Florian Mayer steht am Rothenbaum im Halbfinale. Turnierdirektor Stich wünscht ihm und sich den Turniersieg bei den German Open.

Hamburg. Die Menschen auf dem Centre-Court drängelten. Sie versuchten, ein Stückchen freien Platz zu ergattern, um halbwegs freie Sicht haben zu können auf das, was auf dem Platz passierte. Dass sich in ihrem Rücken der Italiener Andreas Seppi und der Brasilianer Thomaz Bellucci einen erbitterten Kampf um den Einzug ins Halbfinale der German Open lieferten, sahen sie nicht. Das, was sie interessierte, spielte sich auf dem Nebenplatz M 1 ab.

Im "Legenden-Doppel" sorgten dort Turnierdirektor Michael Stich, 41, an der Seite des Franzosen Yannick Noah, 50, und die ukrainisch-iranische Kombination Andrej Medwedew, 35, und Mansour Bahrami, 54, für beste Unterhaltung. Man hörte, während knapp 1000 Zuschauer auf dem Centre-Court andächtig das Grundlinienduell zwischen Seppi und Bellucci verfolgten, das Publikum nebenan johlen und klatschen, und man konnte es den Fans, die von ihren Sitzplätzen den Nebencourt überblicken konnten, nicht verdenken, dass sie sich am Auftritt der "Legenden" ergötzten. Dass Stich/Noah 7:5, 2:6, 10:8 siegten, war Nebensache.

Noah, der 1983 die French Open und am Rothenbaum gewonnen hatte, war es, der das Problem auf den Punkt brachte, das Stich und sein Team haben. "Wir vermitteln den Menschen Spaß am Tennis und bringen ihnen die Erinnerung an die gute, alte Zeit zurück", sagte er, gefragt nach dem Grund für die Begeisterung der Fans, um zu ergänzen: "Die Spieler, die heute hier spielen, kenne ich alle nicht." Es war nicht arrogant gemeint, sondern einfach ehrlich, und leider ist Noah nicht der einzige, dem es so geht. "Wir sehen hier großartiges Tennis", sagte auch Stich, "aber leider kennen die Menschen die Spieler, die im Halbfinale stehen, nicht so gut, weil es nicht die sind, die in der Weltrangliste ganz oben stehen."

Deshalb jedoch auf eigene Auftritte zu verzichten, um die Aufmerksamkeit voll auf die aktuelle Generation zu lenken, kommt für den Wimbledonsieger von 1991 nicht infrage. "Die Fans wollen die Legenden sehen, und Unterhaltung gehört dazu", sagt er. Am Freitagabend trat er deshalb vor dem vierten Viertelfinale auf dem Centre-Court zu einem 20-minütigen Schaukampf gegen Noah an, am Sonnabend sind weitere "Legenden"-Matches vorgesehen. Mit Medienauftritten außerhalb des Courts hält sich Stich allerdings auffällig zurück, um das Turniergeschehen so intensiv wie möglich in den Fokus zu rücken. Schließlich ist das Produkt, das er auch in den kommenden Jahren verkaufen möchte, die heutige Generation.

Und mit Florian Mayer gibt es einen Vertreter dieser Generation, der Stichs Traum von einem Deutschen im Halbfinale wahrmachen konnte. Als erster einheimischer Profi seit Tommy Haas 1997 erreichte der Weltranglisten-54. aus Bayreuth die Runde der besten vier, und er begeisterte die 7500 Fans beim 6:7 (3:7), 6:2 und 6:3 gegen den Spanier Juan Carlos Ferrero einmal mehr. "Dass Flo es ins Halbfinale geschafft hat, ist auch der Unterstützung der Fans zu verdanken. Er spielt sehr unorthodox, seine eingesprungene Rückhand ist zum Markenzeichen geworden", sagt Stich. "Es hat riesigen Spaß gemacht, ich habe toll gespielt und bin wieder grandios unterstützt worden", sagte Mayer. Im Halbfinale trifft er auf den Kasachen Andrej Golubjew (Nr. 82), der den Usbeken Denis Istomin 6:4, 6:1 bezwang. "Goljubew spielt sehr hart und präzise von der Grundlinie. Wenn das allerdings nicht klappt, verliert er schnell die Linie", sagt Stich.

Fest steht bereits, dass auch im Finale am Sonntag Deutsch gesprochen wird. Das liegt daran, dass mit dem Südtiroler Seppi und dem Österreicher Jürgen Melzer am Sonnabend im ersten Halbfinale zwei Profis aufeinandertreffen, deren Muttersprache das Deutsche ist. Der Weltranglisten-70. Seppi, 26, gewann gegen Bellucci das mit 3:11 Stunden bislang längste Turniermatch mit 7:6 (7:0), 5:7 und 7:5. Der 29 Jahre alte Melzer, in der Rangliste an Position 15 geführt, machte mit Seppis Landsmann Potito Starace (Nr. 72) beim 6:4, 6:1 kürzeren Prozess. "Seppi und Melzer sind Spieler mit überragendem Spielverständnis", sagt Stich, "sie hauen nicht nur drauf, sondern verteilen die Bälle gut." Beide sind Grundlinienspieler, die sehr geduldig auf ihre Chancen warten. "Besonders Jürgen ist ein Spieler, der genau weiß, wann er angreifen kann. Seppi steht zum zweiten Mal nach 2008 in Hamburg im Halbfinale, Melzer erstmals. Einen Favoriten will der Turnierdirektor nicht nennen. Wer sein Favorit der Herzen ist, ist jedem klar. Ein deutscher Triumph könnte tatsächlich eine Initialzündung darstellen, um aus dem Schatten der Legenden herauszutreten.