Mehr als 80 historische Industrieanlagen und Industriemuseen öffnen zwischen dem 19. und 21. August ihre Pforten für Besucher.

Stade/Buxtehude. Wer kann schon von sich behaupten, mal in einer echten, historischen Ziegelei gewesen zu sein? Oder in einem Wasser- und Dieselmotorenkraftwerk? Zwischen dem 19. und 21. August wird das nun möglich. Bei den ersten Tagen der Industriekultur am Wasser in der Metropolregion Hamburg öffnen mehr als 80 historische Industrieanlagen und Industriemuseen ihre Pforten.

"Das sind teilweise Industriedenkmale, teilweise aber auch produzierende Fabriken und Gewerbe", erklärt Margit Bansbach, die für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dieser Veranstaltung für Kulturliebhaber, Technikbegeisterte und Geschichtsinteressierte zuständig ist. "Unter den 80 Teilnehmern sind Denkmale, die mindestens 50 Jahre oder älter sind, und auch Sachen, die man sonst nicht sehen kann." Zum Beispiel das "Klinkerwerk Rusch" in Drochtersen, die letzte, traditionell arbeitende Ziegelei der Region. Südlich der Niederelbe hat es einst mehr als 100 Ziegeleien gegeben, die die für den Landstrich so typischen roten Ziegelsteine produzierten und mit kleinen Motorschiffen auf dem Wasserweg nach Hamburg transportierten. Ein kleines Hafenbecken an der Rückseite des Klinkerwerks erinnert daran. Während der Tage der Industriekultur können Besucher exklusiv einen Blick auf die laufende Produktion werfen.

Von hinter Lauenburg bis nach Cuxhaven erstrecken sich die an den Tagen der Industriekultur teilnehmenden Denkmale und Anlagen. Darunter sind folglich auch viele Orte im Landkreis Stade, zum Beispiel die "Ziegelei Pape" in Bevern, die heute ein Museum ist, der Buxtehuder Hafen, die Prahmfähre in Gräpel, der Leuchtturm in Hollern-Twielenfleth, die Amtswassermühle in Moisburg sowie der Hafen in Stade und die Elbbrücke Grauerort. "Ein Highlight sind auch die ganzen Schiffe und Fähren", sagt Margit Bansbach. "Wir gehen davon aus, dass wir hier in der Region mit die meisten historischen Schiffe Europas haben, die noch betriebsfähig sind, und während der Tage der Industriekultur eingesetzt werden." Wie wäre es zum Beispiel mit einer Tagesfahrt mit dem Ewer "Wilhelmine von Stade" mit Landgang in Glückstadt und über die Seehundsbänke bei Brockdorf (20. und 21. August, 8 bis 18.30 Uhr, 40 Euro)? Oder einer Bootstour mit dem Feuerschiff "Elbe 1" von Cuxhaven nach Stade/Bützfleth (20. August, 13 bis 18 Uhr, 30 Euro)? Während die Bootstouren und einige Museen Eintritt kosten, ist der Zugang zu vielen anderen Denkmälern und Anlagen während der Tage der Industriekultur übrigens kostenlos.

Vier Jahre dauerten die Vorbereitungen für diese umfangreiche Kulturveranstaltung. Alles fing damit an, dass die "AG Kultur" der Metropolregion Hamburg den Journalisten Sven Bardua, ein Fachmann auf dem Gebiet Industriekultur, damit beauftragte, alle dortigen Industriedenkmale zu benennen. "Die Metropolregion Hamburg ist eine besondere Industrieregion", stellte er bei seiner Recherche fest. "Ihr Bild wird weder von Schornstein-Landschaften noch von gewaltigen Rohstoffquellen bestimmt. Die mit der Industrialisierung verbundene Technik ist oft Teil der Landschaft geworden, verschwindet in der Weite des Kulturraumes, macht aber auch den Reiz aus."

1000 Industriedenkmale machte Bardua ausfindig. "Danach haben wir geschaut, was davon für die Allgemeinheit interessant ist und vor allem auch, was das verbindende für die Metropolregion ist", so Margit Bansbach. Und das ist eindeutig das Wasser. "Die Elbe mit all ihren Nebenflüssen und Kanälen ist ausschlaggebend für die Industrie in der ganzen Metropolregion. Ob das Be- und Entwässerung ist, die ganzen Häfen und der Schiffsbau, die Fischindustrie in Cuxhaven, die Binnenschifffahrt in Lauenburg und Glückstadt oder die großen Werften in Hamburg", so Bansbach weiter. Normalerweise habe der Wedeler mit dem Cuxhavener schließlich nicht viel gemeinsam, weiß sie. Doch das Wasser verbinde sie.

Allerdings gehe es laut Bansbach bei den Tagen der Industriekultur nicht darum, Besucher lediglich an diesem einen Wochenende anzulocken. "Wir hoffen, dass wir die Leute mit diesem Projekt sensibilisieren und sie auch später noch mal das eine oder andere Denkmal oder Museum besuchen", so Bansbach. Für eine gewisse Nachhaltigkeit soll deswegen der begleitende Katalog sorgen, der kostenlos in allen teilnehmenden Denkmalen und Museen und bei den Touristeninformationen der Metropolregion erhältlich ist. In diesem elementaren Begleiter findet sich nicht nur das Programm der Tage der Industriekultur , sondern auch ausführliche Beschreibungen zu den Denkmalen und Museen. Eine Industriekulturführer sozusagen, der zudem Ideen für Radtouren enthält. Viele der Programmpunkte lassen sich nämlich ideal mit dem Drahtesel verbinden. Dabei sind die Veranstaltungen so vielfältig wie die teilnehmenden Industrieanlagen. Führungen, Vorführungen, Lesungen, Kulinarisches, Filme und Musik stehen auf dem Programm. Im Buxtehuder Kulturforum am Hafen, Hafenbrücke 1, werden so zum Beispiel Filme zur Industriegeschichte gezeigt. Auf dem Feuerschiff "Elbe 1" und der Schwebefähre in Hemmoor gibt es Lesungen und im Stadthafen Stade stehen Musik und Gesang auf dem Programm. Kinder derweil haben sicher Spaß daran, den Ewer "Magareta" im Buxtehuder Fleth zu besichtigen oder an der Prahmfähre in Brobergen alles über Holzschiffe, Zugbrücken und Burgen zu erfahren.

Mit ein bisschen Glück bleiben die Tage der Industriekultur übrigens keine einmalige Sache. Wenn alles gut läuft, dann soll die Veranstaltung der Kulturbehörde Hamburg, die von der Stiftung Historische Museen Hamburg und dem Museumsdienst Hamburg organisiert und von der Metropolregion Hamburg gefördert wird, als Biennale, also alle zwei Jahre, stattfinden.