Die Liebesbeziehung des bisherigen CDU-Spitzenkandidaten zu einer 16-Jährigen erschüttert die Partei und beschäftigt die Bürger.

Ahrensburg. Das "Herbstspektakel" der CDU Schleswig-Holstein im Wildpark Eekholt hat Tradition. Am 18. September trifft dort die Parteiprominenz auf das Wahlvolk - begleitet von Hüpfburg, Abenteuerspielen und Glücksrad. Doch das echte Herbstspektakel findet schon in diesen Tagen statt, und das Glücksrad wird dabei schmerzlich vermisst. Der Rücktritt des Spitzenkandidaten und Landesvorsitzenden Christian von Boetticher erschüttert die Partei in den Grundfesten.

Auch in Stormarn. "Wir kommen einfach nicht zur Ruhe", sagt Uwe Tillmann-Mumm, Trittaus Amtsvorsteher. "Was da jetzt in Kiel passiert, wird uns an der Basis um die Ohren gehauen", ahnt der Christdemokrat. Und Horst Kummereincke, Bargteheides Bürgervorsteher, findet: "Seit der Barschel-Affäre geht das nun schon so, dass wir uns immer wieder selbst ein Bein stellen."

Trotz der Probleme, die der Rücktritt aufwirft, sind sich die Stormarner Christdemokraten einig darin, dass von Boettichers Schritt unvermeidlich war - nach dem Eingeständnis des 40-Jährigen, eine Liebesbeziehung zu einer 16-Jährigen unterhalten zu haben. Die Begründungen fallen allerdings unterschiedlich aus. Zwei Argumentationslinien sind erkennbar. Die einen finden, dass Politiker in besonderer Weise den eigenen moralischen Ansprüchen genügen müssen. "Wenn wir sagen, dass wir der Saubermann sind, dann müssen wir uns auch sauber verhalten", fasst es Renate Tangermann zusammen, die Ortsvorsitzende in Ahrensburg.

Andere glauben, dass die öffentliche Meinung im Fall Boetticher ein zu enges Moralkorsett schnürt. Das führe dazu, dass die CDU mit diesem Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl im Mai chancenlos gewesen wäre. Der Reinbeker Kreistagsabgeordnete Hans-Helmut Enk: "Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung die Toleranz hat, ein solches Verhalten zu akzeptieren." Noch deutlicher wird sein Kollege Bernd Freytag. Der Hoisdorfer sagt: "Ich finde es ärgerlich und peinlich, dass man jetzt das Privatleben von Christian von Boetticher so nach vorn zieht. Wir sind in Deutschland nicht tolerant genug."

Bundestagsabgeordneter empfiehlt Rücktritt vom Fraktionsvorsitz

Norbert Brackmann, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Stormarn/Lauenburg, findet den Rücktritt "konsequent und richtig". "Christian von Boetticher hat eine sehr konservative Haltung an den Tag gelegt und propagiert", so Brackmann. "Sein privates Verhalten passt nicht dazu." Er ist der Ansicht, dass der Politiker auch als CDU-Fraktionsvorsitzender im Kieler Landtag nicht zu halten ist. "Ich empfehle ihm, von diesem Posten zurückzutreten und sich vorübergehend aus der Landespolitik zu verabschieden." Brackmann meint, in der öffentlichen Debatte um den gescheiterten Spitzenkandidaten auch einige falsche Töne wahrgenommen zu haben. "Wenn diejenigen, die jetzt ihre Moralvorstellungen durch von Boetticher verletzt sehen, diese Vorstellungen selbst vorleben würden, dann wäre die Debatte okay."

Das "Herbstspektakel" geht derweil weiter - Ende offen. Ein für Donnerstag in Ahrensburg geplantes Treffen zwischen CDU-Landesvorstand und Stormarner Funktionären wurde schon mal abgesagt.

Idriz Ajvazi, 32, Ahrensburg: "Herrn von Boettichers Rücktritt war in jeder Hinsicht absolut notwendig. Politiker haben eine Vorbildfunktion, da gehört sich so ein Verhalten einfach nicht."

Uwe Tillmann-Mumm, 59, CDU-Ortsvorsitzender in Großensee: "Dass so eine Beziehung in der heutigen Zeit rauskommt, ist doch klar. Boetticher hätte die Partei warnen müssen."

Daniel Biedermann, 33, Bad Oldesloe: "Insbesondere als Politiker darf man sich solch einen Fehltritt nicht erlauben, deswegen ist der Rücktritt nur konsequent und gut."

Christian Kuch, 41, Bad Oldesloe: "Die CDU gibt sich immer nach außen konservativ, vertritt christliche Werte. Die Parteimitglieder halten sich selbst offenbar nicht daran."

Rolf Budde, 67, CDU-Fraktionschef in Glinde: "Ein Mensch, der promoviert hat, muss so viel Grips im Kopf haben, dass er weiß, dass das moralisch nicht in Ordnung ist."

Renate Tangermann, 71, CDU-Vorsitzende in Ahrensburg: "Ich bin da konservativ. Mich stört der große Altersunterschied. So etwas macht man nicht."

Bernd Freytag, 62, CDU-Kreistagsabgeordneter: "Ärgerlich und peinlich finde ich, dass man Boettichers Privatleben so nach vorn zieht. Wir sind in Deutschland nicht tolerant genug."

Maren Kohn, 40, Willinghusen: "Eine 16-Jährige ist für einen 40-Jährigen doch keine Partnerin auf Augenhöhe. Einen Mann, der so tickt, möchte ich in keinem politischen Amt sehen."

Michael Barsol, 71, Escheburg : "Es gibt Männer, die junge Frauen anziehend finden. Wäre Christian von Boettichers Ex-Freundin 18 oder 20 Jahre alt gewesen, hätte das kaum gestört."

Tobias Lichtenfeld, 40, Ahrensburg: "Man sollte Privates und Politik nicht vermischen. Allerdings sind solche Vorfälle schon sehr befremdlich. Der Rücktritt ist Entscheidung der Partei."

Evelin Ziegler, 62, Ahrensburg: "Als öffentliche Person sollte Boetticher diese Konsequenz ziehen. Ich bin selbst Mutter und finde solche Liebes-Beziehungen sehr fragwürdig."

Eckehard Stehn, 63, Lübeck: "Wenn ein 40-Jähriger die Unerfahrenheit eines jungen Mädchens ausnutzt, ist das würdelos. Ich hätte ihn nicht mehr gewählt. Der Rücktritt war nötig."