Der Prozess um ein Mordkomplott in dem mittlerweile abgebrannten Jorker Lokal wird womöglich neu aufgerollt. Opfer unter Verdacht.

Jork. Zwei denkmalgeschützte Altländer Gasthäuser in Schutt und Asche, ein versuchter Mord und das Opfer, das nun im Verdacht steht, ein Brandstifter zu sein. Genug Zündstoff, an dem sich der mysteriöse Herbstprinz-Krimi immer wieder entfacht.

In diesen Tagen hat das Landgericht Stade in der Sache des versuchten Mordes zu prüfen, ob die Revisionsanträge von sieben Anwälten form- und fristgerecht gestellt wurden. Dann muss der Bundesgerichtshof entscheiden, ob in den Urteilen, die Stader Richter gegen die sechs Tatbeteiligten fällten, Rechtsfehler zu finden sind. In diesem Falle müsste der Prozess ganz oder teilweise mit einer neuen Schwurgerichtskammer neu aufgerollt werden. Aus diesem Anlass hat das Abendblatt eine Übersicht der Geschehnisse zusammengestellt.

+++ "Herbstprinz"-Brand: Pächter unter Verdacht +++

Das Mordkomplott

Das Hamburger Gastronomenpaar Andreas S., heute 53, und Sandra T., heute 36, hatte im Jahr 2005 das Jorker Traditionslokal Herbstprinz erworben. Sandra T. vollzog als Strohfrau den Kauf und verpachtete das Lokal an die Firma ihres Lebensgefährten, "Marina Catering", die fortan "gaststättenrechtliche Konzessionsträgerin" des Restaurants war. Rund 100 000 Euro habe er in das 300 Jahre alte Reetdachhaus investiert, so Andreas S., der mit Sandra T. und der gemeinsamen Tochter in Jork lebte. Als Geschäftsführer seiner Firma fungierte Marc W., der im Herbstprinz als Koch gemeinsam mit Sandra T. wirtschaftete. Der damals 31-Jährige und die Wirtin wurden ein heimliches Liebespaar und hatten bald eigene Pläne mit dem Restaurant. Sie sollen laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vier Männer vom Hamburger Kiez angeheuert haben, die für 5000 Euro Andreas S. aus dem Weg räumen sollten. 1500 Euro sollen angezahlt worden sein. Das Opfer des Komplotts wurde heimtückisch im Schlaf mit Messerstichen attackiert und überlebte nur durch Zufall.

Der Prozess

Staatsanwältin Nina Reinicker gelang es nicht, die Beweiskette lückenlos zu schließen. Am Ende des Prozesses verurteilte die Stader Schwurgerichtskammer den Koch zu sechs Jahren Haft. Als Mittäterin, die letztlich die "finale Zustimmung" für den Überfall auf ihren Ex-Partner gegeben habe, wurde Sandra T. zu einem Jahr und drei Monaten Haft zur Bewährung verurteilt. Drei der vier angeheuerten Männer vom Hamburger Kiez wurden ebenfalls wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu milden Bewährungsstrafen zwischen neun und 15 Monaten verurteilt. Einer muss für ein Jahr und neun Monate ins Gefängnis, weil er für den Überfall die Mittäter rekrutiert hatte. Ausschlaggebend waren seine erheblichen Vorstrafen und dass er laut dem Richter zweifacher "Bewährungsversager" ist. Obwohl einige Anwälte das Urteil als fair bezeichneten, kündigten die Verteidiger von Sandra T. und Marc W. Revision an. Der Anwalt des Kochs hält den Vorwurf des versuchten Mordes nach der Beweislage für nicht haltbar, lediglich schwere Körperverletzung sei ihm anzulasten. Auch Sandra T.s Anwalt Jens Meggers sieht Zeugenaussagen nicht umfassend gewertet, zum Nachteil seiner Mandantin. Martin Krüger, Anwalt des Opfers, sieht die Strafe als ungerechtfertigt milde an, weil sich die Kammer zu sehr an den Aussagen der Täter statt des Opfers orientiert habe.

Die zwei Großfeuer

Ende 2005 kaufte Sandra T. das Herbstprinz-Ensemble in Jork samt Wohnhaus. 2010 ersteigerte sie den wenige Meter entfernt stehenden Altländer Hof für 100 000 Euro, bezahlte den Kaufpreis allerdings nie. Im Mai 2011 wurden Sandra T., ihr Liebhaber - der damalige Herbstprinz-Koch Marc W. - und die vier angeheuerten Mittäter verhaftet. Im Juli 2011 kamen alle Angeklagten für zwei Wochen aus der Untersuchungshaft frei. In dieser Zeit, am 25. Juli, brennt der Altländer Hof - kurz vor der Zwangsversteigerung - komplett nieder. Einen Monat später, am 31. August 2011, meldete die Wirtin Insolvenz an. Zwei Wochen nach der Urteilsverkündung, auf den Tag genau ein Jahr nach dem versuchten Mord an Andreas S., brennt in der Nacht zum 30. März auch der Herbstprinz ab.

Die Folgen der Brände

Sandra T.s Insolvenzverwalter Christian M. Scholz hat nun nur noch Schutt und Asche, die sich kaum zu Geld für die Gläubiger der Pleite-Wirtin machen lassen dürften. Die Gemeinde Jork hat zwischenzeitlich einstimmig beschlossen, im Bebauungsplan vorzuschreiben, dass die Gebäude wieder in annähernd gleicher Form aufzubauen sind. So wurde ein Riegel vorgeschoben, dass Investoren lukrative Wohnhäuser bauen, die das Ortsbild verändern. Insolvenzverwalter Scholz wollte sich zu diesem Debakel nicht äußern. Nutznießer für den Fall, dass die Versicherungen für die abgebrannten Häuser zahlen würden, wäre die Eigentümerin Sandra T. und somit ihr Insolvenzverwalter.

Die Ermittlungen der Polizei

Während die Polizei beim Altländer Hof zur Brandursache bisher völlig im Dunkeln tappt, ergaben die Ermittlungen im Mai, dass das Traditionslokal Herbstprinz angezündet wurde. Für Hinweise, die zur Ermittlung des oder der Täter führen, setzte die Versicherung eine Belohnung von 25 000 Euro aus. Vor zwei Wochen wurde dann bei Andreas S. das Haus durchsucht, weil er laut Polizei nun im Verdacht steht, gemeinsam mit einem Jorker Feuerwehrmann den Brand gelegt zu haben. Der Verdächtige hingegen sieht sich erneut als Opfer. "Ich habe nur den Schaden", sagt Andreas S. Er hatte das Lokal an zwei Gastronomen unterverpachtet und hätte somit seine wichtigste Einnahmequelle vernichtet.