Nach Meinung ihres Managers muss für Anni Friesinger-Postma nach vielen Rückschlägen alles passen, damit sie über 1000 Meter eine Medaille holt.

Vancouver. Klaus Kärcher ist ein fröhlicher Mensch, er lacht gern, und was seine Freunde besonders an ihm schätzen, ist, dass er es selbst in scheinbar ausweglosen Situationen versteht, Optimismus zu verbreiten. Nach seiner Ankunft in Vancouver am späten Dienstagabend schlug der Manager der Eisschnellläuferin Anni Friesinger-Postma jedoch überraschend vorsichtige Töne an. "Es muss schon alles passen, wirklich alles", sagt Kärcher, "dass die Anni diesmal eine Medaille holt." Als ultimative Gewinnwarnung will er seine Worte nicht verstanden wissen, "doch wir sollten realistisch bleiben. Bei dem, was die Anni in dieser Saison durchgemacht hat, ist es fast ein Wunder, dass sie in Vancouver überhaupt antreten kann."

Nach zwei Knieoperationen seit 2008, Bänder- und Knöchelverletzungen und dazu einer Infektion mit dem Schweinegrippe-Virus im Dezember steht die 33-Jährige bei ihrer vierten und letzten Olympiateilnahme immer noch auf wackeligen Kufen. Am heutigen Donnerstag (22 Uhr MEZ) tritt sie über 1000 Meter das erste Mal in Vancouver an die Startlinie, drei Tage später will sie die 1500 Meter angehen. "Manchmal zwickt das Knie noch, aber wenn das Gelenk warm ist, läuft es ganz gut, manchmal schon sehr gut", sagt Friesinger. Zuletzt rannte sie im Training ansprechende Zeiten, nur die ersten Meter, wenn sie sich kraftvoll vom Eis abstoßen muss, bereiten ihr weiter Sorgen. Auf die extreme Belastung reagiert das Knie gereizt.

Das Lachen ist ihr in Vancouver bislang dennoch nicht vergangen, sie wirkt unbeschwert, nicht wie jemand, der eine große Last mit sich herumschleppt. "Ich habe keinen Druck, ich akzeptiere jedes Ergebnis", sagt sie heute. Vor ein paar Wochen klang das anders. Da sprach sie vom Olympiasieg. Es wäre der dritte der 16-maligen Weltmeisterin. In dieser Weltcupsaison aber war ein fünfter Rang ihre bislang beste Platzierung. "Das ist kein Gradmesser", sagt ihr Trainer Gianni Romme, "Anni hat immer wieder gesundheitliche Rückschläge wegstecken müssen. Wir haben nie über einen längeren Zeitraum kontinuierlich arbeiten können. Erst kurz vor Vancouver haben wir einen Formaufbau hinbekommen. Was für sie spricht, ist ihre Erfahrung. Mit der kann sie vieles kompensieren."

Anni Friesinger hat sich jetzt Stephanie Beckert zum Vorbild genommen. Wie die 21-Jährige über die 3000 Meter zur Silbermedaille gestürmt sei, mit der schnellsten letzten Runde aller Läuferinnen, das habe ihr schon imponiert. "Sie hat gekämpft bis zum letzten Meter, das war ein Signal an die ganze Mannschaft." Ihre Lockerheit verliert Friesinger derzeit nur, wenn das Gespräch auf das Thema Claudia Pechstein kommt. Dass die wegen Dopings gesperrte fünfmalige Olympiasiegerin, die unablässig ihre Unschuld beteuert, weiter um ihr Startrecht für Vancouver kämpft, will sie nicht kommentieren. Was sie darüber denkt, ist ihr anzusehen.

Vor der Fahrt in sein Hotel hat Klaus Kärcher am Dienstagabend auf dem Flughafen in Vancouver noch einmal zu seinem Handy gegriffen und die Nummer von Ids Postma gewählt. "Anni braucht jetzt jede Unterstützung, du musst unbedingt herkommen", hat der Manager dem Ehemann seiner Klientin gesagt. Postma, der ehemalige niederländische Eisschnelllauf-Olympiasieger über 1000 Meter, hat die Botschaft verstanden. Entgegen seinen ursprünglichen Planungen wird er nun doch nach Kanada fliegen. "Das wird der Anni zusätzliche Motivation geben, wenn sie plötzlich ihren Ehemann auf der Tribüne entdeckt", sagt Kärcher und lacht. Wieder einmal ist ihm ein überraschender Coup geglückt.