Der Bayreuther Mayer ist am Rothenbaum letzter Deutscher im Viertelfinale - Julian Reister scheidet nach großem Kampf gegen Istomin aus.

Hamburg. Hätte man gestern einen Hörgeschädigten in die Pressekonferenz von Florian Mayer gesetzt und ihn gebeten, an dessen Mimik das Ergebnis seines vorangegangenen Spiels abzulesen, dann wäre er gnadenlos gescheitert. Emotionen zeigen, mit Worten punkten, sich selbst darstellen, das ist nichts, was der 26 Jahre alte Bayreuther gern tut. Er müsste es auch gar nicht, wenn er immer so spielte wie in dieser Woche. Hätte man demselben Hörgeschädigten nämlich zuvor einen Platz auf dem Centre-Court angeboten, dann wäre es ihm herzlich egal gewesen, wie dieser Florian Mayer auf der anschließenden Medien-Fragerunde auftrat. Er wäre bezaubert gewesen vom Auftritt des Bayern, so wie es die 7000 Zuschauer waren, die das 7:6 (7:1), 6:0 über den Argentinier Maximo Gonzalez miterlebten, mit dem der Weltranglisten-54. zum ersten Mal in seiner Karriere ins Viertelfinale der German Open am Rothenbaum einzog.

Im zweiten Satz zeigte Mayer Sandplatztennis in seiner besten Ausprägung, er ließ den Südamerikaner, der erst im Mai nach acht Monaten Verletzungspause wieder auf die ATP-Tour zurückgekehrt und deshalb in der Rangliste von Platz 66 auf 195 abgestürzt war, nicht mehr ins Spiel finden und riss das Hamburger Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Mayer, der im ersten Satz eine Leistenzerrung erlitt und deshalb eine Schmerztablette einnahm, zeigte sich überwältigt von den Ovationen der Fans. "Es passiert nicht alle Tage, dass man so toll unterstützt wird. Diesen Heimvorteil will ich ausnutzen", sagte er.

Das wäre wichtig, schließlich ist er in der Runde der besten Acht der letzte Verbliebene von elf gestarteten Deutschen. Der Augsburger Philipp Kohlschreiber, auf Rang 35 bester deutscher Profi, musste sich dem stark auftrumpfenden Weltranglisten-22. Thomaz Bellucci (22, Brasilien) mit 5:7 und 4:6 geschlagen geben. Am Abend scheiterte dann mit Lokalmatador Julian Reister aus Reinbek auch der bisherige Publikumsliebling. Der 24-Jährige musste seinen kraftraubenden Auftritten der Vortage Tribut zollen und unterlag dem Usbeken Denis Istomin nach erneut großartigem Kampf mit 6:3, 3:6 und 6:7 (3:7). "Ich habe alles gegeben und bin trotz der Niederlage sehr glücklich über dieses Turnier", sagte Reister, der vom Publikum mit Sprechchören gefeiert wurde.

Nun liegt es an Mayer, die Hoffnungen der Veranstalter zu erfüllen und der erste Deutsche im Rothenbaum-Halbfinale seit Tommy Haas 1997 zu werden. Dazu muss er allerdings mit dem Spanier Juan Carlos Ferrero heute eine sehr hohe Hürde überwinden. Der 30-Jährige, der im September 2003 die Weltrangliste angeführt hatte, kämpfte den Finnen Jarkko Nieminen in drei Sätzen nieder. In vier Duellen mit Mayer ging "El Mosquito" viermal als Sieger vom Platz. Mayer ist dennoch guten Mutes. "Gegen ihn bin ich Außenseiter, das liegt mir besser. Heute hatte ich den Druck, und ich war doch etwas nervös", sagte er.

Daviscup-Teamchef Patrik Kühnen ist von Mayers Leistung indes höchst angetan. "Flo hat teilweise fantastisch gespielt, er ist total motiviert und hat die Spielfreude, die er braucht", sagte er. Der 44-Jährige sammelt beim letzten Sandplatzturnier der Saison wichtige Eindrücke für die Zusammenstellung seines Teams für das Relegationsspiel gegen Südafrika, das vom 17. bis 19. September in Stuttgart auf Sand stattfindet. "Vielleicht sind meine Siege hier eine gute Bewerbung", hofft Mayer. Kühnen fand auch für Kohlschreiber trotz dessen Niederlage lobende Worte ("Er ist auf dem richtigen Weg"), und dem neuen Shootingstar Reister bescheinigte er einen "Aufwärtstrend, der seit Monaten anhält, weil er ihn sich hart erarbeitet hat."

Was Kühnen jedoch am meisten freut, ist die neue Begeisterung für die deutschen Spieler, die am Rothenbaum aufkeimt. Die einheimischen Profis werden bedingungslos unterstützt, jeder Sieg wird dankbar gefeiert. "Die Menschen erkennen an, dass hier trotz der fehlenden Topstars hochklassiges Tennis gespielt wird. Und man spürt, dass sie Erfolge unserer Spieler gern honorieren. Natürlich wünschen wir uns jetzt, dass Flo auch am Finalwochenende noch dabei ist", so der Saarländer.

Von einer neuen Aufbruchstimmung im deutschen Tennis zu sprechen, wäre angesichts der Quoten, die der Spartensender Sport 1 mit seinen Liveübertragungen aus Hamburg erzielt, jedoch völlig vermessen. Im Schnitt schauen rund 70 000 Menschen bundesweit zu. Damit liegt das Interesse noch einmal hinter dem Vorjahreswert zurück.