England verliert das Elfmeterschießen gegen Italien. Kommt es für Deutschland nun zur Revanche für das bittere Aus im Halbfinale 2006?

Kiew. Das Schreckgespenst Italien kann sechs Jahre nach dem schmerzhaften Ende des WM-Sommermärchens erneut zum Albtraum für Deutschland werden. Im Elfmeterkrimi des EM-Viertelfinals gegen England setzte sich die bärenstarke Squadra Azzurra mit 4:2 durch und ist für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wieder die vorletzte Hürde auf dem Weg zu einem Titel. Am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) kommt es in Warschau zur Revanche für das bittere Aus im Halbfinale 2006, England muss seinen Traum vom ersten Titel seit 1966 begraben.

Gianluigi Buffon wurde zum Helden des Elfmeterschießens, der frühere Welttorhüter parierte den kümmerlichen Schussversuch von Ashley Cole. Den entscheidenden Treffer setzte Alessandro Diamanti. Nach 120 Minuten hatte es trotz italienischer Überlegenheit 0:0 gestanden.

"Diese Mannschaft hat den Sieg verdient. Wir haben mit viel Geduld gegen eine starke und solide Mannschaft gespielt und diese ständig unter Druck gesetzt. Der Zusammenhalt der Mannschaft hat für den Sieg gesorgt“, sagte Trainer Cesare Prandelli und ergänzte: "Deutschland ist im Halbfinale Favorit. Aber wir genießen den Moment und beschäften uns erst ab morgen mit dem kommenden Gegner.“

Italien wartet allerdings mit breiter Brust: In sieben Versuchen ist dem Vize-Europameister Deutschland kein Sieg in einem Turnierspiel gegen den viermaligen Weltmeister gelungen. Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw muss den "Fluch“ mit dem ersten Sieg gegen die Italiener seit dem 21. Juni 1995 (2:0) vertreiben, um ins Endspiel am 1. Juli in Kiew einzuziehen.

DFB-Kapitän Philipp Lahm freut sich bereits auf einen "Fußball-Klassiker“ in der Tradition großer Spiele wie den WM-Halbfinals 1970 und 2006 oder dem WM-Finale 1982 - allesamt endeten mit deutschen Niederlagen. "Taktisch ist Italien sehr gut geschult“, sagte Lahm voller Respekt. Allerdings haben die Azzurri nun 120 Minuten in den Knochen und zwei Tage weniger Ruhe.

Deutschland muss sich auf einen offensivstarken, aber defensiv nicht immer sattelfesten Gegner einstellen. Zudem gehen die Azzurri seit Turnierbeginn fahrlässig mit ihren Chancen um.

Italien spielte im Olympiastadion schnell und präzise nach vorn, drückte, jedoch war vor allem „Skandalnudel“ Mario Balotelli vom englischen Meister Manchester City zu unentschlossen. Er ließ Großchancen im halben Dutzend liegen - darunter eine dreifache (53.); Daniele De Rossi (3.) und Diamanti trafen den Pfosten (101.). England hielt mit Wucht und Leidenschaft dagegen.

Das Spiel ließ sich gut an, bald hatte es mehr hochkarätige Torchancen gegeben als am Abend zuvor in 90 Minuten zwischen Spanien und Frankreich. Erst drehte sich ein Schuss De Rossis aus 25 Metern an den Pfosten (3.) - Torhüter Joe Hart wäre chancenlos gewesen. Nach 3:10 Minuten hatten die Engländer das erste Mal den Ball unter Kontrolle, kurz darauf schoss dann Glen Johnson aus sechs Metern: "Gigi“ Buffon reagierte atemberaubend (5.).

Abwarten gehörte offensichtlich nicht zu den taktischen Anweisungen beider Trainer. Von Beginn an galt für beide Mannschaften die Devise: voller Einsatz und den Ball so schnell wie möglich nach vorn, schnörkellos, möglichst direkt. Erst machten die Engländer Druck, spielten variabel und mit Herz, oft über den Außenverteidiger Johnson, der die linke Seite der Squadra Azzurra beschäftigte. Prandelli wirkte nervös, gestikuliert wild. Dann kam Italien auf und hatte das Spiel fast immer im Griff.

Balotelli? Hatte seine erste große Chance in der 25. Minute. Kurz vor der Strafraumgrenze erreichte ihn ein wunderschöner Pass von Andrea Pirlo, dem 33 Jahre alten Strategen der Azzurri, doch der dunkelhäutige Angreifer brauchte zu lange, um daraus etwas zu machen - John Terry grätschte dazwischen. Nur sieben Minuten später erreichte Balotelli ein Lupfer von Montolivo - wieder stellte sich der 21-Jährige in bester Position ungeschickt an (32.).

Wayne Rooney wurde bestens bewacht, legte Sturmpartner Danny Welbeck allerdings einen gefährlichen Schuss auf, der knapp über Buffons Tor ging (32.). Dann tauchte er ab und lange nicht mehr auf, setzte jedoch in der Nachspielzeit zu einem Fallrückzieher an, der knapp über das Tor flog.