Pfiffe für Michael Rasmussen, den Träger des Gelben Trikots. Auch der Italiener Moreni positiv getestet.

Aubisque. Polizei-Razzien, Rückzug ganzer Mannschaften, Sitzstreik der Fahrer und nur ein Thema: Doping. Die 94. Tour de France wandelt mit dem tiefen Fall von Alexander Winokurow und seinem Team Astana sowie dem neuen Betrugsskandal um den Italiener Cristian Moreni - die Polizei führte den Cofidis-Fahrer gestern nach seiner Ankunft am Ziel der 16. Etappe in den Pyrenäen ab - auf den Spuren der Skandal-Tour von 1998 und legt offen: Die Hauptdarsteller haben kaum etwas gelernt.

"Der Radsport ist am Ende. Es muss etwas Neues kommen", sagte Tour-Legende Eddy Merckx. Hans-Michael Holczer, Manager des Teams Gerolsteiner, flüchtete sich in Sarkasmus: "Gestern habe ich gesagt, wir stehen am Abgrund. Heute sind wir einen Schritt weiter."

Nur einen Tag nach Bekanntgabe des positiven Tests von Winokurow wurde mit Moreni der zweite Doping-Fall der Tour bekannt. Nach der 11. Etappe am vergangenen Donnerstag wurden in seinem Urin Testosteronspuren entdeckt. Cofidis-Teamchef Eric Boyer sagte, Moreni habe sein Vergehen eingeräumt und verzichte auf die B-Probe. Am Abend zog nach Astana auch Cofidis seine Fahrer von der Tour zurück.

In Deutschland werden die Stimmen für einen Abbruch der Frankreich-Rundfahrt sowie eine Absage der Deutschland-Tour und der Radsport-WM in Stuttgart immer lauter (siehe auch Text unten). "Der Radsport ist zu retten, wenn er bereit ist, sehr einschneidende Maßnahmen ohne Tabu zu ergreifen", sagte Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Auch die Radsportnation Frankreich wurde vom Katzenjammer angesteckt. Als der Däne Michael Rasmussen, selbst im Fokus der Doping-Vorwürfe, zur letzten Pyrenäen-Etappe startete, wurde er vom Publikum ausgepfiffen. Das hinderte ihn aber nicht, die Etappe vor Levi Leipheimer zu gewinnen.

Auch durch das Fahrer-Feld geht ein tiefer Riss. Die Profis jener acht Mannschaften, die sich zur "Bewegung für einen sauberen Radsport" vereint haben und zu denen auch die beiden deutschen Teams zählen, starteten erst mit mehreren Minuten Verzögerung hinter der Gruppe um Rasmussen und seinem ebenfalls unter Doping-Verdacht stehenden Rivalen Contador vom Team Discovery Channel.

Tour-Direktor Christian Prudhomme hat es vorerst bei einem glühenden Plädoyer für eine "ethische Revolution" bewenden lassen. Mut zu harten Entscheidungen hat der neue Tour-Chef bisher vermissen lassen. Trotz drohender Regress-Ansprüche hätte er die leidige Geschichte Rasmussen mit einem Rausschmiss beenden können.

Zu den Verlierern der Tour gehört Andreas Klöden, der die Tour gewinnen und wieder aufs Treppchen in Paris kommen wollte. Doch am Dienstag konnte er erst als letzter Astana-Fahrer das von 30 Polizisten umstellte Hotel in Pau verlassen. Das Haus wurde bis in den letzten Winkel durchsucht. Sogar in den Mülltonnen suchten die Beamten nach Spuren. Nach mehreren Stunden, in dessen Verlauf unter anderem Team-Chef Marc Biver und Klöden befragt wurden, zog die Polizei wieder ab.

Klöden ist vom Rückzug seines Teams tief enttäuscht. "Ich sitze jetzt zu Hause, muss den Rest der Tour vor dem Fernseher verfolgen und verstehe ehrlich gesagt die Welt nicht mehr", schrieb der 32-Jährige auf seiner Webseite. "Mit einem Schlag soll meine ganze Arbeit und Vorbereitung in dieser Saison für die Katz gewesen sein." Zu dem Doping-Fall Winokurow wollte er keine Stellung nehmen.