Die Prügelei nach dem 1:0-Sieg gegen die Schweiz hat für die Cracks von Trainer Krupp ein Nachspiel. Im Halbfinale pausiert Torwart Endras.

Mannheim/Köln. Nach der Massenschlägerei im Anschluss an das 1:0 im WM-Viertelfinale gegen die Schweiz droht der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft noch eine Strafe durch den Weltverband IIHF. Die Schiedsrichter Tom Laaksonen (Finnland) und Thomas Sterns (USA) sprachen nach der Schlusssirene insgesamt 92 Strafminuten aus. Der Schweizer Verteidiger Timo Helbling erhielt eine Matchstrafe.

Auf deutscher Seite bekam Blueliner Korbinian Holzer wegen übertriebener Härte eine zehnminütige Disziplinarstrafe. Nach IIHF-Angaben wurde auch gegen den deutschen Co-Trainer Ernst Höfner eine Matchstrafe verhängt. Der Assistent von Bundestrainer Uwe Krupp hatte sich von der Bank aus eine Rauferei mit Helbling geliefert. Im Spielbericht ist eine Teamstrafe gegen die DEB-Auswahl eingetragen.

Der Disziplinar-Ausschuss des Weltverbandes befand in einer Sitzung am Freitagnachmittag über mögliche Sperren für das Halbfinale zwischen Deutschland und Titelverteidiger Russland (Sonnabend, im liveticker bei abendblatt.de).

„Die Schweizer haben ihren Frust rausgelassen. Da ist alles etwas außer Kontrolle geraten“, sagte Verteidiger Justin Krueger. Der Schweizer Coach Sean Simpson meinte: „Eishockey ist eben pure Emotion. Da kommt so was vor.“

Unterdessen hat Bundestrainer Uwe Krupp für Nationaltorhüter Dennis Endras im Halbfinale gegen Russland eine Pause angedeutet. „Wir haben jetzt noch zwei Spiele. Da gibt es die Überlegung, ob wir ihm einen Tag Pause geben. Dennis hat jetzt zwei Spiele in drei Tagen gemacht“, sagte Krupp am Freitag nach der Rückkehr aus Mannheim in Köln.

Endras war gegen die Schweiz mit einer überragenden Leistung Sieggarant und wurde zum besten Spieler seines Teams gewählt. Laut Krupp sei die endgültige Entscheidung jedoch noch nicht gefallen. Erste Alternative zu Endras wäre Russland-Legionär Dimitrij Kotschnew von Spartak Moskau. Kotschnew stand bereits beim knappen 2:3 gegen den Titelverteidiger in der Zwischenrunde am vorigen Sonnabend im Tor und hatte überzeugt.

Endras hatte am Donnerstag nach dem Sieg gegen die Schweiz fest mit einem Einsatz auch im Halbfinale gerechnet. „Es gibt eigentlich keinen Grund zu wechseln“, hatte Endras gesagt. Der Keeper der Augsburger Panther absolvierte fünf der bislang sieben WM-Spiele. Beim 0:1 gegen Finnland in der Vorrunde hatte Berlins Rob Zepp das Tor gehütet.

Nach dem Halbfinale wartet am Sonntag auf jeden Fall noch ein weiterer Einsatz: entweder das Finale um 20.30 Uhr gegen den Gewinner des anderen Halbfinals Schweden gegen Tschechien oder das Spiel um die Bronze-Medaille um 16.15 Uhr.

Wie auch immer die WM für die DHB-Auswahl zu Ende geht, in die deutschen Eishockey-Geschichtsbücher haben sich die Spieler von Uwe Krupp durch den Erfolg gegen die Schweiz längst eingeschrieben. „Wir sind unheimlich stolz, Geschichte geschrieben zu haben“, sagte Verteidiger Christian Ehrhoff angesichts der ersten deutschen Halbfinal-Teilnahme seit 57 Jahren. „Es ist unfassbar“, sagte Routinier Sven Felski: „Du denkst immer, die Saison ist nach dem nächsten Spiel zu Ende. Aber es passiert nicht, es geht immer weiter - Wahnsinn.“

„Wir haben jetzt zwei Chancen auf eine Medaille“, sagte DEB-Sportdirektor Franz Reindl, der als Spieler 1976 bei Olympia in Innsbruck Bronze gewonnen hatte - das einzige Edelmetall für deutsche Eishockey-Spieler seit dem WM-Silber 1953. „Wenn ich jetzt sage, dieser Erfolg ist höher einzuschätzen als Bronze in Innsbruck, bekomme ich Ärger mit meinen 76er-Kollegen“, sagte Reindl, ließ aber keinen Zweifel daran, dass er genau das meinte.

Den historischen Moment genoss auch Bundestrainer Krupp. Gelöst und mit einem Lächeln auf den Lippen - der einzige deutsche Stanley-Cup-Sieger wirkte wie von einer Zentnerlast befreit. „Es ist ein ganz besonderer Moment“, sagte der 44-Jährige, der nach dem WM-Debakel vor einem Jahr noch viel Kritik hatte einstecken müssen, „wir haben so lange so hart gearbeitet, jetzt sind wir belohnt worden.“

Bilanz ziehen wollte Krupp jedoch noch nicht. „Das Turnier ist noch nicht vorbei“, sagte er, gab aber schon mal eine Tendenz vor: „Von Wundern oder Märchen will ich nichts hören. Die Mannschaft hat die Ärmel hochgekrempelt und hart gearbeitet.“ Was sie in diesen WM-Tagen geleistet habe, werde ihr erst in der Rückschau richtig bewusst: „Wenn alles vorbei ist und die Spieler in der Sonne durchatmen, werden sie erkennen, was das für ein besonderer Moment ihrer Karriere war.“

Dann werden sie auch einen stattlichen Bonus auf ihrem Konto haben, denn der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) will nicht knausern. „Wir hatten Prämien für den Sprung unter die ersten Vier ausgemacht, aber das war eigentlich nicht ganz ernst gemeint“, sagte Reindl und schmunzelte: „Jetzt zahlen wir natürlich auch.“ Von 15.000 bis 20.000 Euro pro Kopf ist die Rede.

Es ist der Lohn für den „größten Erfolg, den das deutsche Eishockey jemals erlebt hat“, wie es DEB-Präsident Uwe Harnos formulierte. Weder Olympia 1976, als die Topnationen Kanada und Schweden fehlten, noch die WM 1953, als nur vier Mannschaften antraten und die Tschechoslowakei nach dem Tod des Staatspräsidenten Klement Gottwald abreiste, seien damit vergleichbar.

„Es ist wie ein Drehbuch“, sagte Harnos: „Es hat mit Schalke und dem Weltrekord angefangen und ist mit jedem Spiel ein Stück weiter nach oben gegangen.“ Der DEB-Chef verspürte nach schwierigen Zeiten mit dem Wirbel um die verweigerte Dopingprobe von Florian Busch und dem Absturz bei der WM vor einem Jahr Genugtuung: „Es fällt Ballast runter nach all dem, was wir auf die Fresse gekriegt haben, nach dem Desaster von Bern - unglaublich.“