleicht einem Tagebuch systematischer Spiel- Manipulation. In rasanter Folge soll käuflichen Sportlern, Trainern, Schiedsrichtern und Funktionären Bargeld zugesteckt worden sein, um anschließend Wetten auf vereinbarte Spielausgänge zu platzieren. Die höchste Summe soll der Unparteiische der U21-Partie zwischen der Schweiz und Georgien (18. November 2009) erhalten haben: 60 000 Euro.

Einen hohen Gewinn verbuchten Nürettin G. und Tuna A. laut Anklageschrift bei Wetten auf das Europa-League-Spiel des FC Basel gegen CSKA Sofia. Allein diese Partie, bei der ein Schiedsrichter mit 50 000 Euro bestochen worden sein soll, brachte dem Duo demnach einen Gewinn von mehr als 200 000 Euro ein.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die regionalen Zuständigkeiten innerhalb der Bande genau aufgeteilt waren. Sobald Spieler bestochen waren, sollen zum Teil Drohkulissen aufgebaut worden sein. So soll einem Spieler des Regionalligisten SC Verl mitgeteilt worden sein, dass er bereits beim Training beobachtet und später wiedererkannt werde, wenn er die Absprachen nicht einhalte.

Nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch auf den Fluren des Landgerichts wurden während der zahlreichen Verhandlungspausen pikante Details bekannt. So wurde die schwierige Suche nach Tätern, Abläufen, Unterlagen und Geldflüssen durch Aussagen des Mitangeklagten Nürettin G. erleichtert. Wie dessen Anwalt Jens Meggers bestätigte, hat sich der 35 Jahre alte im Essener Gefängnis einsitzende Kaufmann kooperativ gezeigt. „Man kann ihn als eine Art Kronzeuge bezeichnen. Er hat Dinge offenbart, von denen die Polizei nichts wusste.

Das hat zum Beispiel in der Türkei zu 70 Festnahmen geführt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es dafür einen guten Rabatt gibt.“ Die Aussicht auf ein geringeres Strafmaß hat auch andere im Wettskandal Verdächtigte offenbar zu Aussagen verleitet. „Die Jungs quasseln um ihr Leben. Die wollen retten, was zu retten ist“, sagte Reinhard Peters, Rechtsanwalt des Mitangeklagten Tuna A. Nach Einschätzung von Meggers steht sein Mandant mit seinen Aussagen nicht allein da: „Die reden doch jetzt alle.“ Dass der Prozess so schleppend begann, war vor allem der Verteidigung zu verdanken. Deren Anträge auf Einstellung des Verfahrens wegen fehlender Zuständigkeit des Bochumer Landgerichts wurden jedoch zurückgewiesen. Befangenheitsanträge gegen das Gericht sind noch nicht entschieden.

Teil um Teil des umfangreichen Kriminal-Puzzles hat die Staatsanwaltschaft Bochum seit Anfang 2009 zusammengetragen. Ein Zufallstreffer brachte sie auf die Spur: Während einer groß angelegten Telefonüberwachung im Drogenmilieu waren auch Gespräche über angeblich manipulierte Fußballspiele aufgezeichnet worden. Mit dem Prozessbeginn in Bochum sind die Untersuchungen aber noch lange nicht abgeschlossen. Nach Aussagen von Staatsanwalt Andreas Bachmann sind noch immer 15 Ermittler im Einsatz. Bachmann erhöhte die Zahl der in Verdacht stehenden Partien von 270 auf 300: „Die Dimensionen sind noch nicht abzusehen.“

Für den Prozess vor der 13. Strafkammer des Bochumer Landgerichts sind noch vier Verhandlungstage bis zum 28. Oktober vorgesehen. Noch sind keine Zeugen geladen. Zunächst will das Gericht die Aussagen der Angeklagten abwarten. Nächster Verhandlungstermin ist der 14. Oktober.