Rücktritt auch als Fraktionschef - Nord-CDU setzt nach Teenager-Affäre auf Minister de Jager

Hamburg/Kiel. Gut zwölf Stunden nach seinem Rücktritt als CDU-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat sitzt Christian von Boetticher in seinem schmucken Eckbüro im Kieler Landeshaus. Fragen zu seiner Liebesaffäre mit dem Teenager 2010 lässt der CDU-Fraktionschef abbügeln. "Er braucht seine Zeit, um sich selbst zu finden", sagt Sprecher Dirk Hundertmark. Um 17.10 Uhr zieht von Boetticher die Reißleine, legt auch den Vorsitz der Landtagsfraktion nieder, sein letztes Spitzenamt in der Nord-CDU.

Mit seinem Rücktritt wolle er weiteren Schaden von "meinem Umfeld, von meiner Fraktion und von meiner Person abwenden", teilte von Boetticher am Abend mit. Im Laufe des Tages hatten immer mehr CDU-Abgeordnete deutlich gemacht, dass sie von Boetticher die Affäre mit einem erst 16 Jahre alten Mädchen nicht durchgehen lassen und ihn auf einer Krisensitzung heute zum Rückzug zwingen wollten. Seine Teilnahme an dieser Krisenrunde sagte von Boetticher ab. "Die öffentliche Jagd auf mich und mein privates Umfeld haben ein Ausmaß angenommen, das mir keine andere Wahl lässt." Von Boetticher muss nun nicht nur auf Einfluss in der Partei verzichten, sondern auch auf Geld. Rund 12 000 Euro im Monat hat er als Fraktionschef verdient. Ein gewöhnlicher Abgeordneter im Landtag erhält 7000 Euro. Sein Mandat will er "aus Verantwortung für die bürgerliche Koalition" weiter ausüben. Eine Regierungskrise ist vorerst abgewendet, weil die Koalition so ihre Einstimmenmehrheit im Landtag behält.

Einen neuen Fraktionschef wird die CDU wohl erst am kommenden Dienstag wählen. Als Favorit gilt Hans-Jörn Arp. Der Gastwirt leitet den CDU-Kreisverband Steinburg, ist Schatzmeister der Landespartei und nicht zuletzt Mittelstandsbeauftragter im Ressort von Wirtschaftsminister Jost de Jager, dem neuen starken Mann in der Nord-CDU. De Jager hielt sich gestern öffentlich bedeckt, ließ intern aber durchblicken, dass er den Landesvorsitz übernehmen und die Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahl im Mai 2012 führen würde. Erste Details will der Landesvorstand heute Abend festlegen. Im Gespräch ist, den neuen Landeschef auf einem Sonderparteitag Ende September zu wählen und vorab mehrere Regionalkonferenzen einzuberufen, um den Frust der Basis über das Chaos in Kiel aufzufangen. "Der Schock in der CDU sitzt tief", sagte Vizeparteichefin Angelika Volquartz.

Der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Ole Schröder, bedauerte den Rücktritt von Boettichers als Spitzenkandidat. Es handele sich um eine "höchst private Angelegenheit, die längst beendet ist", sagte Schröder dem Abendblatt. "Umso mehr habe ich Respekt davor, dass er seine persönlichen Ambitionen zugunsten der CDU zurückstellt." Der Pinneberger Bundestagsabgeordnete ist ein enger Freund von Boettichers.

Freunde hat der Spitzenpolitiker auch im Internet - und Feinde. "Wir wollen Christian von Boetticher zurück" heißt eine Seite im sozialen Netzwerk Facebook, "Gegen die Jagd auf Christian von Boetticher" die andere. Über Facebook hatte der Politiker das Mädchen aus dem Raum Köln im Herbst 2009 kennen- und im Frühjahr 2010 lieben gelernt. Monate später beendete von Boetticher die Beziehung, über die am Wochenende "Bild am Sonntag" und andere berichteten.