Auch nach dem plötzlichen Rückzug von Christian von Boetticher glauben die CDU-Mitglieder aus dem Kreis Segeberg an den Wahlsieg 2012.

Kreis Segeberg. 2004 wurde Peter Harry Carstensen in der Norderstedter "TriBühne" zum Spitzenkandidaten der CDU gewählt. "Damals hat niemand einen Pfifferling auf mich gegeben, und dann haben wir die Landtagswahl gewonnen", sagte der Ministerpräsident am 7. Mai, ebenfalls in der "TriBühne", wo mit Christian von Boetticher der Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl 2012 gewählt wurde. Als "ein gute Omen" empfand Carstensen die Wahl an diesem Ort. Jetzt sind seine Träume geplatzt: Nach dem Sturz von Boettichers blicken die meisten maßgeblichen CDU-Funktionäre auf einen anderen Mann: Landeswirtschaftsminister Jost de Jager ist für die meisten Favorit als Parteivorsitzender und Spitzenkandidat.

Der CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Gero Storjohann ist "maßlos darüber enttäuscht", dass Christian von Boetticher die schleswig-holsteinische CDU in diese Situation gebracht hat. Er blickt aber, genau wie die meisten seiner Parteifreunde aus dem Kreis Segeberg nach vorne: Die CDU habe in den neun Monaten bis zur Landtagswahl noch alle Chancen, sich gut aufzustellen. "Unter Einbindung der Kreis- und Ortsverbände sind wir gut davor", sagte Storjohann. Sein Favorit für die Nachfolge als Spitzenkandidat und Parteivorsitzender ist Jost de Jager. "Ich habe mit ihm während meiner Zeit als Landtagsabgeordneter viel gemeinsam gemacht und in verschiedenen Gremien gut zusammengearbeitet."

Jost de Jager ist auch Favorit der für Norderstedt zuständigen CDU-Landtagsabgeordneten Katja Rathje-Hoffmann: "Er hat alle Eigenschaften, die wir brauchen." Die Gesamtsituation bewertet sie als "nicht optimal", es bleibe jedoch "allemal" genug Zeit, um den neuen Kandidaten bekannt zu machen. "Es wird nicht einfach für uns Abgeordnete", glaubt die Politikerin aus Nahe.

Der Norderstedter CDU-Pressesprecher Uwe Mathes schlägt einen anderen Politiker als Spitzenkandidaten vor: Peter Harry Carstensen. "Das wäre die Nummer, ich traue es ihm zu." Im Übrigen ist Mathes erschüttert, dass Politiker und andere Menschen in öffentlichen Ämtern ihre Vorbildfunktion immer weniger erfüllten.

Michael Meschede, Vorsitzender der CDU in Henstedt-Ulzburg hält den Rücktritt von Boettichers für konsequent und richtig. "Besser jetzt als zwei Monate vor der Wahl." Jost de Jager hält er für einen guten Kandidaten - aber: "Ich würde mich freuen, wenn Volker Dornquast es macht." Dornquast, ehemaliger Bürgermeister Henstedt-Ulzburgs, ist jetzt Staatssekretär im Kieler Innenministerium. Er bewirbt sich um eine Landtagskandidatur im Wahlkreis Segeberg-West. Manfred Ritzek aus Norderstedt, ehemaliger CDU-Landtagsabgeordneter, hätte Christian von Boetticher das Glück privat gegönnt. "Er hätte aber wissen müssen, dass es für die Allgemeinheit schwer zu vertreten ist." Die CDU-Chancen sieht er nicht geschmälert: "Die Zeit ist so schnelllebig, bis zur Wahl passiert noch viel."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Rolf Koschorrek aus Bad Bramstedt könnte sich auch eine Teamlösung vorstellen. "Die Parteistruktur ist gesund, wir müssen die Kräfte bündeln und nach vorne sehen." Claus-Peter Dieck, CDU-Fraktionschef im Kreistag, warnt davor, einen neuen Kandidaten "aus dem Hut zu zaubern". Die Frage sei doch, wen die Parteibasis nehmen würde.

Der SPD-Kreisvorsitzende und scheidende Landtagsabgeordnete Andreas Beran empfindet die Situation von Boettichers als "hoch tragisch". Es sei eine private Angelegenheit, "aber ein Politiker, der etwas vor sich hat, muss erkennen, dass auch moralische Fragen eine Rolle spielen". In der schleswig-holsteinischen Politik gibt es seiner Ansicht nach aber zurückliegende Dinge, die entscheidender seien als der Rücktritt von Boettichers.

Zum Rücktritt des CDU-Landesvorsitzenden erklärt der Vorsitzende der schleswig-holsteinischen Liberalen, Jürgen Koppelin, Bundestagsabgeordneter aus Bad Bramstedt: "Christian von Boetticher hat eine Entscheidung getroffen, die ich mit Respekt zur Kenntnis nehme. Ich danke dem scheidenden CDU-Landesvorsitzenden für die gute und stets faire Zusammenarbeit."