Seit 1966 bietet Lore Keil im Eimsbütteler Turnverband Fitnessunterricht an. Einige ihrer Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren von Anfang an dabei.

Hamburg. Na gut, sagt Lore Keil, dann soll der Fotograf eben kommen. Aber dass er auch ja nicht aus Versehen sie ins Bild nimmt! Es reiche doch völlig, wenn er ihre Turngruppe fotografiere, sie selbst sei nicht so fotogen und überhaupt dränge es sie doch gar nicht in die Zeitung. Irgendwie hat sie unser Fotograf dann doch überzeugen können. Ein Versprechen aber mussten wir abgeben: dass wir ihr Geburtsdatum nicht veröffentlichen. "Sonst rennen die mir noch die Bude ein." Nein, es reiche, wenn sie den Ehrentag mit ihrer Nichte und ihrem Großneffen begeht.

Beschränken wir uns also darauf, dass Lore Keil irgendwann in diesen Tagen 90 Jahre alt wird und somit eine der ältesten Fitnesstrainerinnen der Republik ist. Jeden Montag bietet sie drei Kurse im Eimsbütteler Turnverband (ETV) an. Seit 1966 ist sie für den Verein tätig. "Mein Mann war gerade gestorben, also musste ich voll arbeiten." Die Ausbildung zur Gymnastiklehrerin erleichterte ihr den Einstieg.

Annelise Krause war von Anfang an dabei. Langweilig ist der 92-Jährigen in Keils Kursen nie gewesen: "Sie lässt ja immer wieder neue Elemente in die Übungen einfließen." Der Sport hat Lore Keil sichtlich jung gehalten. Ihr Haar ist immer noch voll, ihr Gang aufrecht, ihr Sinn scharf und ihre Sprache klar.

"Dass sie so rege im Kopf ist, liegt sicher daran, dass sie immer Sport gemacht hat", sagt Bernd Lange-Beck, der Geschäftsführer des Verbands für Turnen und Freizeit (VTF). Er kennt Keil vom Arbeitskreis der Älteren im VTF, in dem sie regelmäßig Fortbildungen besucht. Lore Keil ist nie müde geworden, mit der Zeit zu gehen. Mit zunehmendem Alter haben sich auch ihre Trainingsinhalte verändert. In den Anfangsjahren baute sie eine Gymnastikleistungsgruppe auf, die es bis zur deutschen Vizemeisterschaft brachte. Später übernahm sie die "Morgenfrauen", eine Gruppe selbstbewusster Eimsbüttlerinnen, die sich von ihren Ehemännern nicht den ganzen Vormittag an den Herd zwingen lassen wollten. Heute heißen ihre Kurse "Körperliche und geistige Fitness", "Fit ab 50 mit Klaviermusik" und "Frauenfit".

Der demografische Wandel lässt die Zielgruppe der Senioren für die Vereine immer wichtiger werden. Allein im ETV sind 1000 Mitglieder älter als 60 Jahre, Tendenz steigend. Ihre Bedürfnisse sind in der Regel weniger auf Leistung ausgerichtet als vielmehr auf Gesundheit und Geselligkeit, kurzum: auf den Erhalt ihrer Lebensqualität.

Lore Keil hat sich diesen Bedürfnissen angepasst, die auch ihre eigenen sind. Im Kurs "Körperliche und geistige Fitness" etwa, in dem ihre ältesten Teilnehmer sind, legt sie den Schwerpunkt auf Gleichgewichtsschulung und Sturzprophylaxe, aber auch auf Gedächtnistraining. Zu dezenter Klaviermusik lässt sie 19 Herren und Damen im Kreis laufen, die Arme im Takt wiegen und Fingerübungen machen. "Das regt die Synapsen an."

Einige ihrer Teilnehmer kommen bis aus Pinneberg an die Bundesstraße gefahren. Es muss etwas mit Keils positiver Ausstrahlung zu tun haben. "Sie ist loyal und ruhig, will niemandem etwas vorschreiben", sagt Annelise Krause. Hajo Plume, 53, der selbst seit 30 Jahren beim ETV als Trainer aktiv ist und jetzt die "Morgenfrauen" betreut, staunt über ihre "unglaubliche Fitness". Nur dass sie keine Pirouetten mehr drehe, das finde er schade. Lore Keil winkt lachend ab. Ihre Vergangenheit als Eistänzerin muss sie nun wirklich nicht noch aufwärmen.

Solange es Körper und Geist zulassen, will sie ihre Kurse weitermachen. Das Geld könne sie immer noch gut gebrauchen, bei der kleinen Rente. Aber vor allem mache ihr es immer noch Spaß. Und das sieht man ihr an.