Zweites Jorker Traditionslokal einer Hamburger Wirtin zerstört - ein Jahr nach Mordanschlag. Einwohner glauben nicht an Zufall.

Hamburg. Feuer und Hass sind der Stoff der neuen Episode einer Krimi-Tragödie im Alten Land, an deren vorläufigem Ende großes Leid steht und alles in Schutt und Asche liegt. Das Traditionslokal Herbstprinz ist abgebrannt, auf den Tag genau ein Jahr, nachdem auf dem Anwesen in Osterjork 76 der Hamburger Gastronom Andreas S. einen Mordanschlag überlebte. Die Stader Richter verurteilten die sechs Angeklagten erst vor zwei Wochen.

Die Menschen in der Altländer Gemeinde sind aufgewühlt, traurig und zornig. Nachdem das denkmalgeschützte Lokal Altländer Hof im vergangenen Sommer aus ungeklärter Ursache abgebrannt ist, wurden nun, in der Nacht zum Freitag, das Traditionslokal Herbstprinz und zwei angrenzende Nebengebäude bei einem Feuer zerstört.

An diesem Tag vor einem Jahr, fast auf die Stunde genau sogar, war auf den ehemaligen Lebenspartner der Eigentümerin beider Traditionslokale, der Bergedorferin Sandra T., 36, ein Mordanschlag verübt worden. Andreas S., das Opfer, überlebte nur mit Glück.

"An Zufall glaubt nach dieser Brandnacht und der Vorgeschichte in Jork niemand mehr", sagte Jorks Bürgermeister und Feuerwehrmann Gerd Hubert am Freitag.

+++ Die Ereignisse um Wirtin Sandra T. +++

Vor zwei Wochen wurde der ehemalige Koch des Restaurants Herbstprinz, Marc Kevin W., der Sandra T.s heimlicher Geliebter war, wegen versuchten Mordes an S. zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nach Überzeugung der Richter soll der Koch mit einem Messer auf den schlafenden Ex-Partner seiner Geliebten eingestochen und ihn schwer verletzt haben. Sandra T., die mit Andreas S. eine Tochter hat, erhielt als Mittäterin von der Stader Schwurgerichtskammer 15 Monate Haft auf Bewährung. Vier vom Koch angeheuerte junge Männer vom Hamburger Kiez wurden als Mittäter wegen versuchter Körperverletzung zu Strafen zwischen neun und 15 Monaten verurteilt. Sie sind auf freiem Fuß, denn die Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt.

Als die sechs Täter im Juli vergangenen Jahres für zwei Wochen aus der Untersuchungshaft entlassen wurden, brannte das Traditionshaus Altländer Hof nieder, nun das Restaurant Herbstprinz in derselben Straße Osterjork.

Eigentümerin beider Häuser samt Nebengebäuden ist Sandra T. Da sie am 31. August 2011 Insolvenz angemeldet hat, liegen inzwischen beide Anwesen der Wirtin mit den abgebrannten Altländer Reetdachhäusern in den Händen des Hamburger Insolvenzverwalters Christian M. Scholz.

Der 52-jährige Andreas S. und die siebenjährige Tochter des Gastronomenpaares lebten in dem Wohnhaus neben dem Herbstprinz. Sie entkamen dem nächtlichen Flammeninferno unverletzt. Der Mann sagt bestürzt: "Wir wurden wach, als durch die Hitze des Feuers die Scheiben unseres Wohnhauses barsten. Ich bin mit meinem Kind, das vor Angst schrie, durch den Funkenflug geflüchtet und froh, dass wir da heil herausgekommen sind. Es ist eine Katastrophe."

Gegen 1.50 Uhr in der Nacht zum Freitag wurden Feuerwehr und Polizei von zufällig vorbeikommenden Autofahrern alarmiert. Die anrückenden Einsatzkräfte fanden das Traditionslokal lichterloh brennend vor. Der Feuerschein war über das Alte Land bis nach Dollern auf der Stader Geest und Blankenese am anderen Elbufer zu sehen.

"Alle sieben Ortsfeuerwehren der Gemeinde Jork waren am Löscheinsatz an dem etwa 15 mal 30 Meter großen Restaurantgebäudes beteiligt", sagt Jorks Ortsbrandmeister Jan Rehder. "Es waren etwa 150 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst am Brandort. Der Atemschutzcontainer des Landkreises Stade musste nachalarmiert werden, damit ausreichend Atemluftflaschen für die Brandbekämpfung zur Verfügung standen."

Trotz des massiven Löscheinsatzes, teilweise unter schwerem Atemschutz und mithilfe der Drehleiter der Feuerwehr aus der Nachbarstadt Buxtehude, habe man das Gebäude nicht halten können, sagt Rehder.

Der starke Wind in der Nacht verursachte erheblichen Funkenflug. "Es gelang uns leider nicht, zwei Nebengebäude, die ebenfalls mit Reet gedeckt waren, vor dem Übergreifen der Flammen zu schützen. Auch sie brannten nieder", sagt der Ortsbrandmeister. Lediglich das angrenzende Wohnhaus, in dem Andreas S. und seine Tochter im Schlaf vom Brand überrascht wurden, konnte geschützt werden. Es ist aber durch Löschwasser und Rauch unbewohnbar geworden. Auch die beiden Pächter Thomas Armbruster und Michael Ploch, die das rund 300 Jahre alte Haus, das früher prominente Gäste wie Udo Jürgens hatte, erst im vergangenen Herbst neu eröffneten, haben nun ihren Arbeitsplatz verloren.

In Jork mischt sich unter die Trauer auch Zorn. Nachbarin Imke Lohmann weint, als sie erzählt, welche Kindheitserinnerungen sie mit dem Herbstprinz verbinden. "Dieses Haus gehörte zu meinem Blick aus dem Fenster, zu meinem Heimweg, und nun ist es zerstört."

Auch Feuerwehrmann Jürgen Haar, dessen Großeltern der Herbstprinz als Obsthof Peters einst gehörte, bevor es zum Restaurant wurde, spricht aus, was die Einsatzkräfte fühlen: "Für uns ist es Ehrensache, bei Tag und Nacht jedes brennende Haus zu löschen. Aber bei diesem Hintergrund sind wir verbittert, weil wir nach dem abgebrannten Altländer Hof an so viel Zufall nicht glauben können."

Die Männer in Einsatzkleidung, mit rußgeschwärzten Gesichtern, sehen müde und erschöpft aus. Die Brandnacht hat ihnen körperliche Höchstleistung beim Löscheinsatz abgefordert. Einer der Kameraden verletzte sich beim Einsatz und musste nach Stade ins Krankenhaus gebracht werden. "Bald ist Blütenfest, wir erwarten Urlauber, und nun sieht es hier so schlimm aus", sagt Haar.

"Was bekommen die Besucher für einen Eindruck von Jork?", fragt Bürgermeister Hubert verbittert. "Laufend negative Schlagzeilen, und wenn man von Hamburg in den Ort fährt, sieht man erst rechts der Straße eine Brandruine und wenige Meter später linker Hand die nächste." Besonders bitter sei, dass diese traditionellen Häuser als ortsprägende Altländer Baudenkmale nun fehlen, sagt Hubert.

Brandexperten der Polizeiinspektion Stade und Polizeibeamte aus Buxtehude haben bereits mit ersten Ermittlungen und Zeugenbefragungen am Brandort begonnen, so Stades Polizeisprecher Rainer Bohmbach. "Mit ersten Ergebnissen zur Brandursache rechnen wir Anfang kommender Woche. Der Schaden wird vorläufig auf rund 600.000 Euro geschätzt", sagt Bohmbach. Zeugen, die Hinweise zum Ausbruch des Feuers geben können oder Beobachtungen gemacht haben, werden gebeten, sich bei der Polizeistation Jork unter der Rufnummer 04162/91 29 70 zu melden.