Im Herbst beginnt dieZeit der Fernreisen. Wie viel können Eltern ihrem Nachwuchs zumuten?

Hamburg. Abendblatt: Sind Eltern, die mit ihren oft noch sehr kleinen Kindern zum Vergnügen in die Tropen reisen, eigentlich egoistisch? Dort herrscht doch meistens feuchte Hitze, Durchfall droht, rasche medizinische Versorgung im Notfall ist nur selten gewährleistet.

Dr. Stefan Renz: Egoismus ist ein schlechter Reisebegleiter. In einer Gruppe muss man auf das schwächste Glied, also das Kind, Rücksicht nehmen. Vor einer Reise in die Tropen sollten sich die Eltern überlegen, ob sie eventuell auftretende Probleme wie Brechdurchfall, schlecht heilende Verletzungen und Hitzekollaps auch ohne den Kinderarzt um die Ecke in den Griff bekommen. Impfungen und Malaria-Prophylaxe wollen sorgfältig geplant sein.

Abendblatt: Was halten Sie von der Meinung, mit Säuglingen die Ferien lieber in gemäßigten Breiten zu verbringen?

Dr. Renz: Das hängt von den Eltern und dem Kind ab: Wenn die Eltern tropenerfahren sind und das Kind voll gestillt wird, kann das eine tolle Reise sein, ohne großes Risiko des Kindes, an Durchfall zu erkranken. Sind aber die Eltern das erste Mal in den Tropen und das Kind fasst alles an, trinkt vielleicht auch von dem Badewasser, dann ist der Brechdurchfall programmiert und die Reise steht sicherlich nicht unter einem guten Stern.

Abendblatt: Wie vertragen Kleinkinder die notwendigen Impfungen und eine eventuell erforderliche Malaria-Vorbeugung?

Dr. Renz : Die beste Malaria-Vorbeugung ist vom ersten Lebenstag an verfügbar: ein Moskito-Netz, das sowieso auf keiner Tropenreise fehlen sollte. Die Impfungen sind gut verträglich, zum Teil aber erst ab dem ersten Geburtstag zugelassen, etwa gegen Hepatitis A. Eine medikamentöse Malariaprophylaxe ist ab einem Körpergewicht von elf Kilogramm möglich, also in der Regel ab einem Jahr.

Abendblatt: Haben Kinder beim Fliegen größere Probleme als Erwachsene, zum Beispiel bei Turbulenzen und beim Druckausgleich bei Start und Landung?

Dr. Renz: Nein. Ich empfehle, bei Start und Landung den Kleinkindern etwas zu trinken anzubieten, damit der Druckausgleich in den Ohren stattfinden kann. Sonst kann es zu äußerst schmerzhaftem Überdruck kommen. Das heißt auch, dass bei einer akuten Mittelohr- oder Nebenhöhlenentzündung von einer Flugreise Abstand genommen werden sollte. Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr während des Fluges ist bei langen Strecken zu achten. Und: keine Medikamente zur Beruhigung!

Abendblatt: Ab welchem Alter haben Ihrer Meinung nach auch Kinder etwas davon, unter Palmen zu schaukeln, über exotische Märkte zu bummeln oder auf Pagoden und Tempel zu schauen?

Dr. Renz: Es gibt keine allgemeingültige Regel. Die meisten Kinder finden die Tauben oder Kaninchen vor dem Zoo spannender als die Löwen und Tiger darin. Man kann nach meiner Erfahrung Kinder ab drei bis vier Jahren für fremde Länder begeistern, für Safaris und den Umgang mit wilden Tieren sollten sie aber mindestens fünf bis sechs Jahre alt sein, sonst hat keiner in der Familie etwas von der Reise.